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Es gibt erste, bisher unbestätigte Berichte, wonach aserbaidschanische Truppen mit einem Großangriff entlang der gesamten Frontlinie der noch von Armenien besetzt gehaltenen Exklave von Nagorny Karabach – der international nicht anerkannten „Republik Arzach“ – begonnen haben sollen. Nachdem Aserbaidschan bereits im letzten Bergkarabach-Krieg zwei Drittel des armenischen Gebietes zurückerobert hatte, könnte jetzt für Armenien die Gefahr bestehen, auch das letzte Drittel der Exklave an den feindlichen Nachbarn im Osten zu verlieren.

Gleichzeitig findet im armenischen Kernland mit „Eagle Partner“ eine kleine „Peacekeeping”-Übung statt, an der laut US-Botschaft in Jerewan schätzungsweise 85 amerikanische und 175 armenische Soldaten teilnehmen. Sie begann am 11. September und sollte neun Tage später enden. Die US-Soldaten kommen von der 1. Brigade der „101st Airborne Division (Air Assault)“ und der Nationalgarde aus Kansas; ihre armenischen Kameraden kommen von der 12. „Peacekeeping“-Brigade. Das Manöver findet auf den Übungsplätzen von Zar und Armavir in der Nähe der Hauptstadt statt.

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Der armenische Verteidigungsminister Suren Papikyan (r.) begrüßt US-Generalmajor Gregory Anderson (l.) in Jerewan (im Hintergrund mittig US-Botschafterin Kristina A. Kvien). (Foto: MOD Republik Armenien)

„Unsere Verbindungen mit Armenien“, so Generalmajor Gregory Anderson, Kommandierender General der 10. Gebirgsdivision des US-Heeres bei seiner Ankunft in der dortigen Hauptstadt Jerewan, „sind vielschichtig und kooperativ.“ General Anderson und Brigadegeneral Patrick Ellis, stellvertretender Chef des Stabes für Operationen der „U.S. Army Europe and Africa“, waren in die Kaukasus-Republik gereist, um die bilaterale Übung „Eagle Partner“ zu beaufsichtigen.

„Die Übung Eagle Partner“, so die dortige US-Botschafterin Kristina A. Kvien, „ist ein verbindlicher Beweis unserer langjährigen Partnerschaft mit Armenien und baut auf Jahrzehnten erfolgreicher Zusammenarbeit auf den Feldern ‚Peacekeeping‘ und Sicherheit auf, untermauert durch Armeniens andauernde Verbundenheit mit der Nationalgarde von Kansas im Rahmen des entsprechenden Partnerschaftsprogramms des US-Außenministeriums.“

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Führer und Unterführer der „101st Airborne Division (Air Assault)“ bei der Ausbildung. (Foto: US Army / Rosario)

Mit dieser Übung soll die armenische 12. „Peacekeeping“-Brigade auch vorbereitet werden für die Evaluation des „Operational Capabilities Concept“ (OCC) der Atlantischen Allianz später im Jahr im Rahmen des NATO-Programms „Partnership for Peace“ (PfP). Im Zuge des Washingtoner Jubiläumsgipfels „50 Jahre Nordatlantisches Bündnis“ 1999 wurde das OCC aufgrund der Erfahrungen aus den Balkan-Einsätzen als neues Element des PfP-Programms entwickelt.

Die traditionelle armenische Schutzmacht Russland beobachtet die US-Präsenz in ihrem südkaukasischen „Hinterhof“ mit Argusaugen. Umgekehrt fühlt sich Armenien durch die Untätigkeit Russlands beim jüngsten Bergkarabach-Krieg mit Aserbaidschan im Jahre 2020 und bei der aktuellen Blockade des Latschin-Korridors, der einzigen Landverbindung zwischen Armenien und Bergkarabach, durch aserbaidschanische Truppen von der Kreml-Führung im Stich gelassen. Als strategischer Partner scheint Aserbaidschan für Russland mittlerweile ohnehin wertvoller geworden zu sein als das ärmliche Armenien.


Gerd Portugall