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In einer Presseverlautbarung teilt das holländische Verteidigungsministerium den Versand des sogenannten B-Briefes am Freitag, 13. Dezember 2019 mit. Mit diesem im Beschaffungsverfahren des Nachbarlandes vorgesehenen zweiten (von vier) Schritten wird die Evaluierungsphase abgeschlossen und das Parlament über die getroffenen Entscheidungen in dieser Phase wie Variante(n), Anzahl/Mengen, Budgetfragen, Hersteller (Werften) und Akquisitionsstrategie informiert.

Auf der Basis der Eckdaten (siehe Tabelle) waren vier Wettbewerber zu Angeboten aufgefordert. Nach der Verlautbarung des Ministeriums beläuft sich das Projekt auf mehr als 2,5 Milliarden Euro, in Pressemeldungen auf mehr als 3,5 Milliarden Euro. Nach der aktuellen Planung soll 2022 ein Vertrag mit einem der nun verbleibenden Wettbewerber unterzeichnet werden. Letztendlich sollen die neuen U-Boote die aktuelle Walrus-Klasse im Jahr 2031 vollständig abgelöst haben.

Kerncharakteristika Variante A Variante B Variante C
Weltweit (‚stealth‘) einsetzbar

 

Alle beabsichtigten  Einsatzgebiete (abgestützt auf Den Helder) Alle beabsichtigten  Einsatzgebiete mit Einschränkungen (Einsatz von einer vorgelagerten Basis (FOB – forward operating base) NATO-Vertragsgebiet um Europa
Multi-Missions-Paket (Waffen, Spezialkräfte) und Besatzungsgröße Multi-Mission Dual Mission

Multi-Mission mit Einschränkungen

Single Mission
Zukunftsfähigkeit /

Anpassungsfähigkeit

Exzellent Ausreichend bis gut Beschränkt
Optimierungsmöglichkeiten im  Entwurf Weitgehende Optimierung aller Funktionalitäten Einbußen in bestimmten Funktionalitäten (Kompromiss) Auswahl bestimmter Funktionalitäten

 

Aus dem von Staatssekretärin Barbara Visser verschickten B-Brief geht hervor, dass die französische Naval Group, Saab Kockums (Schweden) und thyssenkrupp Marine Systems nun Vorschläge für vier Boote der Variante B vorzulegen haben. Aus dem Schreiben geht auch hervor, dass vom üblichen Verfahren, an dessen Ende, der sogenannte C-Brief steht und die Darstellung des Entscheidungsweges bis zur Auswahlentscheidung aufzeigt, abgewichen wird. Denn man möchte keine Neuentwicklung, sondern auf einen bestehenden Entwurf aufsatteln. Der vierte Wettbewerber, die spanische Navantia, sei gerade deswegen nicht weiter in Betracht gekommen, da deren Lösung „weit entfernt von der vom Verteidigungsministerium gewählten Variante B“ (so der Wortlaut im B-Brief) sei.

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Europäischer Wettbewerb

Den Haag hat sich für eine europaweite Ausschreibung entlang §346 EUV entschieden. Dabei messen die Niederlande der Beteiligung des niederländischen Schiffbauclusters, einschließlich KMU (kleine und mittlere Unternehmen) und Forschungsinstituten, für Planung, Bau und die spätere Wartung große Bedeutung bei. Dem Schutz vitaler maritimer Infrastruktur ist eigens ein Abschnitt im B-Brief gewidmet. Staatssekretärin B. Visser: „Der niederländische Schiffbau muss die bestmögliche Position in den Lieferketten ausländischer Werften erreichen. Eine gute Position als Zulieferer bietet niederländischen Unternehmen und Wissensinstituten die Möglichkeit, ihre eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu erweitern, wovon auch die Verteidigungsorganisation profitiert.“

Dem trägt die Strategie von tkMS Rechnung, die mit einem an U212 CD angelehnten Design antritt. Die Kieler wollen die Region Den Helder zu einem „U-Boot-Tal“ (Anspielung auf Silicon Valley) entwickeln und niederländische Industriebeteiligung sicherstellen. Den Helder soll sich so zu einem europäischen Hub für Unterwassertechnologien, angeführt von der niederländischen Marine und der Industrie entwickeln. 500 direkte und 1500 indirekte Arbeitsplätze sollen in Nordholland entstehen.

Saab-Kockums scheint demgegenüber einen Heimvorteil in der Verbindung mit der niederländischen Damen zu genießen, die in das holländische Schiffbaucluster integriert ist. Womit sie als Favorit gelten könnte.

Naval Group hat sich mit dem örtlichen Schiffbauer Royal IHC (Schwerpunkte sind die Entwicklung und der Bau von Schiffsbaggern und Zubehör für die Offshoreindustrie) zusammengetan. Man geht davon aus, dass das französische Unternehmen das Design der Attack-Klasse, mit dem sie in Australien erfolgreich war, vorlegte.

Die Vorgehensweise des holländischen Verteidigungsministeriums ist nicht unumstritten. Zum einen drängt die Zeit, zum anderen befürchtet man, dass trotz der Abkürzung des Verfahrens ein zeitraubender Neuanlauf bevorstehen könnte. Insbesondere die holländische Industrie kritisiert die verpasste Gelegenheit zu einer definitiven Entscheidung. Sie wäre in ihren Augen deshalb erforderlich, um einer Verzögerung auf die Zeit der Regierungsbildung nach den Parlamentswahlen im März 2021 vorzubeugen. Was sich auch kostensteigernd auswirken würde.

Auch gibt es innerhalb der Regierung unterschiedliche Präferenzen, die entscheidend sein können. Neben dem Verteidigungsministerium spielen für Beobachter die Ministerien für Finanzen, Wirtschaft und Auswärtige Angelegenheiten eine Rolle. Dem Auswärtigen Amt in Den Haag wird eine besondere Nähe zu Frankreich nachgesagt. Das Risiko einer eventuellen Zusammenarbeit mit Naval Group könnte in der amerikanischen Verweigerung zu bestimmten Ausrüstungsanteilen bestehen. Trotz der (geographischen) Nähe zu Deutschland und der weitgehenden Integration des niederländischen Heeres in das deutsche beargwöhnt man Bürokratie und Langsamkeit der Prozesse.

Hans Uwe Mergener