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„Deutschland ist bereit dauerhaft eine robuste Brigade in Litauen zu stationieren.“ Das hat Verteidigungsminister Boris Pistorius heute bei einer Pressekonferenz in Vilnius gesagt. Für einer solche Stationierung formulierte der Minister aber auch zwei Voraussetzungen.

Erstens müsse dafür die notwendige Infrastruktur vorhanden sein. „Wir reden bei der Brigade von rund 4.000 Soldatinnen und Soldaten, plus Material und bei einer dauerhaften Stationierung eben auch von Familien“, so der Minister. Es bräuchte Kasernen, Übungsmöglichkeiten und Depots für die Lagerung von Ausrüstung und Munition.

Als zweite Voraussetzung nannte Pistorius die Kompatibilität mit den Plänen der NATO. Das Prinzip der militärischen Flexibilität müsse gewahrt bleiben, sagte Pistorius. Mit dem Prinzip der militärischen Flexibilität könnte der Minister auf die begrenzten Ressourcen der NATO verweisen, die angesichts der Länge der Ost-Flanke nicht starr und großräumig vorstationiert werden können, sondern, flexibel eingesetzt werden müssen, nämlich dort, wo eine mögliche Bedrohung auftritt.

Wendung in einer langen Debatte

Mit der klaren Aussage des Verteidigungsministers, dass Deutschland grundsätzlich bereit sei, eine robuste Brigade in Litauen zu stationieren, hat die Debatte um dieses Thema eine überraschende Wendung bekommen. Bislang drehte sich die Diskussion darum, wie das gemeinsame Kommuniqué, das Bundeskanzler Olaf Scholz und der litauische Staatspräsident Gitanas Nauseda im Juni des vergangenen Jahres verabschiedet hatten, ausgelegt werden soll. Während Litauen aus diesem die Zusage herauslas, das Deutschland eine Kampfbrigade dauerhaft in dem baltischen Land stationieren würde, sah man in Berlin die Sachlage etwas anders. Die deutsche Interpretation sah dabei die permanente Stationierung eines Brigadegefechtsstandes vor und die Möglichkeit, die dazugehörigen Truppen innerhalb kurzer Zeit aus ihren Heimatstandorten nach Litauen zu verlegen. Die litauische Seite hat sich mit dieser deutschen Sichtweise auf Sachlage nicht zufriedengegeben und nun offenbar die Bundesregierung dazu bewegen können, sich für eine dauerhafte Stationierung der vollständigen Brigade auszusprechen.

Bezogen auf den Zeitpunkt einer solchen dauerhaften Stationierung sagte Pistorius, dass man den Aufwuchs der deutschen Truppen Schritt für Schritt mit dem Aufwuchs der vorhandenen Infrastruktur gestalten wolle. Laut dem litauischen Außenminister Gabrielius Landsbergis sollen Unterkünfte und Depots für die Deutschen im Jahr 2026 fertiggestellt sein.

Folgen für die NATO-Russland Grundakte

Die Folgen einer solchen dauerhaften Stationierung von Kampftruppen an der Ost-Flanke der NATO für die NATO-Russland-Grundakte von 1997 ist noch unklar. In dieser heißt es: „Die NATO wiederholt, daß das Bündnis in dem gegenwärtigen und vorhersehbaren Sicherheitsumfeld seine kollektive Verteidigung und andere Aufgaben eher dadurch wahrnimmt, daß es die erforderliche Interoperabilität, Integration und Fähigkeit zur Verstärkung gewährleistet, als daß es zusätzlich substantielle Kampftruppen dauerhaft stationiert.“

Während Russland mit seinem Angriff auf die Ukraine die Vereinbarungen in der Grundakte in mehrfacherweise gebrochen hat, halten Deutschland und auch die NATO derzeit noch an dem Abkommen fest. Dies bestätigte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums gegenüber ES&T. Bezogen auf eine mögliche dauerhafte Stationierung einer deutschen Kampfbrigade in Litauen sagte der Sprecher: „Die NATO-Russland-Grundakte wiederholt unter anderem eine politische Selbstverpflichtung der NATO, in Abhängigkeit vom damals bestehenden Sicherheitsumfeld keine dauerhafte Stationierung substantieller Kampftruppen auf dem Gebiet der neuen Mitglieder vorzunehmen.

Die aktuelle Stärkung des Abschreckungs- und Verteidigungsdispositivs der NATO, einschließlich Truppenstationierungen auf dem Gebiet der östlichen NATO-Alliierten, sind angemessen, verhältnismäßig und erfolgen in Reaktion auf die von Russland verursachte deutliche Verschlechterung des Sicherheitsumfelds, insbesondere im Vergleich zu 1997.“

Somit geht man im Verteidigungsministerium davon aus, dass auch die dauerhafte Stationierung einer deutschen Brigade in Litauen im Einklang mit der NATO-Russland-Grundakte steht.

Starkes Zeichen

Die Stationierung selbst, wäre ein starkes außen- und sicherheitspolitisches Zeichen der Bundesrepublik und würde dem Wunsch der internationalen Partner nachkommen, die von Deutschland als wirtschaftlich stärkstem Land in Europa auch eine endsprechend starke Rolle im Bereich der Verteidigung fordern. Zudem würde die Bundesregierung mit der Entsendung einer Brigade nach Litauen auch einem strategischen Ziel aus ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie nachkommen, dass wie folgt formuliert wurde: „Die Bundesregierung wird ihre militärische Präsenz im Bündnisgebiet zum Schutz unserer Bündnispartner weiter ausbauen und verstetigen, auch um als militärischer Anlehnungspartner für unsere Verbündeten dienen zu können.“

Ole Henckel