Das BAAINBw hat am 5. Februar über sieben Studienaufträge informiert, mit denen das Beschaffungsamt im November/Dezember letzten Jahres die Entwicklung von Komponenten für eine zukünftige Konfiguration des Kampfpanzers Leopard 2 vorantreibt. Über die Studienserie hat der Informationsdienst hartpunkt erstmals berichtet.
Bei den Komponenten geht es um eine automatisierte Feldjustieranlage und drei Munitionssorten für die Bordkanone, um einen erweiterten Sensor für den Selbstschutz und um ein alternatives Triebwerk.
Als Brückenlösung zwischen dem fertig entwickelten Leopard 2 A8 und dem Main Ground Combat System (MGCS), das ab Mitte der 2040er Jahre eingeführt werden soll, will die Bundeswehr die Duellfähigkeit des Kampfpanzers Leopard mit Komponenten auf dem Stand der Technik erhalten. Die Entscheidung über die Konfiguration soll in der zweiten Jahreshälfte 2026 getroffen werden. Die Einführung in die Truppe könnte in den frühen 2030er Jahren erfolgen.
Wegen der absehbar einschneidenden Änderungen gegenüber seinen Vorgängern könnte die weiterhin als „Single-Platform“ realisierte Brückenlösung die Bezeichnung „Leopard 3“ erhalten.
Die drei Munitionssorten sollen der Bekanntmachung entsprechend mit dem Kaliber 130mm entwickelt werden. Damit scheint eine Vorentscheidung für die 130mm-Bordkanone von Rheinmetall zumindest für die Brückenlösung, vielleicht auch schon für das MGCS gefallen zu sein.
Feldjustieranlage
Im Betrieb muss die mechanische Ausrichtung der Bordkanone immer wieder mit der Feuerleitanlage abgeglichen werden, um zuverlässig Erstschusstreffer zu erreichen. Einflussgrößen sind u.a. die Erwärmung durch die Sonne oder das Schießen. „Da die Waffe diesen Einflüssen kontinuierlich ausgeliefert ist, ist eine regelmäßige Justierung erforderlich. Um die Besatzung zu entlasten bzw. für die Bearbeitung anderer Aufgaben während der Feldjustierung zu befähigen und gleichzeitig die Prozesszeit zu minimieren, soll eine Automatisierung entwickelt werden“, schreibt das BAAINBw.
Zwei Studien wurden zu dem Thema vergeben. Für Hensoldt lauteten die veröffentlichte Forderungen lediglich „automatische Feldjustieranlage“ und kompatibel mit der 120mm L55 Waffenanlage unabhängig von der Feuerleitrechner – Variante. Das zielt möglicherweise auf die Regeneration des Bestandes.
Bei KNDS Deutschland, dem Auftragnehmer der zweiten Studie, steht als Aufgabe die Präzisionssteigerung der direkten Wirkung. Dies entspricht der Forderung für das MGCS, die Wahrscheinlichkeit für einen Erstschuss-Vernichtungstreffer zu erhöhen.
130mm-Munition
Als erstes soll Rheinmetall Waffe-Munition unter der Bezeichnung DM13 eine 130mm-Qualifizierungsmunition für die Bordkanone entwickeln. Die Munition wird benötigt, um die technische Zuverlässigkeit der 130mm-Waffenanlage zu überprüfen. „Ziel ist es, durch die dedizierte Auslegung dieser Munition auf die Qualifizierung der Waffe den Kosten- und Zeitrahmen möglichst ökonomisch zu halten“, hat das BAAINBw vorgegeben.
Die zu entwickelnde 130mm-Mehrzweckmunition heißt DM 11. Die Sprengmunition kann mit Aufschlag- und programmierbarem Zeitzünder verwendet werden. „Die Leistungsbeschreibung umfasst hierbei notwendige (Weiter-)Entwicklungen von Technologien und Werkstoffen sowie den Aufbau und die Erprobung der Munition“, heißt es in der Bekanntmachung.
Die dritte Munitionssorte ist die Gefechtsmunition Kinetic-Energy (KE), die mit Pfeilmunition in Verbindung mit hoher Geschwindigkeit Panzerung auch auf große Entfernung durchschlagen kann. Auch diese soll u.a. zur Qualifizierung der Kanone genutzt werden.
Optikdetektion
Unter diesem ungewohnten Begriff soll Hensoldt Optronics sein auf dem Puma eingeführtes Multifunktionalen Selbstschutz-System (MUSS) erweitern. MUSS erkennt Laser-, IR- und Schall-Emissionen von Lenkraketen und Steuereinheiten und stört die Flugkörper mit IR-Jammer oder Nebel so, dass sie das Ziel nicht erreichen (ESuT berichtete). Der elektrooptische Sensor-/Effektorverbund soll zusätzlich Optiken mit dem physikalischen Prinzip des Katzenaugeneffekts entdecken. Das weiterentwickelte MUSS soll in einen Leopard 2 A7 integriert werden.
Triebwerk
Bei allen Leistungssteigerungen des Leopard ist bisher das Triebwerk kaum verändert worden. Jetzt wurde KNDS Deutschland beauftragt, ein alternatives Triebwerk unter der Bezeichnung OLYMP zu entwickeln. Ziel ist die Agilitätssteigerung des Kampfpanzers. Dazu muss der gesamte Triebwerkblock mit Verbrennungsmotor, Lenk-/Schaltgetriebe, Kühlsystem, Brennluftfiltrierung und Abgasanlage betrachtet werden. KNDS Deutschland wird als Systemführer mit Spezialisten für Motor, Getriebe und die anderen Aggregate die Komponenten des Treibwerks optimieren und ggfs. Austauschen. Dabei hat das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr vorgegeben, dass möglichst viele Baugruppen des bestehenden Systems (Gleichteile) genutzt werden. Das Ergebnis soll als Demonstrator in einem beigestellten Fahrzeug präsentiert werden.
Einführung des neuen Panzers
Die vollständigen Studienergebnisse sind bis spätestens November 2026 abzuliefern. Damit dürften die wesentlichen Erkenntnisse rechtzeitig für die Konfigurationsentscheidung des zukünftigen „Leopard 3“ vorliegen. Zusammen mit den Neuentwicklungen des Leopard 2 A8, die als Basis für den „Leopard 3“ dienen, könnte die Brückenlösung einen bedeutenden Leistungssprung des Kampfpanzers ermöglichen und die Zeitspanne bis zur Einführung des MGCS effektiv schließen.
Um eine Einführung des „Leopard 3“ in den frühen 2030er Jahren zu gewährleisten, sind stringente Zeitpläne und eine gesicherte Finanzierung unerlässlich. Verzögerungen bei der Bereitstellung der erforderlichen Mittel könnten den Zeitrahmen gefährden.
Gerhard Heiming