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Die eingeführten Schützenpanzer sind bei einer Vielzahl von Landstreitkräften in die Jahre gekommen. Weltweit werden leistungs- und zukunftsfähige Lösungen gesucht, die die erforderlichen neuen Fähigkeiten besonders an Wirksamkeit, Überlebensfähigkeit, Beweglichkeit und Versatilität erfüllen.

Für den aktuellen und zukünftigen Fähigkeitsbedarf moderner Streitkräfte an mittelschweren Kettenfahrzeugen bietet die Lynx-Familie von Rheinmetall eine zukunftsfähige, kostengünstige und – durch die extrem modulare Bauweise – innovative Lösungsmöglichkeit.

Die Varianten

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Mittlerer Schützenpanzer Lynx auf der Eurosatory 2016 (Foto: Horst)

Eine Variante der Lynx-Fahrzeugfamilie – der Schützenpanzer Lynx KF (Kettenfahrzeug in der 30-Tonnen-Klasse) – wurde von Rheinmetall erstmalig auf der Eurosatory-Messe am 14. Juni 2016 vorgestellt. Diese Fahrzeugvariante erinnerte – beim ersten äußeren Blick auf die Wanne – noch deutlich an den Schützenpanzer Marder. Dagegen ist das neue Gefechtsfahrzeug Lynx KF41 eine komplette Neuentwicklung; sie wurde als Weltneuheit erstmalig auf der Eurosatory 2018 präsentiert.

Lynx-Fahrzeuge sind derzeit in zwei Gewichtsklassen verfügbar. Der Lynx KF31 wiegt bis zu 38 Tonnen und bietet 3+6 Soldaten Platz. Der Lynx KF41 ist etwas größer und kann 3+9 Soldaten transportieren. Mit 15 Tonnen konfigurierbarer Masse können Varianten mit Gefechtsgewichten zwischen 36 und 50 Tonnen realisiert werden.

Schützenpanzer Lynx 31 (Foto: Rheinmetall)

Vielseitige, modulare und flexible mittlere Kettenfahrzeugfamilie

Kettenfahrzeuge der Lynx-Baureihe tragen zur Überlegenheit auf dem Gefechtsfeld bei und eignen sich für alle Operationsarten – von der friedensstabilisierenden Mission bis hin zum hochintensiven Gefecht in der Landes- und Bündnisverteidigung. Sie sind hoch geschützt, an verschiedene Einsatzumgebungen anpassbar, äußerst agil, extrem kampfstark und verfügen über hohe Nutzlastreserven.

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Der Lynx 41 auf der Eurosatory 2018 (Foto: Horst)

Die besondere Modularität dieser Fahrzeugfamilie wurde auf der Eurosatory-Messe 2018 eindrucksvoll einem internationalen Fachpublikum präsentiert. Der Lynx wurde innerhalb weniger Stunden von einem Schützenpanzer in ein Führungsfahrzeug umgebaut. Möglich wird dies durch die von Rheinmetall entwickelten Missionsmodule. Diese Missionsmodule können im Dachausschnitt des Lynx installiert werden oder als Stand-alone-Lösung (in Standard-ISO-Containern) eingesetzt und z.B. zur Ausbildung genutzt werden.

Schützenpanzer Lynx 41 (Foto: Rheinmetall)

Eine Fahrzeugfamilie – eine Logistik – ein Anbieter

Die gesamte Lynx-Familie zeichnet sich durch eine hohe Teilegleichheit aus. Das macht sich nicht nur bei der Logistik, sondern auch bei der Ausbildung positiv bemerkbar. Natürlich bietet Rheinmetall weltweit auch maßgeschneiderte Serviceleistungen von der Ausbildung über die Versorgung und Instandsetzung (selbst in den Einsatzgebieten) bis hin zum Technologietransfer an.

Kernfähigkeiten

Lynx-Fahrzeuge zeichnen sich durch eine überzeugende Kombination der Leistungen zur Wirksamkeit, Überlebensfähigkeit, Beweglichkeit, Führungsfähigkeit und Vielseitigkeit aus. Dabei wird einerseits auf zukunftsweisende Technik und Konzepte gesetzt, aber andererseits auch auf bewährte Technologien zurückgegriffen, um unter anderem auch das technische Risiko deutlich zu reduzieren.

blankBesonderheit des Lynx KF41 ist die abnehmbare Abdeckung des Dachausschnittes der Wanne. Damit kann der Kampfraum binnen weniger Stunden z. B. mit einem Hochdach versehen werden, um so mehr Volumen für umfangreichere Missionsausstattungen zu schaffen oder eine größere Stehhöhe zu erreichen. Welche Ausrüstung in den verschiedenen Versionen untergebracht werden soll, wird auf Kunden- und Nutzerwunsch realisiert.

