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In den Niederlanden steht ein weiterer Meilenstein bei der Beschaffung neuer U-Boote als Nachfolger der Walrus-Klasse bevor: Die Angebote der Bewerber Naval Group, Saab Kockums und ThyssenKrupp Marine Systems (tkMS) sollen bis spätestens 28. Juli  vorliegen, wie aus einem Schreiben des im Verteidigungsministerium zuständigen Staatssekretärs Christophe van der Maat vom 15. Juni an das Parlament hervorgeht. Für die Beschaffung von vier neuen U-Booten wurden die nach dem niederländischen Verfahren ausgewählten Werften vom niederländischen Verteidigungsministerium im Herbst 2022 zur Abgabe von Angeboten aufgefordert.

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Ein U-Boot der Walrus-Klasse (Foto: MoD Niederlande)

Staatssekretär van der Maat geht in seinem Schreiben an die Abgeordneten davon aus, dass die Angebotsauswertung bis „etwa Ende Januar 2024 dauern“ wird und dass er das Parlament im März/April über die Vergabeentscheidung unterrichten kann. Im niederländischen Verfahren erfolgt dies mit dem sogenannten D-Brief.

Die vier in Betrieb befindlichen U-Boote der Walrus-Klasse werden durch vier diesel-elektrische U-Boote der nächsten Generation ersetzt. Die Auswahl der drei Unternehmen wurde mit dem „B-Brief“ im Dezember 2019 bekannt gegeben.

Die niederländische Marine rechnet damit, dass nach Vertragsunterzeichnung rund zehn Jahre ins Land ziehen werden, bis die ersten beiden U-Boote einsatzbereit sind. So lange verbleiben die U-Boote der Walrus-Klasse im Dienst.

Nach einer Verlautbarung des Ministeriums aus dem Jahr 2019 beläuft sich das Projekt auf mehr als 2,5 Milliarden Euro, doch kursierten im Jahr 2019 auch Zahlen von mehr als 3,5 Milliarden Euro. Nach der ursprünglichen Planung sollte 2022 ein Vertrag mit dem dann verbliebenden Wettbewerber unterzeichnet werden. Letztendlich sollten die neuen U-Boote die aktuelle Walrus-Klasse im Jahr 2031 vollständig abgelöst haben. Mittlerweile spricht die niederländische Regierung von 2034 als frühestem Liefertermin.

Die drei konkurrierenden Werften sind Naval Group, Saab Kockums und Thyssenkrupp Marine Systems. Die Auswahl der drei Unternehmen wurde mit dem „B-Brief“ im Dezember 2019 bekannt gegeben. Die vier U-Boote sollen nach 2030 Jahren in Dienst gestellt werden

In seiner jetzigen Verlautbarung geht van der Maat darauf ein, dass eine Vereinbarung über die industrielle Zusammenarbeit mit der Werft, die den Zuschlag erhält, ein Schlüsselelement sei. Vereinbarungen über industrielle Zusammenarbeit (Industrial Cooperation Agreements oder ICAs) sind Instrumente, die die niederländische Regierung zur Stärkung der niederländischen verteidigungstechnologischen und industriellen Basis einsetzt. Von der Werft, die den Zuschlag erhält, wird erwartet, dass sie zu dieser Basis beiträgt. Dieser Industrieanteil besteht im Nachbarland aus fast 1.000 Unternehmen, die auf europäischer und transatlantischer Ebene einen Mehrwert bieten. Beispiele hierfür sind Radartechnologie, Sensortechnologie und der Bau von Überwasserschiffen. Über Marineschiffbau hinaus auch Flugzeugbau und -wartung.

Nach Ablauf der Frist am 28. Juli wird das Ministerium für Wirtschaft und Klimapolitik die von den Werften eingereichten ICA-Vorschläge bewerten. Die Bewertung der ICA erfolgt getrennt von der Bewertung der Ausschreibung durch das Verteidigungsministerium.

Das Ergebnis der Ausschreibungsbewertung wird eine Gesamtbewertung mit einer Rangfolge und einem vorläufigen Gewinner sein. Nach den Verlautbarungen auf der offiziellen Internetseite des niederländischen Verteidigungsministeriums wird das vom Ministerium für Wirtschaft und Klimapolitik geprüfte ICA-Angebot des vorläufigen Gewinners der Gesamtbewertung hinzugefügt. Die vorläufige Vergabeentscheidung wird dem Abgeordnetenhaus vorgelegt, nachdem sie vom Ministerausschuss für die Ersatzbeschaffung und vom Kabinett erörtert worden ist.

