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Kein europäischer Staat leistet so viel militärische Hilfe für die Ukraine wie die Bundesrepublik Deutschland. Zuletzt beim Treffen der Europäischen Sozialisten in Bukarest am 6. April hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Rolle Deutschlands als zweitgrößter Unterstützer nach den USA gerühmt und den Umfang der deutschen Unterstützung mit 28 Milliarden Euro beziffert. Schon bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar hatte Scholz diese Summe genannt und darauf verwiesen, im laufenden Jahr die Militärhilfe auf mehr als sieben Milliarden Euro nahezu verdoppelt worden sei. Zusagen für die kommenden Jahre in Höhe von sechs Milliarden kämen hinzu.

Die deutschen Leistungen zur Unterstützung werden nicht bestritten, Umfang und Zeitpunkt stehen aber in der Kritik. Nach einer Berechnung von MdB Ingo Gädechens (CDU), Berichterstatter für Verteidigung im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, hat die Bundesregierung für die gelieferten militärischen Unterstützungsleistungen lediglich 10,2 Milliarden Euro aufgewendet, etwa ein Drittel der von der Bundesregierung abgegebenen Summe.

Als Ursache für die Differenz von 18 Milliarden Euro sieht Gädechens „ein famoses System kreativer Buchführung“, in dem einerseits Absichten, Planungen und Verpflichtungen eingerechnet, andererseits aber Rückerstattungen nicht berücksichtigt werden.

Als wesentliche Kritikpunkte nennt Gädechens, dass mit den 7,1 Milliarden Euro der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung im Einzelplan 60 aus dem auch andere Länder mit 370 Millionen Euro unterstützt werden. Ähnliches gilt auch für die Verpflichtungsermächtigungen. Von angegebenen sechs Milliarden Euro für 2024 werden nur 3,4 Milliarden Euro für die Ukraine genutzt, der Rest ist für Wiederbeschaffungen oder für Sonstiges gebunden. Als Drittes seien Rückerstattungen aus der Europäischen Friedensfazilität unzureichend berücksichtigt. 31 Millionen Euro gibt die Bundesregierung an, die beantragten 3,4 Milliarden Euro, die innerhalb der nächsten Jahre erstattet werden, sind noch nicht aufgeführt.

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Weitreichende Artillerie, wie die abgebildete Panzerhaubitze 2000, gehört zu den wirkungsvollsten Systemen, mit denen die Ukraine unterstützt wird. (Foto: Defensie)

„So werden aus versprochenen 28,051 Milliarden Euro nach Abzug aller Rechentricks und Doppelanrechnungen nur noch 21,701 Milliarden Euro – das sind 6,350 Milliarden Euro weniger als versprochen oder -23 Prozent“, schreibt Gädechens.

Noch schlimmer sei die Lage, wenn man danach fragt, wie viel tatsächlich schon geliefert wurde – denn ob der Ukraine Waffensysteme, die 2028 geliefert werden sollen, überhaupt noch etwas nützen, ist angesichts der aktuellen Lage eine berechtigte Frage, so Gädechens weiter. Denn bei Betrachtung der bisher tatsächlich geleisteten militärischen Hilfe, ohne Versprechungen und Ankündigungen für die teils weit entfernte Zukunft (dafür aber inklusive der beantragten EPF-Rückerstattung), verbleibe nur noch ein Betrag von 10,2 Milliarden Euro – das ist gerade einmal ein Drittel dessen, was Olaf Scholz ins Schaufenster stellt!

„Olaf Scholz bleibt seiner Linie treu: In den vergangenen Monaten präsentierter er uns abstruse Rechentricks, um das Erreichen des NATO-Ziels für die Verteidigungsausgaben darzulegen. Dieselbe kreative Buchführung erleben wir jetzt bei der Ukraine-Hilfe: Der Kanzler erweckt den Eindruck, Deutschland hätte die Ukraine bereits mit 28 Milliarden Euro militärisch unterstützt. In Wahrheit haben wir bisher nicht einmal die Hälfte ausgegeben – gerade einmal 10,2 Milliarden Euro sind tatsächlich geliefert worden bzw. werden auch von Deutschland bezahlt. Das zeigt einmal mehr, dass es dem Kanzler vor allen Dingen um die eigene Profilierung geht – und leider viel zu wenig um die Ukraine“, stellt Gädechens fest.

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Auch wenn man – wie der Kanzler es machen möchte – die Zusagen für zukünftige Lieferungen mit einberechne, sei Deutschland von den 28 Milliarden Euro weit entfernt. Denn man komme nur auf diese Summe, wenn man Dinge doppelt anrechne wie z.B. das Auffüllen von Bundeswehrbeständen.

„Und bei der Anrechnung von Waffenlieferungen in der Zukunft muss man betonen: Die Ukraine braucht jetzt unsere Hilfe – Waffenlieferungen in den Jahren 2026, 2027 und 2028 sind höchstwahrscheinlich zu spät!“ so Gädechens weiter.

Leider sei das Spiel von Olaf Scholz leicht zu durchschauen: Er wolle sich einerseits als Friedenskanzler profilieren, um seine katastrophalen Umfragewerte aufzufangen. Zugleich wolle er aber auch den Eindruck erwecken, er persönlich sei einer der stärksten Unterstützter der Ukraine. Die Zahlen entzaubern ihn aber.

Anmerkung:

Die Ukraine braucht militärische Unterstützung jetzt. Um nach den Verzögerungen der US-amerikanischen Hilfe die Abwehrfähigkeit der ukrainischen Streitkräfte schnell zu stärken, muss etwas geschehen. Wenn militärisches Gerät von der Industrie nicht schnell genug produziert werden kann, müssen die unterstützenden Länder in ihr eigenes Arsenal greifen und dabei weitere Ausrüstungslücken in Kauf nehmen. Ziel muss sein, die Ukraine aus dem Status quo herauszubringen und Möglichkeiten zum Herstellen einer guten Verhandlungsposition zu schaffen. Das geht nur mit „Nicht kleckern, klotzen!“

Gerhard Heiming