Wirksamkeit

Der Standard Lance-Turm kann mit einer 30-mm- oder einer 35-mm-Maschinenkanone (MK) bestückt werden.

Sie kann unter Panzerschutz nachgeladen werden und ist für den Verschuss von Airburst-Munition gegen Flugzeuge oder leichtgeschützte Landziele vorbereitet. Mit hoher Präzision können Ziele bis zu 3.000 Meter bzw. 3.500 Meter – auch aus der Bewegung – bekämpft werden.

Lance 2.0 mit MK30-2 auf einem Beschleunigungs- und Simulationstestgestell im Rheinmetallwerk Unterlüß (Foto: Horst)

Der Lance 2.0-Turm ist die nächste Generation der bereits in Nutzung befindlichen Lance-Familie. Er kann je nach Kundenwunsch mit verschiedenen Waffenanlagen bis zur 50-mm-MK ausgestattet werden. Er wurde speziell für die Anwendung in Schützenpanzern entwickelt und kann je nach Kundenwunsch besatzungslos oder in einer Zwei-Mann-Besatzungsversion geliefert werden. In dem kampfwertgesteigerten Turm sind einsatzwichtige Subsysteme besser gegen kinetische Bedrohungen und Splitter geschützt. Damit wird die Überlebensfähigkeit der Subsysteme in Duellsituationen besonders in urbanen Situationen gesteigert. Eine weitere Verbesserung stellt die neue, elektrisch angetriebene Maschinenkanone Wotan 35 von Rheinmetall dar. Sie verschießt mit einer Kadenz von 200 Schuss pro Minute Rheinmetalls bewährte und in Nutzung befindliche Mittelkalibermunitionsfamilie 35 mm x 228.

Wotan 35: Kaliber 35 mm x 228, Kadenz 200 Schuss/min, ABM-Technologie (Airburst), ITAR-frei (Foto: Rheinmetall)

Weiterhin hat der Lance 2.0-Turm an beiden Turmseiten je einen flexiblen Mission Pod. Diese Pods erlauben die Einrüstung verschiedener Subsysteme, um dem Turm weitere besondere Fähigkeiten zu geben. Zu den kundenspezifischen Mission Pods gehören z. B. ein Doppelwerfer für den Panzerabwehrlenkflugkörper Spike LR2 (über 5.000 Meter) von Rafael, eine Abschussvorrichtung für loiterfähige Munition, eine Startvorrichtung für Aufklärungsdrohnen oder eine Ausstattung für die Elektronische Kampfführung.

Die Feuerleitung des Panzerabwehrlenkflugkörpers ist vollständig in Sichtmittel und Feuerleitung des Richtschützen integriert. Der Kommandant kann über eine mit der Hauptoptik verbundene Waffenstation unabhängig vom Richtschützen beobachten und wirken. Hierdurch verfügt der Lynx nicht nur über eine Hunter-Killer-Fähigkeit, sondern auch über Killer-Killer-Eigenschaften.

Lynx-Turm: Rechte Turmseite (in Fahrtrichtung gesehen) mit beispielhafter Bewaffnung und Ausstattung. Der rechte Waffenpod ist geöffnet und hat einen Werfer mit zwei Spike-Panzerabwehrlenkflugkörpern eingerüstet. Dann kommt die Nebelmittelwurfanlage, Sensoren des Lagebild–Systems und als Sekundärbewaffnung ein RMG 7.62 (Foto: Weisswange)

Überlebensfähigkeit

Das gesamte Schutzsystem ist modular und erweiterbar. Wanne und Turm werden bereits mit hohem Grundschutz hergestellt und können bedarfsgerecht auf höhere Schutzlevel gebracht werden; hierzu sind verschiedene Schutzkits verfügbar. Die modularen Schutzsysteme des Lynx bieten eine hohe Flexibilität, um die vielseitigen Bedrohungen im gesamten Konfliktspektrum zu meistern. Die ballistischen Schutzelemente und Minenschutzpakete können leicht ausgetauscht werden, bei Bedarf auch unter feldmäßigen Bedingungen. Auch der Dachschutz und minengeschützte Sitzplätze wurden berücksichtigt.

