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Der litauische Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas hat die dauerhafte Stationierung einer deutschen Kampftruppenbrigade in seinem Land gefordert. Zudem sagte er, dass auch die Maßnahmen zum Schutz des Luftraums erhöht werden müssten. Dazu sollten zum einen mehr Flugzeuge, zum anderen aber auch bodengebundene Luftverteidigungssysteme vor Ort stationiert werden. Die Pressekonferenz, auf der Anusauskas diese Aussagen traf, fand gemeinsam mit dem deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius statt, der nach Litauen gekommen war, um unter anderem die dort stationierten deutschen Soldatinnen und Soldaten zu besuchen.

Anusauskas bedankte sich für das derzeitige Engagement Deutschlands in seinem Land, wies aber auch auf die aus seiner Sicht angespannte Sicherheitslage im Baltikum hin. Aufgrund der gemeinsamen Grenze mit der russischen Exklave Kaliningrad und Belarus, das aus der Sicht des litauischen Verteidigungsministers seine Eigenständigkeit durch den russischen Einfluss bereits verloren hat, bedürfe es einer funktionierenden Abschreckung auf Grundlage der Vorneverteidigung. Russland sei in der Lage, so Anusauskas, seine in der Ukraine abgenutzten militärischen Fähigkeiten schnell wieder aufzubauen und plane bereits seine Kräfte in der Grenzregion zum Baltikum aufzustocken. Zudem seien die in Kaliningrad stationierten russischen Kräfte bisher nicht durch den Krieg in der Ukraine betroffen.

In Kombination mit der Geografie der baltischen Staaten, sprich ihrer geringen Größe, und der zu erwartenden langanhaltenden Konfrontation mit Russland mache dies eine ständige Stationierung von Truppen notwendig, begründet der litauische Verteidigungsminister seine Forderungen.

Offenbar schätzt man in Litauen die Situation so ein, dass wenn es zu einem russischen Überfall kommen sollte, keine Zeit bliebe, um erst Truppen, zum Beispiel aus Deutschland, ins Baltikum zu verlegen. Diese müssten bereits vor Ort sein, um die Chance zu erhöhen, sich erfolgreich verteidigen zu können.

Um eine solche dauerhafte Stationierung zu ermöglichen, sei man bereits dabei, die notwendige Infrastruktur zu schaffen, betonte Anusauskas. Dabei handle es sich um Unterkunftsgebäude, den Ausbau von Truppenübungsplätzen sowie den Bau von Infrastruktur, um die Vorausstationierung von Material und Munition zu ermöglichen.

Bis die Infrastruktur stehe, wolle man einen intensiven Übungsbetrieb der deutschen Soldaten in Litauen erreichen, um so durchgehend ein deutsches Bataillon vor Ort zu haben, führte der Litauer weiter aus. Man wolle aber nicht nur eine stärkere Präsenz Deutschlands erreichen, sondern auch die eigene Verteidigungsfähigkeit stärken. So solle eine Division unter Einbeziehung der bestehenden litauischen Verbände aufgebaut, zusätzliche gepanzerte Kräfte aufgestellt und Fähigkeiten zur eigenen Luftverteidigung beschafft werden. Für die Umsetzung des Letzteren sei Litauen auch der von Deutschland begründeten European Sky Shield Initiative (ESSI) beigetreten, sagte Anusauskas.

Zudem kündigte er an, dass 40 Ausbilder der litauischen Streitkräfte nach Deutschland verlegt werden, um die Ausbildung ukrainischer Soldaten zu unterstützen.

Der deutsche Verteidigungsminister reagierte verhalten auf die Forderungen nach einer dauerhaften Stationierung einer deutschen Kampftruppenbrigade in Litauen. Zwar sagte Pistorius, dass die Sicherheit Litauens am Ende auch Deutschlands Sicherheit sei, verwies aber bezüglich einer dauerhaften Stationierung auf anstehende bilaterale Gespräche und insbesondere auf die Planungen der NATO. Entscheidend sei, was die NATO für militärisch sinnvoller halte, die feste Stationierung einer Kampftruppenbrigade in Litauen oder eine „flexiblere“ Alternative, die die gesamte Ostflanke im Blick habe, so Pistorius. Damit verlagert der deutsche Verteidigungsminister die Entscheidung zum einen auf die Ebene der NATO und zum anderen weiter in die Zukunft, nämlich auf den im Juni anstehenden NATO-Gipfel in Vilnius, bei dem über die gegenwärtig in Arbeit befindlichen regionalen Verteidigungspläne entschieden werden soll.

Derzeit engagiert sich Deutschland in Litauen zum einen als Rahmennation als Teil der NATO-Mission enhanced Forward Presence (eFP). Zum anderen hatte Bundeskanzler Olaf Scholz Litauen, nach der Invasion Russlands in die Ukraine im vergangenen Jahr, die Bereitstellung einer deutschen Brigade zugesagt. Diese enhanced Vigilance Activities Brigade (eVA) wird derzeit durch die Panzergrenadierbrigade 41 gestellt.

Seit dieser Zusage durch den Bundeskanzler gibt es zwischen Deutschland und Litauen Uneinigkeit darüber, ob die Brigade in Litauen oder in Deutschland stationiert sein sollte. Bisher ist ein Teil des Brigadegefechtsstandes dauerhaft in der litauischen Stadt Rukla stationiert, der laut Bundeswehr als Bindeglied zwischen den litauischen Streitkräften und den in Deutschland bereitstehenden Kräften fungiert. Bei der eVA-Brigade handelt es sich im Gegensatz zur eFP um eine reine bilaterale Maßnahme. Neben Kräften aus dem Heer ist zudem die Luftwaffe mit in Estland stationierten Eurofightern am Schutz des Luftraums über dem gesamten Baltikum beteiligt. Diese Maßnahme findet im Rahmen des NATO Air Policing statt.

Unterm Strich wird es damit bei der Aufrechterhaltung der derzeitigen deutschen Maßnahmen in Litauen bleiben, bis im Juni auf dem NATO-Gipfel die neuen regionalen Verteidigungspläne verabschiedet werden. Deutschland hat bereits angekündigt, sich dann mit einer Division in die Kräfteplanungen einzubringen.

Redaktion / oh