Die eintägige Konferenz über Luftverteidigung und Raketenabwehr in Europa am 19. Juni in Le Bourget bei Paris „wurde beendet mit der Unterzeichnung einer Absichtserklärung (LoI) zwischen Frankreich, Belgien, Zypern, Ungarn und Estland für die gemeinsame Beschaffung von 700 Lenkflugkörpern vom Typ ‚Mistral‘“, so Generalmajor der Luftwaffe Jean-Marc Vigilant, verantwortlich für die Durchführung der Veranstaltung. Angekündigt worden war diese Konferenz von Staatspräsident Emmanuel Macron Mitte Februar auf der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz.
Die Konferenz von Le Bourget sollte die Plattform für einen informellen Dialog über strategische und operative Fragen außerhalb des institutionellen Rahmens von NATO und Europäischer Union bieten. General Vigilant berichtete, dass Deutschland, Großbritannien und Italien vorgeschlagen hätten, im kommenden Jahr vergleichbare Konferenzen organisieren zu wollen.
Bei den 700 „Mistral“-Raketen handele es sich um das erste Mal, dass ein multilaterales Beschaffungsvorhaben im Rahmen des European Defence Industry Reinforcement through common Procurement Act (EDIRPA) auf den Weg gebracht worden sei. Der französische Zwei-Sterne-General erläuterte dabei das EDIRPA-Prinzip: „Wenn mindestens drei europäische Staaten gemeinsam europäisches Rüstungsmaterial kaufen, beteiligt sich die Europäische Kommission finanziell am Kauf, wodurch der Selbstkostenpreis verringert wird.“ Mit Stolz verwies General Vigilant auf den Umstand, dass es Frankreich war, das die Bildung von EDIRPA im März dieses Jahres während des EU-Gipfeltreffens in Versailles initiiert habe – ganz unter dem Eindruck des russischen Überfalls auf die Ukraine.
Die Entscheidung von europäischen Staaten, außereuropäische Flugabwehrsysteme zu beschaffen, sei der Dringlichkeit der Sicherheitslage geschuldet und solle lediglich die Zeit überbrücken, „bis Europa seine eigenen Fähigkeiten entwickelt hat“, so der französische Zwei-Sterne-General. Er spielte damit auf die deutsche European Sky Shield Initiative (ESSI) zur Schaffung eines europäischen Luftverteidigungssystems an. Diese war Ende August des vergangenen Jahres von Bundeskanzler Olaf Scholz im Rahmen der „Zeitenwende“ angekündigt worden. Nach Angaben der damaligen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht sollten neben dem deutschen System IRIS-T SLM die US-amerikanische MIM-104 „Patriot“ und die israelische „Arrow 3“ beschafft werden. Von den oben genannten fünf Unterzeichnern des „Mistral“-Letter of Intent sind bisher lediglich Frankreich und Zypern der ESSI nicht beigetreten.
Gerd Portugall