Finnland: Präsident und Ministerpräsidentin befürworten NATO-Beitritt
Hans Uwe Mergener
In einer gemeinsamen Erklärung sprechen sich Finnlands Präsident Sauli Niinisto und Ministerpräsidentin Sanna Marin am heutigen Donnerstag dafür aus, dass das Land „unverzüglich“ einen Antrag auf Beitritt zur NATO stellen sollte. Gleichzeitig äußerten sie die Hoffnung, dass die für „diese Entscheidung noch erforderlichen nationalen Schritte in den nächsten Tagen rasch unternommen werden“. Das Votum des finnischen Parlaments wird in der kommenden Woche erwartet.
Aufgrund des Krieges in der Ukraine und der veränderten Sicherheitslage zeigen die bisher neutralen skandinavischen Länder Finnland und Schweden Interesse an einem Beitritt zur NATO. Waren die Finnen in der Vergangenheit mehrheitlich gegen einen NATO-Beitritt, so kippte mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine die öffentliche Meinung. Laut einer am 9. Mai veröffentlichten Umfrage befürworten mehr als Dreiviertel der Bevölkerung diesen Schritt. Am gestrigen Mittwoch kam der Verteidigungsausschuss des finnischen Parlaments überein, dass die NATO für die Sicherheit Finnlands nach der russischen Invasion in der Ukraine die „beste Option“ sei.
In Stockholm, das wie Helsinki vor einer Beitrittsentscheidung steht, könnte die regierende sozialdemokratische Partei womöglich am kommenden Sonntag ihre neue Linie zur NATO bekanntgeben.
Der Schritt der zwei skandinavischen Länder ändert die geopolitische Landkarte Europas, auch wenn beide eigentlich 1995 mit ihrem EU-Beitritt einen Teil ihrer Neutralität bereits aufgegeben hatten. Finnland, das eine 1.340 Kilometer lange Grenze mit Russland teilt, hatte sich bereits seit der Annexion der Krim in Richtung NATO orientiert. Schweden, das 2005 die Insel Gotland entmilitarisierte, begann im September 2016 wieder Truppen auf dem strategisch wichtigen Außenposten in der Ostsee zu stationieren.
Die NATO gewinnt mit Finnland und Schweden potente Partner, auch im Hinblick auf den zunehmenden Bedeutungsgewinn der Arktis. Andererseits steht sie vor Herausforderungen. Denn Änderungen im Abschreckungs-Dispositiv werden nicht ausbleiben. Über gemeinsame Übungen hinaus wäre die Vorwärts-Stationierung eine denkbare Option. Die Frage der Beistandsverpflichtung durch die NATO während der Ratifizierungsprozesse der einzelnen Mitgliedsstaaten steht zudem im Raum. Die kollektive Verteidigungsklausel der Allianz kann erst nach vollständiger Aufnahme gelten. Kroatiens Präsident Zoran Milanović hatte seine Blockade eines Beitritts im April bereits öffentlich gemacht. Zudem gilt Ungarn in Brüssel als ein unsicherer Kandidat.
Bei einem Besuch von Premierminister Boris Johnson in den beiden Ländern am 11. Mai unterzeichnete das Vereinigte Königreich sowohl mit Schweden als auch mit Finnland gegenseitige Schutzerklärungen. Auch Washington hat eine Sicherheitsgarantie für beide Länder während der Ratifizierungsphase ausgesprochen.
Nordatlantikrat tagt in Berlin
Am 14. und 15. Mai 2022 wird in Berlin ein informelles Treffen des Nordatlantikrats auf der Ebene der Außenminister stattfinden. Unter Vorsitz des stellvertretenden NATO-Generalsekretär Mircea Geoana stehen nach in Brüssel kursierenden Informationen drei Themen auf der Tagesordnung: die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland, der Beitritt Finnlands und Schwedens sowie das strategische Konzept. Der Austausch beginnt am Samstagabend mit einem informellen Arbeitsessen, an dem die Außenminister Finnlands und Schwedens teilnehmen werden.
Hans Uwe Mergener