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Seit Langem steht fest, dass es angesichts einer wachsenden Zahl an Obsoleszenzen, steigender Betriebskosten und sinkender Verfügbarkeit keine sinnvolle Alternative für die Außerdienststellung des Waffensystems Tornado in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts gibt. Das Nachfolgesystem soll die Gewähr bieten, die heutigen Aufgaben des Tornados (einschließlich SEAD und nukleare Teilhabe) auch in fordernden Szenarien mit hoher Aussicht auf Erfolg erfüllen zu können.

Seit dem Herbst 2017 prüfte die Bundeswehr vier mögliche Lösungen: Eurofighter, F-35A, F-18E/F/G oder F-15E. Bis zum Oktober 2018 sollte eine Empfehlung erarbeitet werden, die bis zum Ende des Jahres in eine Richtungsentscheidung münden sollte. Nach vom Verteidigungsministerium bisher nicht offiziell bestätigten Pressemeldungen ist diese Entscheidung nunmehr gefallen.

Die Auswahl wird auf die Waffensysteme Eurofighter und F-18 eingeschränkt. Die F-35 und die F-15 sind damit aus dem Rennen.

Der Ausschluss der F-35 verwundert, da die Luftwaffe es bisher aus operativer Sicht für geboten hielt, ein Waffensystem der fünften Generation als Tornado-Nachfolger zu beschaffen. Man war der Ansicht, dass die Schlüsseleigenschaften der fünften Generation (Stealth, Sensordatenfusion und Vernetzung) die zurzeit beste Grundlage dafür bieten, Einsätze auch in stark verteidigten Lufträumen mit hoher Erfolgswahrscheinlichkeit und annehmbarem Risiko für Personal und Material durchführen zu können. Dies legt nahe, dass rüstungspolitische und -wirtschaftliche Aspekte einen großen Einfluss auf die Entscheidung hatten.

Eine deutsche Beschaffung von F-35 wurde in der französisch-deutschen Diskussion um die Entwicklung des sogenannten Next-Generation Fighter (NGF), als bemanntem Kernelement des Future Combat Air System (FCAS), gelegentlich als Störfaktor angesehen. Die Entwicklung des NGF soll durch eine schrittweise Weiterentwicklung (Spiral Development) seiner Vorgänger, Eurofighter und Rafal, unterstützt werden, um bestimmte Elemente vorab erproben und so Kompetenzen aufbauen und Risiken minimieren zu können. Da auch die F-35 einem permanenten Spiral Development unterliegen soll (nicht zuletzt, um zurzeit noch bestehende technische Probleme zu überwinden), hätte dies eine nicht unerhebliche planerische und finanzielle Konkurrenz zur Entwicklung des NGF darstellen können. Zudem hätten der voraussichtlich noch lange Nutzungshorizont der F-35 sowie gewisse Überschneidungen mit dem geplanten Fähigkeitsprofil des NGF das Potential, den deutschen Bedarf an einem Eurofighter-Nachfolger zu verringern.

Als ein weiteres wesentliches Kriterium für die Auswahl wird die gesicherte, bruchfreie Aufrechterhaltung der Fähigkeit zur nuklearen Teilhabe angesehen. Weder die F-35 noch die beiden nunmehr zur Auswahl stehenden Flugzeugmuster sind bisher von den dafür zuständigen amerikanischen Stellen für die nukleare Rolle zertifiziert worden, so dass die dafür erforderliche Zeit und die damit verbundenen Kosten großen Einfluss auf die Auswahl haben könnten. Man kann davon ausgehen, dass die F-18 als ein amerikanisches Produkt, dessen frühere Varianten bereits zertifiziert sind, dabei besser abschneiden könnte als der Eurofighter.

Die F-18 bietet zudem Vorteile bei der Aufrechterhaltung (und sogar Verbesserung) der SEAD- und Electronic-Warfare-Fähigkeiten des Tornado, die die Bundeswehr der NATO zugesagt hat. Natürlich könnten derartige Fähigkeiten unter Aufwendung von Zeit und Geld auch auf Basis des Eurofighters realisiert werden, aber mit der F-18 G, Growler, bietet sich ein marktverfügbares Waffensystem an, das bereits über hochgradige, dezidierte Fähigkeiten diesem Bereich verfügt.

Die F-18 ist ein zwar nicht mehr brandneues, aber dafür ausgereiftes, risikoarmes Waffensystem, das einen attraktiven Anschaffungspreis besitzt und (unbeschadet zurzeit laufender Produktverbesserungen) auch keine hohen Weiterentwicklungskosten mehr verursachen dürfte. Eine gemischte, die Abdeckung wesentlicher Fähigkeiten optimierende Beschaffung von Eurofighter und F-18 Varianten könnte sich durchaus als eine operativ und wirtschaftlich attraktive Lösung erweisen. Die Eurofighter GmbH darf wohl in jedem Fall auf einen Auftrag hoffen, denn Teil der Richtungsentscheidung ist offensichtlich die Absicht, die 33 Eurofighter der Tranche 1 durch eine gleiche Anzahl von brandneuen Maschinen einer „Tranche 4“ zu ersetzen.

Ulrich Renn