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Die jüngsten Entwicklungen an den NATO-Außengrenzen aufgrund des Ukraine-Kriegs rücken das Thema Landes- und Bündnisverteidigung immer mehr in den Fokus. Grundsätzlich gilt: Schnelle und präzise Aufklärung kann im Falle eines Angriffs entscheidend sein. Daher erproben die Bundeswehr, ihr primärer Digitalisierungspartner und das Software- und Künstliche Intelligenz (KI)-Unternehmen Helsing ein sensorgestütztes System, das mithilfe von KI große Geländeabschnitte überwachen und die taktische Aufklärung beschleunigen kann. Das Vorhaben trägt den Namen MITA – Military Internet of Things für die taktische Aufklärung – und hat die ersten beiden Erprobungsphasen im Dezember 2022 und Mai 2023 bereits erfolgreich abgeschlossen.

Präzise Informationen für die richtigen Entscheidungen
Besonders im Falle eines Angriffs sind präzise Informationen die Basis für militärische Entscheidungen: Wo erfolgt der Angriff, wann, mit welchen Kräften, aus welcher Richtung? Dazu wird heute überwiegend auf herkömmliche Sichtungen gesetzt: Soldaten und Soldatinnen beobachten das Gelände zum Beispiel aus Fahrzeugen heraus oder analysieren Drohnenbilder. Die Weitergabe der Informationen an den Gefechtsstand erfolgt zumeist mittels Sprechfunk. Im Gefechtsstand werden die Beobachtungen gesammelt, interpretiert und manuell auf einer Lagekarte eingetragen. Dieser analoge Prozess der Informationsweitergabe und -Interpretation erfordert viel Zeit, und auch Übertragungsfehler können beispielsweise leicht passieren.

Mit Sensornetzwerken große Gebiete überwachen
Das Zusammenspiel von Sensoren und KI-gestützter Aufklärung bei MITA könnte diesen Vorgang erheblich beschleunigen und qualitativ verbessern. Lagebilder könnten automatisiert erstellt und mit Echtzeitinformationen deutlich präziser werden. Durch Sensoren mit UWB-Technologie, die die BWI gemeinsam mit LaterationXYZ entwickelt hat, lassen sich große Gebiete dauerhaft überwachen. Die in kleinen Kugeln verbauten Sensoren sind unauffällig, robust und kostengünstig. Jede Kugel kann sowohl über eine Art Lichtschranke als auch über ein Bodenradar beispielsweise Bewegungen erfassen. Alle Sensoren sind miteinander vernetzt und können dadurch großflächige Bereiche für die Aufklärung abdecken, auch solche, die schwer zugänglich oder aus Sicherheitsgründen schwer aufklärbar sind. Darüber hinaus ist eine Verknüpfung mit der bestehenden Sensorik der Bundeswehr möglich. So werden die Informationen der elektrooptischen Sensoren, der Waffensysteme sowie der Drohnen der Bundeswehr um die Daten der im Feld ausgelegten Sensoren ergänzt, so dass die Bedrohungslage kombiniert festgestellt und beurteilt werden kann. Und: Aufgrund der genutzten Frequenzen sind die UWB-Sensoren nur schwer von feindlicher Aufklärung identifizierbar.

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3D-Lagebild in Echtzeit mittels automatisierter Aufklärung und Datenfusion durch KI
Dringt beispielsweise ein feindlicher Panzer in das überwachte Gebiet ein, schlagen die Sensoren im Feld an. Sie erkennen, dass sich dort ein Objekt bewegt und in welche Richtung es steuert. Der Zielbereich kann dann gezielt durch den Einsatz von Drohnen aufgeklärt werden. Das KI-System detektiert und lokalisiert das Objekt und klassifiert es.

Mithilfe einer Software von Helsing werden die Sensordaten automatisch fusioniert, ausgewertet und in Echtzeit in ein dreidimensionales Lagebild überführt. Arbeit, die sonst manuell erledigt werden müsste. So stehen die Daten ohne Zeitverzögerung zur Verfügung und können für die Entscheidungsfindung durch den Operateur genutzt werden. Das Sensornetzwerk stellt der militärischen Führung damit eine große Menge an eigenständig gesammelten Informationen ausgewertet zur Verfügung. Der Operateur wählt Waffensystem und Munition und weist das Ziel zu. Die Soldaten und Soldatinnen am Effektor erhalten die Koordinaten des Ziels in Echtzeit und können dadurch ohne Verzögerung den Beschuss des feindlichen Objekts vornehmen. Das System kann so, in einer Einsatzsituation den gesamten Prozess von der Aufklärung bis zur Führung beschleunigen und damit wertvolle Zeit zu sparen, die im Zweifel über Leben und Tod entscheiden kann.

Claus Hirschmann ist Leiter des Innovationsexperiments MITA bei der BWI innoX