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Die von der schwedischen Regierung am 16. März eingerichtete Arbeitsgruppe zur Beratung der Konsequenzen aus dem sich veränderten Sicherheitsumfeld nach der russischen Aggression gegen die Ukraine hat heute ihren Abschlussbericht vorgelegt. Darin wird eine Schlussfolgerung zum möglichen NATO-Beitritt vorsichtig formuliert, ohne eine eindeutige Empfehlung auszusprechen.

Es wird festgestellt, dass Moskaus Invasion in der Ukraine die Grenzen der Verpflichtungen der NATO gegenüber Nichtmitgliedern aufzeige. Die Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 des NATO-Vertrages gilt nur für die Mitgliedsstaaten – kollektive Verteidigung enthalte, so die klare Ableitung, „keine Partnerdimension“. Für Schweden sei es politisch, finanziell und militärisch nicht realistisch, bilaterale Verteidigungsbündnisse mit gegenseitigen Verteidigungsgarantien außerhalb der bestehenden europäischen und euro-atlantischen Strukturen einzugehen. Klar sei zudem, dass es den EU-Mitgliedsstaaten am politischen Willen mangele, eine kollektive Verteidigung innerhalb der Union zu entwickeln.

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Die schwedische Studie zur NATO-Mitgliedschaft, government.se

Der Bericht führt auch aus, dass eine schwedische NATO-Mitgliedschaft die Schwelle für militärische Konflikten höher setzen würde, womit sich die Abschreckung verstärke. Eine Mitgliedschaft von sowohl Schweden als auch Finnland in der NATO trüge zu den kollektiven Verteidigungsbemühungen aller nordischen und baltischen Staaten bei, heißt es in dem Papier. Demgegenüber herrsche im aktuellen Zustand Ungewissheit, in welcher Form kollektive Maßnahmen ergriffen werden würden. Mit Blick auf das Nachbarland konstatiert der Bericht, dass es weiterhin von großem Wert sei, dass Finnland und Schweden in enger Zusammenarbeit auf das veränderte Sicherheitsumfeld reagieren.

Das schwedische Parlament wird am Montag die Debatte über den Bericht aufnehmen. Die eine Minderheitsregierung führenden Sozialdemokraten wollen sich am kommenden  Sonntag, den 15. Mai, beraten.

An der Arbeitsgruppe zur Erstellung des Berichtes nahmen alle im Riksdag vertretenen Parteien teil. Die Leitung hatte die Ministerin für Auswärtige Angelegenheiten, Anne Linde. Verteidigungsminister Peter Hultquist sagte beim heutigen Pressetermin: „Wenn Schweden sich dafür entscheidet, die NATO-Mitgliedschaft anzustreben, besteht das Risiko einer Reaktion Russlands. Ich möchte betonen, dass wir in einem solchen Fall auf jede Gegenreaktion vorbereitet sind.“

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Am gestrigen 12. Mai wurde das Votum des finnischen Präsidenten und der Premierministerin für einen NATO-Beitritt des Landes bekannt, worüber ESuT berichtete.

Die NATO würde mit Finnland und Schweden potente Partner gewinnen, auch im Hinblick auf den zunehmenden Bedeutungsgewinn der Arktis. Andererseits steht sie vor Herausforderungen. Denn Änderungen im Abschreckungs-Dispositiv werden nicht ausbleiben. Über gemeinsame Übungen hinaus wäre die Vorwärts-Stationierung eine denkbare Option. Auch rüstungsindustriell ändern sich die Verhältnisse.

Zudem steht die Frage der Beistandsverpflichtung durch die Allianz während der Ratifizierungsprozesse der einzelnen Mitgliedsstaaten im Raum. Die kollektive Verteidigungsklausel der Allianz kann erst nach vollständiger Aufnahme gelten. Kroatiens Präsident Zoran Milanović hatte seine Blockade im April bereits öffentlich gemacht. Ungarn gilt in Brüssel als ein unsicherer Kandidat.

Bei einem Besuch von Premierminister Boris Johnson in den beiden Ländern am 11. Mai unterzeichnete das Vereinigte Königreich sowohl mit Schweden als auch mit Finnland gegenseitige Schutzerklärungen. Auch Washington hat eine Sicherheitsgarantie für beide Länder während der Ratifizierungsphase ausgesprochen.

Hans Uwe Mergener