Der Lance 2.0-Turm des Lynx KF41 ist für die Aufnahme von passiven und reaktiven Schutzelementen entwickelt worden. Er kann auf Kundenwunsch auch ein abstandsaktives Schutzsystem zur Abwehr von Panzerfaustgeschossen und Panzerabwehrlenkflugkörpern aufnehmen. Ferner ist eine kombinierte Klima- und ABC-Schutzbelüftungsanlage mit ABC-Schutzfiltern von Beth El vorhanden.

Das Fahrzeugdesign trägt ebenfalls zur Reduzierung sichtbarer, thermischer, akustischer und Radarsignaturen bei. So werden beispielsweise die Abgase gemeinsam mit der kühlen Abluft der Klimaanlage an der Fahrzeugrückseite ausgestoßen. Optional kann das mobile Tarnsystem Solar Sigma Shield von Rheinmetall ebenfalls visuelle, thermische und Radarsignaturen abschwächen.

Modularität

Die Lynx-Fahrzeugfamilie lässt sich für zahlreiche Einsatzzwecke konfigurieren und besteht aus einem Fahrmodul und flexiblen Missionsausstattungen. Hierdurch lässt sich jedes Basisfahrzeug für eine Vielzahl von gewünschten Fähigkeiten konfigurieren. Der Konfigurationswechsel lässt sich innerhalb weniger Stunden bewerkstelligen. Durch die Gleichheit der Basisfahrzeuge senkt dieses System die Lebenszykluskosten erheblich. Auch die Subsysteme des Lynx KF41 sind ebenfalls hochmodular und anpassbar, was die Flexibilität des Fahrzeugs noch steigert.

Austauschbarkeit der Fahr- und Missionsmodule (Foto: Rheinmetall)

Insgesamt sind zurzeit 17 verschiedene Versionen von Missionsmodulen (u. a. Schützenpanzer, Führungsfahrzeug, Spähpanzer, Gefechtsschadensinstandsetzungsfahrzeug, Sanitätspanzer, Mannschaftstransporter und Bergepanzer) firmenseitig konzipiert, von denen zurzeit zehn Varianten und eine Fahrschulvariante als Prototypen verfügbar sind.

Beweglichkeit

Der Lynx KF41 bietet die neueste Antriebstechnologie mit einem 850 kW (1.140 PS) Diesel-Reihenmotor von Liebherr und einem bewährten automatischen Renk HSWL 256C Überlagerungslenkgetriebe. Dieses Getriebe wird auch bei dem Schützenpanzer Puma der Bundeswehr eingebaut. Bei stehendem Fahrzeug kann der Motor mit reduzierter Leistung – und damit auch reduziertem Geräuschpegel – dauerhaft elektrische Energie bereitstellen.

Die Variante Führungsfahrzeug im Rheinmetallwerk Unterlüß (Foto: Horst)

Das flexible Laufwerksystem ermöglicht es dem Lynx KF41, auch bei unterschiedlicher Konfiguration mit Missionsausstattungen und Schutzkits hoch beweglich zu bleiben. Im drehstabgefederten Laufwerk mit sechs Laufrollen sind Stoßdämpfer von Supashock verbaut. Als Gleiskette wird eine gewichtsreduzierte Systemkette aus Spezialstahl von Defence Service Tracks (DST) verwendet. In der Schützenpanzerversion wiegt der Lynx KF41 dann rund 44 Tonnen. In dieser Konfiguration bietet er aufgrund seines Leistungsgewichts von 19,3 kW/t eine in dieser Klasse hohe Mobilität, wobei noch eine Reserve von sechs Tonnen Nutzgewicht für weiteren Aufwuchs verfügbar ist.

Führungsfähigkeit

Der Lynx KF41 verfügt über ein „digitales Rückgrat“ mit einer generischen, offenen Architektur. Dies ermöglicht die einfache Integration neuer Missionssysteme und ist für zukünftige Verwendungen auf einem digitalen Gefechtsfeld eine wesentliche Voraussetzung. Die elektronische Architektur auf 24-Volt-Basis ist GVA-konform (NATO Generic Vehicle Architecture) und besteht aus einem integrierten Rechnersystem mit WinBMS-Gefechtsführungssystem. Dies wird – ebenso wie die gesamte Ausstattung mit elektronischen/elektrischen Geräten – durch zwei Generatoren mit insgesamt 600 A mit elektrischer Energie versorgt.

