Am Morgen des 18. Juni eröffneten Umweltminister Tobias Goldschmidt und Initiator Jann Wendt (north.io) die zweite Kiel Munition Clearance Week (KMCW25). Über 250 Fachleute aus 16 Ländern – darunter EU-Kommission, NATO, Bundes- und Landesbehörden, Wissenschaft, Umweltverbände, Industrie sowie die Deutsche Marine – diskutieren über Lösungen zur Beseitigung von Unterwassermunition und zum Schutz maritimer Infrastrukturen.

Schleswig-Holstein fordert klare Zuständigkeiten und Beteiligung

Minister Goldschmidt betonte: „Wir haben zehn Jahre lang dafür gekämpft, dass das Thema Munitionsaltlasten endlich ernst genommen wird.“ Die Bedeutung des Themas sei auch international angekommen, etwa auf der UN-Ozeankonferenz in Nizza. Dennoch mahnte er: „Wesentliche Teile des geplanten Bundeskompetenzzentrums müssen in Schleswig-Holstein angesiedelt werden. Ich erwarte vom Bund verbindliche Zusagen – das schulden wir den Menschen an unseren Küsten.“

Geringe Bundespräsenz und fehlende Ländervertretung

Zugleich zeigten sich viele Gesprächsteilnehmer enttäuscht über das geringe Interesse der Bundesregierung. Vertreter mehrerer Schlüsselressorts blieben fern. Auch von der Deutschen Marine wäre eine stärkere Sichtbarkeit zu erwarten gewesen, so ein Konferenzteilnehmer. Auch aus den Reihen der deutschen Küstenländerwaren nicht alle vertreten. Eine koordinierte gesamtstaatliche Linie lässt bislang auf sich warten.

Technologie als Hoffnungsträger

Technologische Innovationen aus Schleswig-Holstein – etwa KI-gestützte Kartierungen, autonome Systeme und digitale Umweltanalysen – stießen bei NATO- und EU-Vertretern auf großes Interesse. „Wir brauchen diese Technologien, um mit dem Bergungstempo Schritt zu halten“, so Goldschmidt.

Führende wissenschaftliche Einrichtungen wie das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel sind als Lead Scientific Partner maßgeblich an der Konferenz beteiligt und bringen aktuelle Forschungsergebnisse ein. Die Fachhochschule Kiel ist erstmals mit einem eigenen Messestand vertreten.

Im Rahmen der KMCW25 wird auch die Neugründung des Zentrums für den Umgang mit Munition in der marinen Umwelt (MUNIMAR) vorgestellt. Diese gemeinsame Initiative von Land, GEOMAR und der IHK Schleswig-Holstein soll die Koordination zwischen Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft im Bereich der Munitionsbeseitigung verbessern. Bürgerinnen und Bürger haben zudem die Möglichkeit, sich bei einer öffentlichen Abendveranstaltung über MUNIMAR zu informieren und mit Experten ins Gespräch zu kommen (19. Juni 2025, 19–21 Uhr, Wanderkino Arena Kiel, Business Lounge).

Europäische Verantwortung und sicherheitspolitische Dimension

Die EU erkennt die Beseitigung von Munitionsaltlasten zunehmend als sicherheitspolitisches Querschnittsthema. Die KMCW25 dient dabei als Beispiel für erfolgreiche transnationale Kooperation im Sinne des Green Deal und der Resilienz kritischer Infrastruktur.

Wettlauf mit der Korrosion

„Rund 1,6 Millionen Tonnen Munition liegen noch immer in Nord- und Ostsee. Die Korrosion schreitet voran – mit jeder Verzögerung wächst das Risiko für Mensch, Umwelt und Infrastruktur“, betonte Minister Goldschmidt. „Wir sind in einem Wettlauf mit der Zeit.“

Politischer Wille, die Realität der Finanzierung – und noch 900 Jahre

Zwar gibt es Bekenntnisse im Koalitionsvertrag – aber noch keine konkrete Budgetierung. Das gestand Goldschmidt ein. Dazu die Beobachtung: Bei einem möglichen Ansatz von 100 Millionen Euro kann man nicht von politischem Willen sprechen.

Ein Blick auf vergangene Projekte verdeutlicht den Unterschied: Für das gescheiterte Pkw-Mautprojekt wurden rund 776 Millionen Euro veranschlagt – allein über 243 Millionen Euro mussten nach Vertragskündigung als Schadenersatz gezahlt werden.

Damit wurde ein Projekt umfangreich finanziert, obwohl grundlegende rechtliche Fragen ungeklärt waren. Für die sicherheitspolitisch zentrale Überwachung maritimer Räume fehlt ein vergleichbares Maß an politischer Entschlossenheit bis heute.

Insofern ist die Kiel Munition Clearance Week 2025 ein guter Impulsgeber. Darüber hinaus festigt sie Kiels Rolle als internationales Kompetenzzentrum für die maritime Kampfmittelräumung und den Schutz kritischer Unterwasserinfrastrukturen, ein Thema, das angesichts aktueller geopolitischer Spannungen und der zunehmenden Industrialisierung der Meere an Bedeutung gewinnt. Auch, wenn wir bei Beibehalten der jetzigen Bergerate noch 900 Jahre brauchen werden, um die letzte Granate vom deutschen Seeboden geborgen zu haben.

Hans-Uwe Mergener

Illustration: https://my.hidrive.com/share/s..5qjkmbg#$/Bilderauswahl%20vom%201.%20Konferenztag. Quelle: Veranstalter KMCW 25