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Digitalisierung wird für die Fähigkeitsentwicklung der deutschen Streitkräfte immer wichtiger – und immer drängender. Software kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da sich mit ihr Systeme schneller aktualisieren lassen. Eine neue Plattform der BWI soll der Bundeswehr dabei helfen, Software künftig schneller zu entwickeln.

Der Angriff Russlands auf die Ukraine und damit auf die sicherheitspolitische Ordnung Europas markierte eine sicherheitspolitische Zeitenwende. Daraus resultieren entscheidende Veränderungen für die Bundeswehr. Ein Aspekt ist die Notwendigkeit, schnell Fähigkeiten zu entwickeln beziehungsweise anzupassen, damit die deutschen Streitkräfte vor dem Hintergrund dieser, aber auch anderer neuer Bedrohungslagen einsatz- und durchhaltefähig sind und bleiben. Auch und gerade im Bereich des Digitalen. Damit deutsche Soldatinnen und Soldaten im Gefecht präzise, angemessen und vor allem schneller als der Gegner handeln können, benötigen sie insbesondere die Informations- und Führungsüberlegenheit. Hier kommen moderne Übertragungstechnologien, Künstliche Intelligenz (KI) oder etwa Cloud-Computing zum Tragen. Aber nicht nur in den klassischen militärischen Dimensionen Land, Luft und See. Denn Gefahren kommen für alle zunehmend auch aus dem virtuellen Raum, etwa in Form von hybriden Bedrohungen oder Cyberangriffen.

Hinzu kommt der rasante technologische Fortschritt, allen voran in Form der Digitalisierung: immer größere Datenmengen, die beherrscht werden müssen, und in der Folge immer leistungsfähigere Computer und eine immer schnellere Entwicklung von Software, gerade im Bereich KI. Wenig funktioniert heute noch ohne Informationstechnik. Das gilt auch für Waffensysteme wie Panzer, Flugzeuge oder Schiffe.

Software als Enabler

Die Bundeswehr muss immer schneller, immer leistungsfähiger werden und Software ist ein Schlüssel. Mit ihr lassen sich technologische Plattformen leichter aktualisieren. Ein Beispiel aus der Automobilindustrie macht den Ansatz deutlich: Tesla führt für das Modell 3 mit Scheinwerfern, die ab 2021 verbaut wurden, nun adaptives Fernlicht ein – und zwar per Software-Update. Genau hier setzt das Konzept „Software Defined Defence“ (SDD) der Bundeswehr an. Im Kern geht es darum, sich bei Weiterentwicklungen von Waffensystemen mehr auf die Software, als wie bisher auf die Hardware zu konzentrieren. Das ermöglicht zum einen schnellere und flexiblere Anpassungen an die Anforderungen der modernen Operationsführung.

Zum anderen erlaubt es die Vernetzung und damit verbesserte Zusammenarbeit der Systeme mit- und untereinander. Ein zentrales Element von SDD ist also die Idee eines „Internet of Military Things“. So hat es Frank Leidenberger, Chief Executive Officer der BWI, zuletzt auf der Handelsblatt-Konferenz „Sicherheit und Verteidigung 2024“ ausgedrückt. Ende Januar hatte er dort mit Generalleutnant Michael Vetter, Abteilungsleiter Cyber- und Informationstechnik im Bundesministerium der Verteidigung, in einem Panel über das Konzept und dessen Vorteile für die Bundeswehr gesprochen.

Schnellere Entwicklung durch Standards

Mit dem Ziel, Software künftig schneller zu entwickeln und anzupassen, um so bestehende Softwaremodule besser und streitkräfteübergreifend nachnutzen zu können und damit softwarebasierte Innovationen schneller einführen zu können, baut die BWI seit letztem Jahr die „Platform42“ auf. Vorbild für das Vorhaben ist die Platform One des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums. Denn auch in den US-Streitkräften sind sich Expertinnen und Experten über die zunehmende Bedeutung von Software im Militär und ihre Auswirkungen auf die Art, wie militärische Konflikte geführt werden, einig.

Die Platform42 der BWI

Vorletztes Jahr hat die BWI mit dem Aufbau der Platform42 begonnen, die weit mehr als eine Entwicklungsumgebung ist. Im Kern geht es um ein Ökosystem, in dem Entwicklerinnen und Entwickler der BWI, mit ihren Kunden aus der Bundeswehr und Partnern aus der Industrie zusammenarbeiten. Im Zentrum steht die Bereitstellung von Software-Entwicklerteams, die für die Bundeswehr Aufgaben, wie beispielsweise Design, Codierung, Testing, Coaching oder Systemadministration erbringen. Ein Rahmenvertrag ermöglicht es der BWI, bei Bedarf externe Entwicklerinnen und Entwickler aus einem Pool von über 50 IT-Unternehmen einzubinden.

Ein „Software Engineering Framework“ definiert Standards, Methoden und Best Practices, mit denen Anwendungen für die Bundeswehr entwickelt werden. Durch Standards entstehen Software-Komponenten, die sich einfach für andere Produkte nachnutzen lassen, ohne bei der Entwicklung jedesmal bei Null anfangen zu müssen. Außerdem stellen sie sicher, dass Software kompatibel beziehungsweise die Anforderungen hinsichtlich Interoperabiltät zwischen den Teilstreitkräften der Bundeswehr und zu verbündeten Streitkräften anderer Nationen gegeben ist. Entwickelte Software-Komponenten werden in einer „Shared Production Base“ bewertet, gesammelt und können bei Bedarf für andere Produkte verwendet werden.

Und schließlich wird eine Entwicklungsplattform dazu gehören, die die BWI derzeit in einem ihrer Rechenzentren aufbaut. Auf dieser speziell für Software Engineering vorgesehenen Hardware entsteht eine Umgebung, auf der Entwicklerinnen und entwicklercloudfähige Software nach den Standards von Bundeswehr und BWI sowie für alle benötigten Betriebsplattformen programmieren können. Sie soll Ende des Jahres fertig sein. Mit der Platform42 verfolgt die BWI ihr wichtigstes Ziel als primärer Digitalisierungspartner der Bundeswehr: IT-Lösungen zu entwickeln und bereitzustellen, die der Bundeswehr dabei helfen, die Führungs- und Einsatzfähigkeit sowie Kampfkraft ihrer Streitkräfte kontinuierlich zu erhöhen.

Dr. Rolf Hager ist Leiter Software Engineering der BWI GmbH