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Bundeskanzler Olaf Scholz hat heute auf der Münchener Sicherheitskonferenz eine Wende im Umgang mit der Rüstungsindustrie angekündigt. Man habe in den vergangenen 20 Jahren die Beziehung zwischen dem Verteidigungsministerium und der Industrie so behandelt, als wolle man ein Auto kaufen. Die Regierung sei davon ausgegangen, dass es immer einen Vorrat und eine andauernde Produktion gebe, so der Kanzler weiter. Das habe dazu geführt, dass man ein System bestellt habe und anschließend die Produktion zum Erliegen gekommen sei. Zur Wahrung der eigenen Sicherheit müsse sich dieses Verhalten ändern, betonte Scholz und führte aus: „Wir brauchen eine permanente Produktion unserer wichtigsten Waffensysteme. Das gleiche gilt für Fragen der Instandsetzung und der Munition.“

Als Beispiel für einen ersten Schritt in diese Richtung nannte Scholz den Aufbau einer Produktionslinie zur Herstellung von 35mm-Munition für den Flak-Panzer Gepard durch Rheinmetall in Deutschland. Diese solle eine beständige Munitionsversorgung für die in der Ukraine eingesetzten Geparden sicherstellen.

Neben einer nationalen Veränderung in der Haltung gegenüber der Rüstungsindustrie, müsse aber vor allem im Bereich der strategischen Rüstungspolitik auf europäischer Ebene an einem Strang gezogen werden. „Das sind Schritte hin zu einem Europa der Verteidigung und Rüstung. Das sind zugleich Schritte hin zu einem geopolitisch handlungsfähigeren Europa. Zu einem Europa, dass auch ein stärkerer transatlantischer Verbündeter ist. Dazu gehört, dass wir mehr tun, um Konflikte in unserer Nachbarschaft zu lösen“, sagte Scholz mit Blick auf Projekte wie das Futur Combat Air System (FCAS), das Main Ground Combat System (MGCS) oder die European Sky Shield Initiative (ESSI).

Waffenlieferungen an die Ukraine

Der Kanzler vertrat zudem die These, dass die Waffen, die Deutschland und seine Partner liefern, dazu beitragen, den Krieg zu verkürzen. Je schneller Putin einsehen würde, dass er sein imperialistisches Ziel nicht erreicht, desto schneller würde er auch seine Streitkräfte aus der Ukraine abziehen, so die Argumentation von Scholz. Es gelte aber immer die Balance zu halten zwischen bestmöglicher Unterstützung und der Vermeidung einer Eskalation zwischen der Atommacht Russland und der NATO, betonte der Bundeskanzler. Es gelte „Sorgfalt vor Schnellschuss und Zusammenhalt vor Solovorstellung“.

Dauerhaft zwei Prozent für Verteidigung

Deutschland bekenne sich auch zu seiner Verantwortung für die Sicherheit Europas und des NATO-Bündnisgebiets, so Scholz. Dies werde eingelöst mit der Bereithaltung einer Brigade zur Verteidigung Litauens, mit der Unterstützung Polens und der Slowakei bei der Flugabwehr, durch den Schutz kritischer Infrastruktur in Nord- und Ostsee und indem die Bundeswehr die NATO-Speerspitze in diesem Jahr anführe und dazu 17.000 Soldatinnen und Soldaten in Bereitschaft halte.

„Um das und künftig noch mehr leisten zu können machen wir Schluss mit der Vernachlässigung der Bundeswehr. Mit dem Sondervermögen über 100 Milliarden für die Bundeswehr haben wir das Fundament dafür gelegt. Diese Mittel erlauben uns einen dauerhaften Spurwechsel beim Aufbau der Fähigkeiten unserer Bundeswehr. Natürlich steigen mit neuen Kampfflugzeugen, Hubschraubern, Schiffen und Panzern auch die Kosten für Munition und Ausstattung, für Unterhalt, Übung, Ausbildung und Personal. Und deshalb will ich hier die Aussage bekräftigen, die ich drei Tage nach Kriegsbeginn im Bundestag gemacht habe: Deutschland wird seine Verteidigungsausgaben dauerhaft auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts anheben“, führte Scholz weiter aus.

Der Wortlaut seiner Bekräftigung zum Zwei-Prozentziel der NATO hat sich jedoch verändert, vergleicht man ihn mit dem aus der Rede zur Zeitenwende vom 27. Februar 2022. Dort sagte er: „Wir werden von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren.“

Ob die heute getroffene Formulierung unabsichtlich von dieser Ursprünglichen abwich, ist unklar. Zwischen beiden Formulierungen liegen aber Summen von mehreren Milliarden Euro, die mehr oder weniger in den Wehretat fließen würden, weshalb eine exakte konsistente Linie hier nicht unerheblich ist.

So steht diese neue Formulierung auch im Kontrast zu den Äußerungen von Verteidigungsminister Boris Pistorius, die dieser zu Beginn der Woche in Brüssel traf. Dort forderte er, dass die Zwei-Prozent-Vorgabe nicht als Ziel, sondern als Ausgangsbasis zur Bemessung des Verteidigungshaushalts angesehen werden sollte (ES&T berichtete).

Redaktion / oh