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Als direktgewählter Wahlkreisabgeordneter für die Kreise Bad Kreuznach/Birkenfeld und Berichterstatter für das Heer in der SPD-Bundestagsfraktion liegt mir die Artillerietruppe besonders am Herzen. Die Artillerieschule der Bundewehr in meiner Heimatstadt Idar-Oberstein ist in gewisser Weise die „Herzkammer“ des indirekten Feuers in Deutschland.

Aber auch abgesehen von meinen persönlichen Interessen ist für mich klar, dass die Weiterentwicklung und Stärkung der Artillerie eine militärische Notwendigkeit ist, wenn wir einen möglichen Krieg im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung auch gewinnen wollen.

Dabei sind auch die Lehren aus dem russischen Überfall auf die Ukraine wichtig. Wenngleich wir aufpassen müssen, dass wir die für uns richtigen Konsequenzen ziehen und uns nicht auf den „letzten“ Krieg, sondern auf den Krieg der Zukunft vorbereiten. Jedoch gibt es einige klare Ableitungen aus den ersten 18 Kriegsmonaten, die ich festhalten will.

Der Kampf um Städte wie Mariupol und Bachmut, aber auch präzise Angriffe auf russische Munitionslager und russische Versorgungs-Konvois zeigen uns, welche Bedeutung Feuerkraft weiterhin besitzt. Nicht nur die präzise Bekämpfung von Hochwertzielen, sondern auch zum Niederhalten des Feindes oder die Abriegelung von Räumen. Deshalb ist der Wiederaufbau der Artillerietruppe der Bundeswehr die Voraussetzung für die Abschreckungsfähigkeit der deutschen Landstreitkräfte – und damit der gesamten Bundesrepublik. In der Ukraine haben sich seit Mitte 2022 die weitreichende Raketenartillerie, moderne Rohrartillerie wie die Panzerhaubitze 2000 und Munitionsarten wie SMArt, AT-2 oder Vulcano als wirkmächtige und zukunftsfähige Systeme bewiesen.

Aus diesem Grund muss die schnelle Beschaffung von Artillerie und Artilleriemunition oben auf die Prioritätenliste gesetzt werden. In enger Abstimmung mit der Industrie müssen wir gerade die Kapazitäten für die Herstellung von Artilleriemunition in Europa aufbauen und uns unabhängig von Importen machen.

Analog zu den „Mittleren Kräften“ wollen wir bei den neu zu beschaffenden Artilleriesystemen den Fokus auf hochmobile, radbasierte und reichweitengesteigerte Systeme legen. Denn die „Mittleren Kräfte“ diktieren eine Stärkung der Artillerie. Leichte Boxer-Schützenpanzer mit 30-mm-Kanonen, ohne die direkte Feuerunterstützung von Kampfpanzern, sind nur mit indirekter Feuerunterstützung durchsetzungsfähig. „Mittlere Kräfte“ können ihren operativen Nutzen im Bündnisverteidigungsszenario nur voll entfalten, wenn die Artillerie dieselbe, radbasierte, strategische Mobilität besitzt.

Aktuell sind im Haushalt jedoch keine Mittel für die Beschaffung von Artilleriesystemen vorgesehen – trotz ihrer herausragenden Bedeutung für die Siegfähigkeit der Bundeswehr in der Landes- und Bündnisverteidigung. Vor dem Hintergrund der notwendigen Konsolidierung des gesamten Bundeshaushaltes müssen nun kreativ Lösungen gefunden werden, um den Aufwuchs der Artillerie zu finanzieren.

Ich bin deshalb überzeugt, dass wir jetzt Mittel im Sondervermögen, die erst 2030 abfließen würden, als kräftige Anschubfinanzierung für die Artillerie nutzen müssen.
In der Ukraine werden im Monat über 10.000 Drohnen-Einsätze geflogen. Häufig zur visuellen Aufklärung und zur Verifikation von Aufklärungsergebnissen. Die eingesetzten Drohnen sind Verbrauchsprodukte und werden schnell vom Feind abgeschossen. Darauf muss sich die Bundeswehr einstellen.

Drohnen sind deshalb nicht nur als Hochwertasset vorzuhalten, sondern in großen Stückzahlen in die Truppe zu bringen.

Drohnen erfahren ihren echten Mehrwert jedoch nicht nur durch ihre schiere Anzahl, vielmehr ist es die effektive Vernetzung und ein Sensoren-Mix. Dabei wird auch die KI-basierte Entscheidungsfindung und Automatisierung eine wichtige Rolle spielen, um den „Sensor-to-Shooter“-Zyklus, also die Zeit zwischen Zielerkennung und Zielbekämpfung, zu verkürzen. Nach dem alten Grundsatz: „Wer schneller schießt und besser trifft, gewinnt den Feuerkampf“, müssen unterschiedliche Sensoren fusioniert werden, um so Ziele für die Artillerie gesichert zu identifizieren. Ohne die Unterstützung von selbstlernenden Algorithmen wird die Bundeswehr einen gefährlichen Nachteil auf dem Gefechtsfeld besitzen.

Wir stellen unsere Streitkräfte vernetzt und schlagkräftig auf, damit sie zur Sicherheit auf dem europäischen Kontinent und zur Wahrung unserer Interessen in der Welt beitragen.

Dr. Joe Weingarten ist Mitglied im Verteidigungsausschuss und Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für das Heer