Saab Kockums schlägt ein U-Boot vor, das auf der A26 basiert und den niederländischen Anforderungen entspricht. Eine wichtige Anpassung betrifft die Größe des Bootes, da die A26 mit einer Verdrängung von 1900 Tonnen nicht ausreicht. Dadurch muss das Boot einen größeren Durchmesser und eine größere Länge haben.

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Saab Kockums schlägt ein U-Boot vor, das auf der A26 basiert und den niederländischen Anforderungen entspricht. (Foto: Saab)

tkMS bot eine Variante des Typs U212 CD an. Das mit Norwegen zusammen entwickelte Design ist etwas kleiner als die Boote der Walrus-Klasse. Die Niederlande hatten im Dezember 2019 den gegenüber der jetzigen Walrus-Klasse abgespeckten operationellen Bedarf bekanntgegeben. Die von tkMS vorgeschlagene Expeditionsvariante U212CD E soll mehr als 3.000 Tonnen verdrängen bei mehr als 80 Metern Länge. Sie soll über eine größere Ausdauer und höhere Waffenkapazitäten verfügen sowie einen hohen Unterbringungsstandard, geeignet für Langzeitmissionen, verfügen.

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Modell U212CD, von tkMS beim Kongress UDT 2022 im Juni 2022 in Rotterdam präsentiert (Foto: hum)

Von Naval Group wird erwartet, dass sie mit einem Derivat der Barracuda ins Rennen gehen. Dabei handelt es sich um ein nuklear angetriebenes Jagd-U-Boot der französischen Marine. Es wurde auf die niederländischen Bedürfnisse ‚herunter-designt‘.

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Das konventionelle Barracuda von Naval Group (Foto: Naval Group)

Alle Bewerber haben in den Niederlanden Vorkehrungen getroffen, um die Einbindung der niederländischen Industrie sicherzustellen. Naval Group gründete im November 2018 eine Niederlassung in den Niederlanden. Im Februar 2019 zeichnete der französische Schiffbauer mit Royal IHC, bisher aus dem Spezialschiffbau (Entwicklung und Bau von Schiffsbaggern und Zubehör für die Offshoreindustrie) bekannt, eine Kooperationsvereinbarung. Demnach würde Naval Group das Design verantworten, während Royal ICH mit Konstruktion und Ausstattung betraut wäre.

Die schwedische Saab Kockums ging eine Kooperation mit der niederländischen Werft Damen Naval ein. Damen seinerseits hofft, durch die Kooperation Technologie-Know-how für die Entwicklung von U-Booten erlangen zu können.

tkMS versucht, der industriellen Einbindung der niederländischen Industrie Rechnung zu tragen, indem tkMS eine weitgehende niederländische Industriebeteiligung sicherstellen möchte. Die Kieler Idee ist die Schaffung eines ‚Submarine Valley‘ in Den Helder, dem niederländischen Flottenstützpunkt. Sie schielen auf eine enge Zusammenarbeit mit der niederländischen Instandsetzungsbehörde Directie Materiële Instandhouding (DMI) im Marinestützpunkt Den Helder. Schon jetzt das Zentrum für die Wartung von U-Booten der Königlichen Niederländischen Marine ist. Durch gemeinsame Forschung und Entwicklung, Innovation und Know-how-Transfer soll die Kooperation eine besondere Qualität erhalten.

Welche der Vorstellungen sich letztendlich durchsetzen können, ist offen. Sowohl Damen/Saab als auch tkMS sind privatwirtschaftlich aufgestellte Unternehmen, während die französische Naval Group zu einem substanziellen Anteil in Staatsbesitz ist und daher aktive staatliche Unterstützung durch Paris genießt.

So oder so könnte sich Den Helder zu einem europäischen Hub für Unterwassertechnologien, angeführt von der niederländischen Marine und der Industrie, entwickeln. 500 direkte und 1500 indirekte Arbeitsplätze sollen in Nordholland entstehen.

Für die niederländische Regierung könnten unterschiedliche Präferenzen entscheidend sein. Dabei spielen neben dem Verteidigungsministerium auch die Ministerien für Finanzen, das Ministerium für Wirtschaft und Klima sowie das Außenministerium eine Rolle. Dem Auswärtigen Amt in Den Haag wird eine besondere Nähe zu Frankreich nachgesagt. Trotz der geographischen Nähe zu Deutschland und der weitgehenden Integration des niederländischen Heeres in das deutsche Heer beargwöhnt man im Nachbarland Bürokratie und Langsamkeit der Prozesse.

Hans-Uwe Mergener