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Frankreich hat sich dem belgisch-niederländischen Minensucherprogramm angeschlossen. Das gaben am 30. August die belgischen und niederländischen Verteidigungsministerinnen am Rande des EU-Verteidigungsministertreffens in Toledo auf ihren Social-Media-Kanälen bekannt. Aus Frankreich gibt es keine Stellungnahme dazu.

Ganz unerwartet kommt die Entwicklung nicht. Die Marinen der drei Länder betreiben bereits Minenkampfeinheiten, die in den 1980er Jahren im Rahmen des Tripartite-Programmes aufgelegt wurden. Im Mai 2019 schlossen Belgien und die Niederlande mit Belgium Naval & Robotics den Vertrag zum Bau von zwölf Minenkampfeinheiten. Eine diesbezügliche Absichtserklärung wurde Ende November 2016 abgegeben. Annähernd zeitgleich wurde auch ein gemeinsames Fregattenprogramm initiiert.

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Dutch Minister of Defence, Kajsa Ollongren, and her Belgian counterpart Ludivine Dedonder (Photo: MoD Belgium)

Ursprünglich beabsichtigte Paris, das zukünftige Minenabwehrsystem der französischen Marine, SLAM-F, gemeinsam mit London zu entwickeln. Thales, L3Harris, ECA und Saab kooperierten in einem Entwicklungsauftrag für die Royal Navy und die französische Marine. Das Vorhaben wurde jedoch nicht bis zum Ende geführt.

Während der EuroNaval 2022 kam es dann zu einem Kooperationsabkommen im Bereich der Minenabwehrmaßnahmen für die Marinen Belgiens, Frankreichs und der Niederlande. Damals hieß es, dass es 2023 zu einer definitiven Bestellung für die französische Marine kommen werde. Die Verlautbarungen aus Toledo lassen eine zeitnahe Auftragserteilung durch Paris vermuten. Beobachter nehmen an, dass die französische Marine sechs Einheiten erhalten wird.

Das niederländisch-belgische rMCM-Programm (Renovation Mine Countermeasures) umfasst den Bau von insgesamt zwölf Mutterschiffen, die mit einer ‚tool box‘ unterschiedlicher Fähigkeiten zur Minenortung und -bekämpfung ausgerüstet werden. Sie umfasst Überwasserdrohnen mit unterschiedlichem Minendetektions- und -bekämpfungsgerät sowie Unterwasser- und Flugdrohnen. Während die Niederlande für das Fregattenprogramm zuständig sind, hat Belgien bei der Nachfolge der von den beiden Ländern betriebenen Minenbekämpfungseinheiten die Federführung.

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Das niederländisch-belgische rMCM-Programm (Renovation Mine Countermeasures) umfasst den Bau von insgesamt zwölf Mutterschiffen, die mit einer ‚tool box‘ unterschiedlicher Fähigkeiten zur Minenortung und -bekämpfung ausgerüstet werden. (Foto: Naval Group)

Das Programm ist gut angelaufen, die durch Corona entstandenen Verzögerungen scheinen überwunden. Ende März 2023 wurde „Oostende“ (M 940) als erste Einheit bei Piriou in Concarneau zu Wasser gelassen. Das erste für die Niederlande vorgesehene Minenbekämpfungsschiff, die „HNLMS Vlissingen“ (M 840), wird bei Kership in Lorient für den Stapellauf vorbereitet. Bug und eine 40 Meter lange Rumpfsektion der „Tournai“ (M 941) trafen am Morgen des 3. September von Gdynia kommend in Concarneau ein. In Georgu, Rumänien, wird der Kasko der „HNLMS Scheveningen“ (M 841) gefertigt.

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In Belgien werden die neuen Minensucher als City-Klasse, in den Niederlande als Vlissingen-Klasse geführt.

Rahmendaten City-/Vlissingen-Klasse:

Länge: 82,6m
Breite: 17m
Verdrängung: 2800 Tonnen
Höchstgeschwindigkeit: 15,3 Knoten
Reichweite:3500 Seemeilen
Unterbringung: 63 Personen
Drohnenkapazität: System UMISOFT von Exail, zwei Überwasserdrohnen (Exail Inspector 125), drei autonome Unterwasserfahrzeuge (A-18 mit UMISAS 120 Sonar von Exail), zwei geschleppte Sonare (T-18 mit UMISAS 240 Sonar (Exail)), zwei MIDS-Systeme (Seascan und K-Ster C von Exail), zwei Flugdrohnen (V200 UMS Skeldar), ein Exail Influenz-Dragger mit fünf integrierten CTM Magnetmodulen und ein Patria-Akustikmodul
Kapazität zur Aufnahme von zwei RHIB SOLAS-Boote von 7 m Länge

 

Für Frankreich könnten ökonomische Erwägungen eine Rolle für den Einstieg in das belgisch-niederländische Programm gespielt haben – neben industriepolitischen. Die niederländische Fach-Webseite marineschepen.nl sieht in den gestiegenen Kosten infolge des russischen Krieges in der Ukraine für die beim Minensuchervorhaben federführende Bauwerft Naval Group einen weiteren Grund. Der in der Ukraine bestellte Schiffbau-Stahl konnte nicht geliefert werden und musste zu höheren Preisen akquiriert werden. Bei einer höheren Anzahl baugleicher Einheiten werden die Arbeiten für Naval Group rentabler.

Spannend wird, welche Besonderheiten das französische Los aufweisen wird. Aus französischen Fachartikeln lässt sich ableiten, dass sich die französische Marine mit dem nun zu implementierenden Launch and Recovery System nicht anfreunden mag. Sie liebäugelt anscheinend mit einem anderen System zum Aussetzen und Einholen unbemannter Fahrzeuge.

Hans Uwe Mergener