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Die Regierung der Tschechischen Republik hat eine wichtige Entscheidung im Bereich der Beschaffung und Modernisierung der Streitkräfte getroffen. Das Kabinett in Prag beschloss, die nun mehrere Jahre andauernde Ausschreibung für neue Schützenpanzer zu annullieren und ermächtigte Verteidigungsministerin Jana Černochová, Verhandlungen mit der schwedischen Regierung über die Beschaffung von Schützenpanzern des Typs CV90 Mk IV aufzunehmen, wie das tschechische Verteidigungsministerium heute mitgeteilt hat.

„Der CV90 ist nicht nur eine kampferprobte Plattform, sondern verfügt auch über ein hohes Wachstumspotenzial. Die Beschaffung dieser Fahrzeuge wird es der Tschechischen Republik ermöglichen, ihrer Verpflichtung gegenüber der NATO nachzukommen und eine schwere mechanisierte Brigade aufzubauen, die fortschrittliche, kampferprobte Ausrüstung der westlichen Verbündeten nutzen wird“, heißt es dazu in der Mitteilung.

Das Ministerium erklärt weiterhin, dass die Weigerung zweier von drei Anbietern „neue Bedingungen zu akzeptieren“ ursächlich für die Annullierung der Ausschreibung gewesen sei.

Historie der Schützenpanzerbeschaffung

Tschechien versucht seit rund fünf Jahren seine in die Jahre gekommenen Schützenpanzer des Typs BVP-2 – einem Derivat des aus Sowjetzeiten stammenden BMP-2 – zu ersetzen. Insgesamt sollten 210 Fahrzeuge gekauft werden. Mindestens 40 Prozent der angepeilten Beschaffungssumme sollten als Wertschöpfung durch tschechische Unternehmen erbracht werden, allen voran durch das Staatsunternehmen VOP CZ. Neben dem CV90 – angeboten von BAE Systems – waren der Lynx KF41 von Rheinmetall und der ASCOD von General Dynamics European Land Systems im Wettbewerb um die Schützenpanzernachfolge in Tschechien angetreten.

Zu den primären Anforderungen des tschechischen Heeres an den neuen Schützenpanzer gehören ein Mindestschutz der ballistischen Schutzstufe 5 und ein Minenschutz der Stufe 4a/4b gemäß STANAG 4569, eine modulare Zusatzpanzerung, die Fähigkeit zur zukünftigen Installation eines aktiven Soft-Kill- und Hard-Kill-Schutzsystems, ein funkgesteuerter Störsender gegen improvisierte Sprengsätze und ein automatisiertes kollektives ABC-Schutzsystem. Das Fahrzeug soll über eine dreiköpfige Besatzung mit einer Transportkapazität von acht Soldaten (Standard-Grenadiergruppe von sechs Soldaten mit zwei Spezialisten auf Bedarfsbasis, die andere Option sind zwei Infanterie-Trupps mit je vier Soldaten) verfügen.

Als Bewaffnung wird ein bemannter Turm mit einer 30 mm Maschinenkanone für programmierbare Munition, einem Koaxial-Maschinengewehr 7,62 mm und einem Panzerabwehr-Lenkwaffensystem gefordert. Das Kaliber 30 mm für die Hauptwaffe wurde vor allem wegen der Vereinheitlichung der Munition mit den Radschützenpanzern PANDUR II CZ der 4. schnellen Einsatzbrigade gewählt. Der Turm muss jedoch in der Lage sein, in Zukunft eine Kanone größeren Kalibers mit relativ geringen Änderungen aufzunehmen.

Beschaffung über Regierungsgeschäft

Der ursprüngliche Plan sah vor, dass die Einführung der Fahrzeuge 2022 beginnen und 2027 enden sollte. Das tschechische Verteidigungsministerium hat jedoch im November 2021 entschieden, die Ausschreibung auszusetzen, nachdem keines der eingereichten Angebote „alle gestellten Anforderungen erfüllt“ hatte. „Die Angebote aller drei Bieter sind auf der Grundlage der eingereichten Antworten/Unterlagen nicht bewertbar, da keines der Angebote alle Anforderungen des Auftraggebers erfüllt. Die festgestellten Defizite betreffen beispielsweise fehlende oder ungenaue Informationen über die technischen Merkmale der angebotenen Fahrzeuge oder unvollständige Informationen über die Zusammenarbeit mit der tschechischen Verteidigungsindustrie“, schrieb das tschechische Verteidigungsministerium in seiner damaligen Mitteilung.

Nun wurde also entschieden, den Wettbewerb komplett zu annullieren und den neuen Schützenpanzer direkt über ein Regierungsgeschäft zu beschaffen. Die „Beteiligung der tschechischen Rüstungsindustrie an der Herstellung der Kampffahrzeuge“ soll einer Aussage Černochovás zufolge jedoch weiterhin hohe Priorität haben.

Damit scheint Tschechien einen ähnlichen Beschaffungsweg wie das Nachbarland Slowakei einzuschlagen. Die slowakischen Streitkräfte beabsichtigen ebenfalls seit geraumer Zeit, die veralteten Schützenpanzer des Typs BVP-1 und BVP-2 durch moderne Schützenpanzer westlicher Bauart zu ersetzen. Dies sollte auf Basis eines Regierungsgeschäftes geschehen. Die Slowakei beabsichtigt, in der ersten Phase der Beschaffung 152 gepanzerte Kettenfahrzeuge in sieben unterschiedlichen Varianten (darunter 110 Schützenpanzer) zu erwerben. In der zweiten Phase sollen weitere 71 Fahrzeuge in sieben Varianten (darunter 20 Mörserträger 120 mm) beschafft werden.

Ende Mai wurde dann öffentlich, dass ein Bewertungsausschuss des slowakischen Verteidigungsministeriums den CV90 Mk IV als neue Plattform ausgewählt hat, um die veralteten Schützenpanzer zu ersetzen.

Waldemar Geiger