Internationale Aktivitäten

Als gepanzerte Plattform nimmt der Lynx KF41 seit seiner Erstvorstellung 2018 als einzige Neukonstruktion bereits an drei internationalen Wettbewerben teil: in Australien, Tschechien und den USA. Der vom Entwurf als Fahrzeugfamilie angelegte Panzer kann durch den modularen Aufbau flexibel an die Anforderungen der militärischen Kunden angepasst werden. 17 unterschiedliche Varianten stehen in den Wettbewerbsbüchern der Kunden: vom Infanteriekampffahrzeug mit Turm und bis zur 50-mm-MK über Kommando- und Aufklärungspanzer (mit Turm) bis hin zu Pionier-, Berge- und Sanitätspanzern (ohne Turm).

Die Modularität lässt in besonderem Maße die Beteiligung nationaler Industriepartner zu, um den Forderungen nach Technologie- und Know-how-Transfer sowie der Wertschöpfung im eigenen (Empfänger-)Land gerecht werden zu können. Mit Stückzahlen von 400 (Australien), 210 (Tschechien) und bis zu 4.000 (USA) haben die Programme erhebliches finanzielles Gewicht. Erste Entscheidungen über die Auswahl von Wettbewerbern wurden im letzten Jahr bereits getroffen.

Australien

Das Programm „Land 400 Phase 3“ in Australien wird u. a. die gepanzerten Personentransporter M113 ersetzen und den Streitkräften eine fortschrittliche Ausstattung mit Fahrzeugen bieten. Das australische Heer sucht ein leistungsfähiges und hochgeschütztes Infanteriekampffahrzeug. Die geplante Investition von 8,5 Milliarden Euro hat 2019 einen weiteren wichtigen Schritt nach vorn gemacht.

Der Schützenpanzer AS21 Redback von Hanwha (Foto: Hanwha)

Das australische Verteidigungsministerium hat im Wettbewerb um das neue Infanteriekampffahrzeug im Rahmen des Rüstungsprogramms Land 400 Phase 3 die beiden Wettbewerber Rheinmetall (mit dem Lynx KF41) und die südkoreanische Hanwha (mit dem AS21 Redback) für die Erprobungsphase (Risk Mitigation Activity, RMA) ausgewählt. Demnach sind GDLS (Ascod 2) und BAE Systems (CV90 Mk IV) nicht mehr im Rennen. Die Fahrzeuge beider Wettbewerber wiegen etwa 42 Tonnen, sind für eine Besatzung von 3+8 Soldaten ausgelegt und mit einer 30-mm-Kanone als Hauptwaffe ausgestattet. Dabei geht der AS-21 Redback auf den seit 2009 produzierten K21 zurück, während der Lynx KF41 eine vollständige Neukonstruktion ist.

Rheinmetall ist von dem Commonwealth of Australia damit beauftragt worden, mit dem Schützenpanzer Lynx KF41 an der Erprobungsphase des Rüstungsprojekts Land 400 Phase 3 teilzunehmen. Ein entsprechender Vertrag wurde Mitte Oktober 2019 unterzeichnet. Der Vertrag umfasst auch die Lieferung von drei Lynx KF41-Erprobungsmustern. Sie verfügen in der Schützenpanzerversion über den digitalen Lance-Turm mit elektronischer Architektur, welcher auch im Boxer 8×8 CRV verwendet wird. Dies ermöglicht den Besatzungen den Zugriff auf Sensorsysteme, moderne automatische Ortungs- und Zielfunktionen und eine waffenintegrierte Kampfführung in einer netzwerkfähigen Plattform.

Das neue Military Vehicle Centre of Excellence (MILVEHCOE) in Australien ist bereits in die Entwicklung, Integration und Tests der Lynx KF41-Fahrzeuge eingebunden, um die anstehenden RMA-Tests zu unterstützen. Sollte Rheinmetall den Auftrag zur Serienfertigung erhalten, ist geplant, die Lynx KF41-Flotte ebenfalls im MILVEHCOE in Redbank Plains südwestlich von Brisbane zu fertigen. Wichtige Fahrzeugelemente des Lynx KF41 werden in Australien von dort ansässigen Unternehmen entwickelt und hergestellt. Hierzu zählen die Lichtmaschine (Milspec in Albury), das Fahrwerk (Supashock in Adelaide) und Kabel (Cablex in Melbourne).

