Print Friendly, PDF & Email

Bei der deutschen Kampfbrigade, die dauerhaft in Litauen stationiert werden soll, wird es sich nicht um eine geschlossene, bestehende Brigade des Heeres handeln. Im Gegenteil: Die einzelnen Elemente der Brigade sollen aus mehreren Brigaden des Heeres zusammengewürfelt und dann als Litauen-Brigade neu aufgestellt werden. Hinzu kommen Unterstützungseinheiten aus dem Sanitätsdienst, der Streitkräftebasis sowie dem Cyber- und Informationsraum (CIR). Dies gab Verteidigungsminister Boris Pistorius heute nach der Vorstellung des aktuellen Sachstands im Verteidigungsausschuss gegenüber der Presse bekannt.

„Es geht nicht darum, dass eine bestehende Brigade aus Deutschland eins zu eins nach Litauen verlegt wird. Aber die Brigade wird aus bereits in Deutschland bestehenden Elementen zusammen aufgestellt und dann in Litauen zusammengeführt. Zur Kampftruppe dazu kommen Unterstützungskräfte, wie das notwendig und üblich ist“, so Pistorius.

Um welche Truppenteile bzw. Einheiten es sich genau handeln wird, die als Teil der Litauen-Brigade dauerhaft in dem baltischen Land stationiert werden sollen, stehe noch nicht fest. Der Minister sagte: „Erst nach Abschluss der Planung, also bis Ende des Jahres, wird dann absehbar sein, welche Truppenteile aus welchen Standorten in Deutschland einen Beitrag leisten werden.“ In einem Interview mit dem Bundeswehr-Format „Nachgefragt“ erklärte Pistorius zudem: „Wir wollen alles daransetzen, Standortschließungen zu vermeiden. Das ist die klare Ansage. Alles Weitere werden die weiteren Überlegungen und Planungen der nächsten Wochen und Monate dann ergeben.“

Da es sich bei der Litauen-Brigade laut dem Verteidigungsminister allerdings um eine „schwere Kampfbrigade“ handeln soll, ist es absehbar, dass insbesondere die Panzer- und Panzergrenadierbrigaden Kräfte abgeben müssen. Eine Schwächung dieser kampfstarken Verbände, die damit nicht nur hochwertiges Material, sondern auch Hochwertpersonal verlieren werden.

Neben den deutschen Soldatinnen und Soldaten könnten auch Niederländer und Norweger Teil der neuen Brigade in Litauen werde. Hier sei man derzeit in Gesprächen so Pistorius.

Prinzip der der Freiwilligkeit unter Vorbehalt

Der Verteidigungsminister betonte gegenüber den Pressevertretern, dass für die Zusammenstellung der Brigade das Prinzip der Freiwilligkeit gelte. Er fügte aber auch hinzu, dass am Ende das Ergebnis zähle. „Ich habe ein großes Zutrauen, dass wir genügend Männer und Frauen finden werden, die das freiwillig tun“, so Pistorius. Auf die Frage, was denn passiere, wenn sich nicht genügend Freiwillige melden sollten, fügte er hinzu: „Ich hege diese Zweifel an der Freiwilligkeit nicht und für den Fall B, werden wir uns damit beschäftigen.“

Damit hält sich Pistorius offenbar eine Hintertür offen, für den nicht sehr unwahrscheinlichen Fall, dass sich nicht bis zu 3500 Soldatinnen und Soldaten aus allen relevanten Tätigkeitsbereichen freiwillig melden sollten. Insbesondere dürfte dies bei ausgewählten Dienstposten knifflig werden, für die es nur wenig ausgebildetes Personal gibt. Es müssen sich entsprechend nicht nur bis zu 3500 Männer und Frauen melden, sondern das entsprechende Personal muss auch noch passgenau mit allen notwendigen Dienstposten übereinstimmen.

blank
blank

Zeitplan und ein neuer Führungsstab

Zum Zeitplan sagte der Minister, dass bis zum Ende dieses Jahres die „Roadmap“ für die geplante Stationierung in Zusammenarbeit mit den Litauern stehen solle. Im Zweiten Quartal 2024 solle dann das Vorkommando in Litauen eintreffen. Für das vierte Quartal des gleichen Jahres sei dann die Entsendung eines Aufstellungsstabes sowie der Beginn der schrittweisen Verlegung erster Einheiten der Litauen-Brigade geplant. Diese Verlegung werde parallel und in Abhängigkeit zum Aufbau der notwendigen Infrastruktur durch die Litauer erfolgen, führte Pistorius weiter aus. Er rechne mit einer niedrigen dreistelligen Anzahl an Soldatinnen und Soldaten, die sich Ende 2024 in Litauen, im Rahmen der Litauen-Brigade, befinden werden.

2025 solle dann die neue Brigade offiziell in Dienst gestellt werden. Hier fügte der Minister aber hinzu, dass dies nicht bedeute, dass sich dann auch alle 3500 Soldatinnen und Soldaten vor Ort befinden würden. Dies hänge auch dann weiterhin von der gegebenen Infrastruktur ab. Zudem werde mittelfristig auch die deutsche Enhanced Forward Presence (EFP) Battlegroup in die Litauen-Brigade integriert werden, so Pistorius.

Mit der Indienststellung einer zusätzlichen Brigade, ohne dass diese mit zusätzlichem Personal oder Material unterfüttert wird, wird sich allerdings ein weiteres Mal die Anzahl der Führungsstäbe in der Bundeswehr erhöhen, ohne den gleichzeitigen Aufwuchs neuer Ressourcen.

Wochenendpendler nach Litauen?

Als Stationierungsorte für die deutschen Soldatinnen und Soldaten habe man derzeit die Region um die litauische Stadt Vilnius und oder die Stadt Kaunas im Blick. Von dieser Standortwahl erhofft sich das BMVg eine hohe Attraktivität, zum einen für die Soldatinnen und Soldaten, zum anderen aber auch für deren Familien.

Ob am Ende tatsächlich alle Soldatinnen und Soldaten mit Ihren Familien nach Litauen ziehen werden, ist offenbar nicht zwangläufig gegeben. So sagte der Minister, dass es manche geben werde, die vor Ort wohnen werden und manche, die Pendeln werden. Dies hänge davon ab, wer und wie viele sich freiwillig für den Dienst in Litauen melden würden.

Redaktion / oh