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Deutschland will in den kommenden Jahren nach Aussage von Bundeskanzler Olaf Scholz umfangreiche Mittel in die Luftverteidigung investieren, weil Europa erheblichen Nachholbedarf bei „der Verteidigung gegen Bedrohungen aus der Luft und aus dem Weltraum“ habe. Wie er heute Vormittag bei seiner europolitischen Grundsatzrede an der Karls-Universität in Prag weiter ausführte, sollen die angestrebten Fähigkeiten im NATO-Rahmen einsetzbar sein.

Zugleich werde die künftige Luftverteidigung von Beginn an so ausgestaltet, dass sich die europäischen Nachbarn daran beteiligen könnten, wenn dies gewünscht werde, kündigte der SPD-Politiker an. Er richtete sich dabei explizit an Polen, Balten, Niederländer, Tschechen, Slowaken sowie die skandinavischen Partner als mögliche Teilnehmer an dem Projekt.

Details zu dem Vorhaben nannte er allerdings nicht. Der Hinweis auf die Bedrohung aus dem Weltraum könnte jedoch darauf hindeuten, dass es auch um die Abwehr ballistischer Raketen geht. In der Bundeswehr wird dieses Thema im Rahmen der territorialen Flugkörperabwehr entwickelt. Scholz betonte, dass ein „gemeinsam aufgebautes Luftverteidigungssystem in Europa“ kostengünstiger und effizienter sei als nationale Einzellösungen. „Es wäre ein Sicherheitsgewinn für Europa“, unterstrich der Kanzler.

Bei der Unterstützung der Ukraine mit Waffen regte er eine verstärkte Planung und Kooperation an. Scholz kann sich vorstellen, dass Deutschland eine „besondere Verantwortung“ beim Aufbau der ukrainischen Luftverteidigung und Artillerie übernimmt.

Ein Kernthema seiner Rede in Prag war überdies der Ausbau der europäischen Souveränität. So müsse die Union auf allen Feldern eigenständiger werden. Es gelte Engpässe bei der Lieferung von Halbleitern zu beheben, die Rohstoffversorgung auch mithilfe einer „echten europäischen Kreislaufwirtschaft“ sicherzustellen und Vorreiter bei modernen Technologien zu werden. Bei der Digitalisierung sollte auch der Weltraum einbezogen und der Zugang ins All gewährleistet werden, forderte der Bundeskanzler. Auch die Rüstung sieht er als der Teil einer verbesserten Souveränität: „Wir brauchen in Europa ein besseres Zusammenspiel unserer Verteidigungsanstrengungen“, unterstrich er und mahnte einen koordinierten Aufwuchs europäischer Fähigkeiten an. Neben der gemeinsamen Herstellung und Beschaffung sei dafür erforderlich, dass die Unternehmen bei Rüstungsprojekten enger zusammenarbeiten. Politisch sei es erforderlich, dass ein eigenständiger Rat der europäischen Verteidigungsministerinnen und Minister in Brüssel etabliert werde. Scholz regte darüber hinaus an, in den Nationen die Regeln für die Nutzung und den Export von gemeinsam hergestellten Systemen zu überprüfen.

Seiner Aussage zufolge will Deutschland zusammen mit seinen Partnern dafür sorgen, dass eine schnelle Eingreiftruppe der EU bis 2025 einsatzfähig ist. In diesem Zusammenhang sei es erforderlich, die erforderlichen finanziellen, technischen und personellen Mittel für eine EU-Kommandozentrale und mittelfristig ein „echtes Hauptquartier“ bereitzustellen.

Redaktion/lah