Lynx KF41 – Lufttransport nach Australien (Foto: Rheinmetall)

Im Rahmen des Land 400 Phase 3 RMA-Vertrags wird Australien eine umfassende technische und programmbezogene Bewertung der beiden verbliebenen Bieter über einen Zeitraum von 24 Monaten vornehmen. Die Fahrzeuge werden von Angehörigen der australischen Streitkräfte bedient und in australischem Gelände unter extremen Bedingungen getestet. Dabei werden Wirksamkeit, Transportfähigkeit, Mobilität und Truppentauglichkeit bewertet sowie Explosions- und ballistische Tests durchgeführt. Parallel dazu wird man in einer strukturierten Bewertungsphase mit den Bietern zusammenarbeiten, um technische Leistungsfähigkeit, Aufwuchsfähigkeit, Preis-Leistungs-Verhältnis und nationale Wirtschaftlichkeit zu optimieren.

Nach derzeitiger Planung soll der Regierung 2022 ein Entscheidungsvorschlag über den bevorzugten Bieter für die Bereitstellung der Land 400 Phase 3-Fähigkeit zur Prüfung vorgelegt werden. Eine erste Einsatzfähigkeit mit dem neuen Fahrzeug soll 2024 bis 2025 erreicht werden. Die Ausstattung mit den neuen Fahrzeugen soll bis 2031 abgeschlossen sein.

Tschechien

Lynx KF41 für Tschechien (Foto: Rheinmetall)

Der Lynx wurde in der für den Wettbewerb in Tschechien geeigneten Version auf der International Defence and Security Technologies Fair (IDET) Ende Mai 2019 in Brünn (Tschechien) ausgestellt, wobei insgesamt vier Firmen Lösungsmöglichkeiten zeigten. Die Ausstattung mit Waffen, Beobachtungs-, Ziel- und Feuerleiteinrichtungen sowie Kommunikationsmitteln und weiterem elektronischen Gerät war als Konfigurationsvorschlag zu sehen, da die endgültigen Forderungen des Kunden vertraulich sind. Wegen der geforderten Beteiligung der tschechischen Industrie wird sich die Auswahl der Industriepartner auf die Auswahl der Systeme und Komponenten auswirken. Zurzeit sind noch BAE Hägglunds, General Dynamics und Rheinmetall am Auswahlverfahren beteiligt. Eine Entscheidung wird zeitnah erwartet.

USA

Das Optionally Manned Fighting Vehicle (OMFV), dessen Serienbeauftragung bei der U.S. Army ab 2026 vorgesehen ist, soll dort den Schützenpanzer Bradley ersetzen. Das neue Fahrzeug wird entsprechend den Anforderungen der U.S. Army für den Kampf in urbanem Terrain ebenso wie auch in schwerem Gelände optimiert, wobei dem Projekt OMFV höchste Modernisierungspriorität beigemessen wird.

Im Wettbewerb um das OMFV haben Rheinmetall und der US-Konzern Raytheon 2019 ein US-Joint Venture gegründet. Das in Detroit (Michigan/USA) ansässige Unternehmen firmiert als Raytheon Rheinmetall Land Systems LLC. Die Raytheon-Technologie, die für den Lynx vorgesehen ist, umfasst vor allem zukunftsfähige Waffensysteme des Unternehmens, wie die Rakete TOW, ein aktives Schutzsystem, Sichtsysteme der dritten Generation, das unbemannte Flugsystem Coyote sowie auch Systeme zur Abwehr von Cyber-Bedrohungen.

Nach heftiger Kritik über die Durchführung des Wettbewerbs mit nur noch einem Teilnehmer hatte die U.S. Army Mitte Januar 2020 das Programm OMFV gestoppt und knapp einen Monat später mit einer Marktstudie neu gestartet. Für den Neuansatz operiert das Army Futures Command mit Problembeschreibungen (Fähigkeitsforderungen) und erwartet von der Industrie Lösungsvorschläge dazu. Im nächsten Schritt sollen darauf aufbauend und ergänzt digitale Designwettbewerbe sowie Rückmeldungen von den Soldaten die Fahrzeugeigenschaften detailliert beschrieben werden. Digitale Prototypen sollen eine Beurteilung der Gesamtsysteme ermöglichen. Am Ende sollen zwei Hauptauftragnehmer je einen physikalischen Prototyp bauen, die in Tests ihre Praxistauglichkeit unter Beweis stellen sollen.

