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Nun ist es so weit: Deutschland zeigt Flagge im Indo-Pazifik. Im Herbst 2021 wird eine Fregatte der Deutschen Marine im Pazifik navigieren. Dem Vernehmen nach soll die deutsche Fregatte Anfang August in Richtung Australien auslaufen. Ihre Rückkehr ist zum Ende Februar 2022 vorgesehen. Operativ ist die ein Beitrag zur VN-Sanktionsüberwachung gegen Nordkorea, die Teilnahme an der EU Operation Atalanta am Horn von Afrika sowie an der NATO Operation Sea Guardian im Mittelmeer vorgesehen. Auf dem Rückweg soll das Südchinesische Meer passiert werden.

Neben Australien sind Besuche in Singapur und Japan denkbar. Mit den Verteidigungsministern dieser Länder hatte sich Verteidigungsministerin Annegret Kamp-Karrenbauer im November und Dezember 2020 virtuell ausgetauscht.

Mit dieser Entsendung einer Fregatte setzt die Bundesregierung die im September 2021 verabschiedete Indo-Pazifik-Leitlinie um. Dort formuliert Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) im Vorwort: „Als global agierende Handelsnation und Verfechter einer regelbasierten internationalen Ordnung darf Deutschland sich im Angesicht dieser dynamischen Entwicklung nicht mit einer Zuschauerrolle begnügen. In vielen Bereichen der bilateralen Zusammenarbeit haben wir einen hervorragenden Ruf und besetzen wichtige Themen wie Klima- und Umweltschutz, erneuerbare Energien und Berufsbildung. Zu einer Reihe von Ländern in der Region unterhält Deutschland Strategische Partnerschaften mit einer großen Schnittmenge gemeinsamer Interessen.“

Außerdem muss „Deutschland sich noch stärker mit existenziellen Sicherheitsbelangen seiner bewährten Partner auseinandersetzen, sich an der Formulierung von Antworten beteiligen und konkrete Beiträge leisten – durch Vermittlung von Erfahrung und Expertise, durch eine verantwortungsvolle Rüstungsexportkontrolle, die auch die strategische Qualität der Beziehungen zu den Ländern der Region in Rechnung stellt, durch rüstungskontrollpolitische Initiativen, aber auch durch die Beteiligung an Übungen sowie an kollektiven Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der regelbasierten Ordnung in Umsetzung von Resolutionen der Vereinten Nationen.“ Sidney, Singapur und Tokio hatten sich positiv zu den deutschen Leitlinien und dem darin niedergelegten Kurs geäußert.

Schon 2020 war eine derartige Reise vorgesehen. Die Fregatte „Hamburg“ war bereits seeklar. Die damalige Reise war für fünf Monate ab Mai 2020 terminiert. Sie wurde wegen des Ausbruchs der Corona-Pandemie verschoben.

Auffällig ist, dass eine Teilnahme an der europäischen Mission zur Förderung maritimer Sicherheit (‚maritime awareness’) in der Strasse von Hormuz, EMASOH, nicht in Erwägung gezogen wird. An dieser Mission nimmt Deutschland bisher nur politisch teil, glänzt an der Wasseroberfläche oder in der Luft aber durch Abwesenheit. Im Westpazifik bieten sich Gelegenheiten zu gemeinsamen Übungen mit den Marinen der Anrainerstaaten wie auch mit der US-Pazifikflotte. Politisch brisant ist der Rückweg durch das Südchinesische Meer. China behandelt diese Region wie ein eigenes Territorialmeer. Schiffsbewegungen fremder Marinen, auch der Anrainer werden regelmäßig kritisiert. Insbesondere Passagen der Taiwan-Straße sorgen immer wieder für Pekings Unmut. Andererseits sind gerade Passagen im internationalen Seeraum (‚freedom of navigation‘) ein unabdingbares Element unserer regelbasierten Ordnung, die Deutschland nach den Leitlinien zum Indo-Pazifik aufrecht erhalten will. Aus Berlin heisst es: Eine Durchquerung der Zwölf Seemeilen Zone sei nicht beabsichtigt (Anmerkung: was für Kriegsschiffe ohnehin nur nach vorheriger diplomatischer Anmeldung möglich ist). Deutschland bekräftige die Gültigkeit des UNCLOS-Schiedsspruches von 2016. Am 12. Juli 2016 veröffentlichte ein unabhängiges Schiedsgericht, das gemäß der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen (UNCLOS) eingerichtet wurde, eine klare und verbindliche Entscheidung über Chinas Ansprüche gegenüber den Philippinen im Südchinesischen Meer. China lehnt den Schiedsspruch nicht nur ab, sondern erhebt Gebietsansprüche. Die gerade durch die Aufschüttung von Inseln und ihre militärische Nutzung international prekär werden.

Dem Vernehmen nach herrschte innerhalb der Regierungskoalition „verstärkter Abstimmungsbedarf“ zur generellen Absicht, die Fregatte zu entsenden, wie auch zum Reiseverlauf. Nach einem Bericht des „Business Insider“ vom 18. Februar 2021 waren sich Kanzleramt, Auswärtiges Amt und Verteidigungsministerium über die Entsendung einer Marineeinheit einig, was im Januar allerdings noch strittig war. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich hielt es in einem Interview mit der „taz“ (7. Januar 2021) für falsch, dass sich Deutschland in die „hochgefährliche Auseinandersetzung“ im Südchinesischen Meer einmischt. Bis zuletzt gab es wohl noch Unstimmigkeiten über die Route. Business Insider: „Demnach gibt es im Kanzleramt Überlegungen, bei dem Flottenbesuch auch einen Halt in China einzuplanen — aus Sorge, die Volksrepublik andernfalls zu verärgern. Das Verteidigungsministerium lehne das ab, auch im Auswärtigen Amt herrsche Skepsis, heißt es.“

Für die betroffene Einheit wird es nicht nur eine Fahrt ins Neuland, sondern auch eine besondere Herausforderung für die Besatzung. Nach bisheriger Praxis der Deutschen Marine verlängert sich die siebenmonatige Reisezeit um eine corona-bedingte Quarantäne vor dem Auslaufen. Fraglich ist zudem, wie sich die Hafenaufenthalte gestalten werden. Die Fregatte „Brandenburg“ kehrte am 6. Februar 2021 nach Wilhelmshaven zurück, nachdem sie als Teil der Standing NATO Maritime Group 2 (SNMG 2) gemeinsam mit anderen NATO-Einheiten den Seeraum zwischen der Türkei und Griechenland überwacht hat. Sie war insgesamt 166 Tage im Einsatz – ohne Landgang.

Die USA verstärken ihre Präsenz in der Region ohne eine fest formulierte Konzeption. Sie unterlegen die USA ihre Politik in diesem Interessengebiet mit Dollars. Das Indo-Pazifik Kommando des US-Streitkräfte legte jetzt eine Forderung von 4,7 Milliarden US-Dollar für den Haushaltsentwurf 2022 vor. Weitere 22,8 Milliarden US-Dollar sollen für die nächsten fünf Jahre eingeplant werden. „Ohne eine gültige und überzeugende konventionelle Abschreckung ist China ermutigt, Maßnahmen in der Region und weltweit zu ergreifen, um die Interessen der USA zu schwächen“, heißt es in dem zehnseitigen Dokument vom 27. Februar. Als Prioritäten werden nicht nur Maßnahmen zur Verstärkung der Flugkörperabwehr, sondern auch eine Ausdehnung der Übungsprogramme sowie der Ausbau von Kooperationen mit Partnern genannt.

Hans Uwe Mergener