Rheinmetall integriert GREYSHARK – strategischer Einstieg in den maritimen Raum
Hans Uwe Mergener
Rheinmetall und EuroAtlas starten Partnerschaft für den maritimen Raum
Am 6. August kündigten Rheinmetall und das Bremer Technologieunternehmen EuroAtlas eine strategische Partnerschaft an: Das autonome Unterwasserfahrzeug GREYSHARK™ soll in Rheinmetalls digitale Plattform Battlesuite™ integriert werden und perspektivisch Anwendungen im Schutz kritischer Unterwasserinfrastruktur sowie in der maritimen Lageaufklärung ermöglichen. Die Kooperation markiert einen technologischen Meilenstein für europäische Küstenverteidigung – sowohl industriepolitisch als auch operationell.
Autonomie unter Wasser: Technik und Taktik
GREYSHARK™ ist ein schweres AUV (Autonomous Underwater Vehicle), das in zwei Varianten verfügbar ist: „Bravo“ mit Batterieantrieb für Kurzmissionen und „Foxtrot“ mit einer Brennstoffzelle für Langzeiteinsätze. Die Fahrzeuge sind zwischen 6,5 und acht Metern lang, wiegen je nach Ausführung zwischen drei und 4,5 Tonnen und erreichen unter Wasser Spitzengeschwindigkeiten von über zwölf Knoten. Die Foxtrot-Variante kommt ohne Zwischenladung auf eine Tauchzeit von bis zu 16 Wochen, was einer Recihweite von über 10.000 Seemeilen entspricht. Das System kombiniert eine modulare Sensorarchitektur mit insgesamt 17 Sensoren, darunter Synthetic Aperture Sonar, optische und elektromagnetische Sensoren sowie Unterwasser-LiDAR. Eine KI-gestützte Sensorfusion verarbeitet Daten in Echtzeit, erkennt Objekte automatisch und passt die Missionen adaptiv an. Diese Leistungsfähigkeit erlaubt nicht nur die Detektion, sondern auch die gezielte Beobachtung und Dokumentation verdächtiger Vorgänge unter Wasser.

Ein wesentliches Merkmal ist das akustische Mesh-Netzwerk, das GREYSHARK™ auch in großer Tauchtiefe schwarmfähig macht. Die Kommunikation erfolgt über ein von EvoLogics entwickeltes Delfin-inspiriertes System, das eine koordinierte Missionsführung mehrerer Fahrzeuge ohne ständigen Oberflächenkontakt ermöglicht. Dank hydrodynamischem Rumpf, Ringpropeller-Antrieb und langer Einsatzdauer eignet sich GREYSHARK™ für vielseitige Aufgaben in der Unterwasseraufklärung und Abschreckung.
Digitale Einbindung in Battlesuite™
Die Integration in Rheinmetalls Battlesuite™ erlaubt die Einbindung von GREYSHARK™ in ein domänenübergreifendes Lagebild. Die digitale Plattform soll bodengebundene, maritime und luftgestützte Sensoren mit Wirkmitteln und Führungssystemen vernetzen. GREYSHARK™ fungiert in diesem Netzwerk als Unterwassersensor und Aufklärungsträger, dessen Daten direkt in das gemeinsame Lagebild einfließen. Dies kann zu schnelleren die Reaktionen bei Bedrohungen in der Grauzone, wie Sabotageakte gegen kritische Infrastruktur oder verdeckte U-Boot-Operationen beitragen.
Europäische Industriepartnerschaft mit strategischer Tiefe
Die industriellen Partner EuroAtlas, EvoLogics und Fassmer verantworten Design, Sensorik, Kommunikation und den Bau der Verbundwerkstoff-Rümpfe. Damit entsteht eine nahezu vollständig ITAR-freie europäische Lieferkette. Rheinmetall übernimmt die Systemintegration, die Anbindung an Battlesuite™ sowie den internationalen Vertrieb – mit Fokus auf NATO-Partner und europäische Küstenstaaten.
ITAR-frei – was bedeutet das?
GREYSHARK™ unterliegt keiner Exportkontrolle der US-Regierung. Das System enthält keine US-Komponenten oder -Technologien, die unter die „International Traffic in Arms Regulations“ (ITAR) fallen. Dadurch kann es ohne amerikanische Genehmigungen exportiert und ohne US-Restriktionen in nationale Systeme integriert werden. Für Beschaffer und Betreiber bedeutet das: mehr Souveränität, weniger politische Abhängigkeit.

