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Das eindrucksvolle Bild zeigt das russische U-Boot „Orel“ (K-266), deutsch: Adler. Allein die Tatsache, ein russisches U-Boot dergestalt vor die Kamera zu bekommen, ist erstaunlich. Noch ungewöhnlicher ist der Ort der Aufnahme: Irgendwo in den dänischen Meerengen und dem Fehmarnbelt.

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Foto: Michael Nitz, Naval-Press-Service

Am 6. Juli wurde beobachtet, dass das nuklearangetriebene U-Boot der Oscar-II-Klasse in die Ostsee eingelaufen ist. U-Boote der Oscar-Klasse, in der russischen Terminologie als ‚Raketenkreuzer‘ bezeichnet, wurden als ‚Flugzeugträgerknacker‘ entwickelt. Ihre ursprüngliche Hauptbewaffnung, 24 Marschflugkörper vom Typ P-700 Granit (NATO Bezeichnung SS-N-19 Shipwreck), war zur Bekämpfung der US-Flugzeugträger gedacht. Die in den 1970er Jahren entwickelte M-45 Rakete, die sowohl mit nuklearen (500 Kt) als auch mit konventionellen Sprengköpfen mit einem Gewicht von 750 kg ausgestattet werden kann, hat eine Reichweite von maximal 625 Kilometern bei einer Höchstgeschwindigkeit von 2,5 Mach.

Die Flugkörperbewaffnung der U-Boote der Oscar-II-Klasse erlebt ein Upgrade. Die Granit-Flugkörper sollen durch P-800 Oniks/Onyx (NATO Bezeichnung SS-N-26 Strobile) oder 3M14K Kalibr (SS-N-27/SS-N-30A Sizzler) ersetzt werden – Marschflugkörper, die mit dem US-Tomahawk vergleichbar sind. Auch über die mögliche Einrüstung des 3M22 Zirkon wird in westlichen Expertenkreisen spekuliert. Der hyperschallschnelle Flugkörper kann Mach 9 erreichen.

Da die neueren Flugkörpergenerationen andere Dimensionen als die ursprüngliche Granit aufweisen, gehen Experten von höheren Beladungszahlen auf den U-Booten der Oscar-Klasse aus.

Wesentliche Leistungsdaten der Flugkörper, die sowohl landgestützt, von Flugzeugen und von Überwasser- wie Unterwassereinheiten eingesetzt werden können:

Granit: Gefechtskopf konventionell 750 kg, thermonuklear 500 kt, Reichweite: 625 km, Geschwindigkeit 2,5 Mach

Oniks: Gefechtskopf konventionell 300 kg, thermonuklear 200 kt, Reichweite: 600-800 km, Geschwindigkeit 2,6 Mach.

Kalibr: Gefechtskopf konventionell 400-500 kg, thermonuklear möglich, keine Angabe zur Sprengkraft, Reichweite: bis 2.500 km, Geschwindigkeit 2,9 Mach.

Zirkon: Gefechtskopf konventionell 750 kg, thermonuklear 500 kt, Reichweite: 1.000 km, Geschwindigkeit 9 Mach

Oniks und Kalibr haben in Syrien ihre Einsatzreife nachgewiesen.

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Foto: Michael Nitz, Naval-Press-Service

Mit „Orel“ nimmt nunmehr im dritten Jahr in Folge ein U-Boot der Oscar-II-Klasse der Nordflotte an den Feierlichkeiten zum Tag der russischen Marine teil. Normalerweise setzt Russland dieselelektrische U-Boote in diesem Seegebiet ein. Mit der „Orel“ ändert sich die Gegnerlage insofern, dass ein nuklearangetriebenes großes U-Boot in unmittelbarer Nähe zu Mitteleuropa und der Baltischen Staaten navigiert. Zwei der möglichen Flugkörpervarianten sind bereits auf russischen Marineeinheiten (Überwassereinheiten und U-Booten) in der Ostsee präsent. Somit erhöht sich mit der „Orel“ lediglich die Anzahl.

Es ist nicht das erste Mal, dass Russland derartige Einheiten zur jährlichen Marineparade in die Ostsee entsendet. 2017 war es mit „Dmitry Donskoy“ (TK-208), ein Boot der Typhoon-Klasse, russisch Akula-Klasse, ein strategisches U-Boot.

Außergewöhnlich und politisch bemerkenswert ist hingegen, dass in diesem Jahr auch Baltijsk, der Vorhafen von Kaliningrad, Ort der Feierlichkeiten sein wird. Üblicherweise gehört zu der Flottenschau am Tag der russischen Marine auch die Demonstration maritimer Fähigkeiten. Zu dem Szenario in Baltijsk gehört eine simulierte amphibische Landungsoperation. Es ist leicht vorstellbar, dass dies sicherheitspolitisch heikel ist. Nach Ankündigungen des russischen Verteidigungsministeriums werden insgesamt 46 Kriegs- und Hilfsschiffe der Ostseeflotte, 20 andere Armee-Einheiten sowie zwei Hubschrauber der Marinefliegerei Ka-27 an den diesjährigen Veranstaltungen zum Tag der russischen Marine in Baltijsk beteiligt sein.

Zur Parade vor St. Petersburg hat die Nordflotte neben der „Orel“ das große U-Boot-Abwehrschiff (russische Bezeichnung) „Vizeadmiral Kulakov“, einen Zerstörer der Udaloy-Klasse, abgeordnet. Der Nachbau des ersten in St. Petersburg gebauten Kriegsschiffes, das auf eine Initiative von Zar Peter dem Großen zurückgeht, die „Poltawa“, wird als Führungsschiff fungieren.

Der Tag der Marine wird in allen russischen Flotten am letzten Julisonntag begangen. Erstmalig beteiligen sich in diesem Jahr auch Einheiten der kaspischen Flottille.

Hans Uwe Mergener