Vielseitiger Einsatz gegen hybride Bedrohungen
GREYSHARK™ will aktuelle sicherheitspolitische Herausforderungen adressieren: den Schutz kritischer Infrastruktur unter Wasser, die Detektion fremder Unterwasserobjekte und hybrider Bedrohungen sowie die langfristige Überwachung von Seegebieten. Das System kann entlang von Pipelines patrouillieren, verdächtige Objekte identifizieren, markieren und verfolgen, und dabei autonom oder unter Supervision operieren. Als „intelligentes Ziel“ wäre es auch für Übungen im Bereich Minenabwehr und U-Jagd nutzbar.
Ein strategischer Einstieg in die maritime Systemarchitektur
Mit der Integration von GREYSHARK™ in das Rheinmetall-System Battlesuite™ betritt der Düsseldorfer Konzern gezielt ein neues Handlungsfeld: den maritimen Raum. Während Rheinmetall in Landstreitkräften, Munitionstechnik und zunehmend in der Luftverteidigung breit aufgestellt ist, blieb die maritime Präsenz bislang überschaubar. Zwar liefert das Unternehmen seit Jahren Marine-Munition, Täuschkörpersysteme, Sensorikkomponenten und vereinzelt auch Ausbildungslösungen für U-Boote oder Überwasserschiffe, doch ein geschlossenes, systemisches Engagement im maritimen Bereich fehlte bisher.

Die Anbindung von GREYSHARK™ an Battlesuite™ markiert den strategischen Einstieg in die maritime Systemintegration. Rheinmetall übernimmt nicht nur die Rolle des Vertriebspartners, sondern auch die Funktion als Integrator innerhalb eines system-of-systems-Ansatzes, der künftig auch weitere unbemannte maritime Komponenten einbinden könnte. In sicherheits- und industriepolitischer Perspektive positioniert sich das Unternehmen damit als europäischer Anbieter.
Ein Blick auf andere Entwicklungen zeigt, dass GREYSHARK™ sich in einem zunehmend dynamischen Markt zu behaupten haben wird. So verfolgt etwa das Unternehmen Helsing mit seiner Sensor- und KI-Kompetenz ehrgeizige Ambitionen im Bereich maritimer ISR-Fähigkeiten. Mit dem Lura SG-1 entwickelt Helsing ein kleines, ebenfalls KI-basiertes Unterwasserfahrzeug, das sich auf taktisch flexible Operationen konzentriert – mit Fokus auf Küstennähe, modulare Sensorik und Netzfähigkeit. Lura SG-1 bewegt sich in einer deutlich anderen Kategorie als GREYSHARK™ und verfolgt als „Glider“ ein anderes Konzept. Beide Projekte verdeutlichen den Trend zu europäischer Autonomie unter Wasser.
GREYSHARK™ ist damit eine eigenständige europäische Lösung im wachsenden Feld autonomer Unterwasserplattformen und eine verfügbare Alternative zu anderen Konzepten und Angeboten auf dem Markt. Die Drohne erweitert das Fähigkeitsspektrum moderner Marinen im Unterwasserbereich – insbesondere im Hinblick auf Durchhaltefähigkeit, Tiefe, Geschwindigkeit und Missionsautonomie – und adressiert zentrale sicherheitspolitische Anforderungen der Gegenwart. Inwieweit sie sich in den „Kurs 2025“ der Deutschen Marine einfügt, wird sich im Rahmen bevorstehenden Tests und Erprobungen zeigen müssen.
Hans Uwe Mergener
