Entwicklungspotenzial

Lynx auf dem digitalisierten Gefechtsfeld

Wirksysteme der Zukunft stehen weltweit an der Schwelle zum ferngelenkten und ggf. auch autonomen Einsatz. Bei dem in französischer und deutscher Zusammenarbeit zu realisierenden Main Ground Combat System (MGCS) und dem Common Indirect Fire System (CIFS) erhofft man sich in den nächsten Jahren deutliche Fortschritte und unterstützt diese Absicht mit erheblichen F&T-Mitteln. Die ersten unbemannten Schützenpanzer werden auf dem Gefechtsfeld erscheinen. Dies ist der nächste logische und notwendige Schritt, um die Fähigkeiten der Systeme voll zur Wirkung bringen zu können und das Leben der Soldaten dann zu schützen, wenn einfach ausführbare Handlungen den Maschinen überlassen werden können und keine direkte Anwesenheit eines Menschen erfordern.

Die Lynx-Familie bietet hinsichtlich der vorhandenen elektrischen Architektur und des verfügbaren, geschützten Volumens sowie der Gewichtsreserven gute Möglichkeiten, die Vielzahl der technischen Geräte (Informationsübertragung, -verarbeitung und -darstellung, Battle Management, Energiespeicher) aufzunehmen, um auf dem digitalisierten Gefechtsfeld der Zukunft bestehen zu können. Auch dies ist Grundlage für den Aufwuchs in der Digitalisierung. Ein vollständig digitalisierter Schützenpanzer existiert zurzeit nicht. Die Lösungsmöglichkeiten sind aber in Teilen verfügbar oder befinden sich in der Entwicklung und müssen nur noch in das System integriert werden.

Neue Wirkmittel

Die bei Lynx-Fahrzeugen vorhandene Volumenreserve bietet bei Kundenwunsch auch die Möglichkeit, Laserwaffen zu integrieren. Besonders der Platzbedarf der notwendigen Energiespeicher dieser Systeme ist beim Lynx keine besondere Herausforderung.

Grafik: Rheinmetall

Neue Schutztechnologien

Die beim Lynx vorhandene Reserve an Nutzlast ermöglicht auch die Implementierung eines verbesserten Schutzsystems ohne deutliche Mobilitäts- und Agilitätsverluste. Neue russische Kampf- und Schützenpanzer stellen hinsichtlich der Bedrohung einen entwicklungstechnischen Sprung dar, der nicht nur eine mögliche neue Generation von westlichen Entwicklungen der Gefechtsfahrzeuge beeinflussen wird, sondern auch die Entwicklung neuer Schutztechnologien aller Art erfordert. Die Vielzahl der zukünftig möglichen Bedrohungen der Gefechtsfahrzeuge – bei Einsätzen aber auch bei der Landes- und Bündnisverteidigung – vom Brandsatz über IED-Wirkungen bis hin zum mittel- und großkalibrigen KE-Geschossen erfordert die optimale Abstimmung der einzelnen Schutzkomponenten zu einem Schutzsystem. Technische Lösungsmöglichkeiten, z. B. Soft-Kill-Systeme, abstandsaktive Hard-Kill-Systeme, sind bereits verfügbar und an der deutlichen Reduzierung der Wirkung von modernen KE-Geschossen wird – z. B. durch die Kombination passiver und explosiver Reaktivschutzpanzerungen – bereits gearbeitet. Ein optimales Schutzsystem kostet nicht nur Volumen, sondern auch Gewicht: Die Lynx-Familie könnte – auf Kundenwunsch – diese Forderungen erfüllen.

Optionaler Hybridschutz für den Lynx

Für die Fahrzeugfamilie Lynx ist optional die hybride Schutzlösung Strikeshield verfügbar. Diese verbindet passiven Schutz gegen kinetische Geschosse und Splitter gem. des Standards der AEP 55 und aktiven Schutz gegen Panzerabwehrhandwaffen gem. der AEP 62 in einem Schutzmodul.

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Schutzelement für den Lynx (Foto: Rheinmetall)

Insbesondere die Residualeffekte einer Bekämpfung von Panzerabwehrhandwaffen wurden in der RPS systematisch erfasst und werden bei der Auslegung des passiven Schutzes berücksichtigt. Dies geht deutlich über die heute gültigen Nachweisführungen hinaus. Damit wird die in den AEP und TL noch bestehende Abgrenzung zwischen passivem und aktivem/reaktivem Schutz aufgebrochen.

Zusammenfassung/Ausblick

Rheinmetall ist es in sehr kurzer Zeit gelungen, die Prototypen einer neuen Kettenfahrzeugfamilie so zu realisieren, dass die in den internationalen Wettbewerben geforderten Kernfähigkeiten im Wesentlichen erfüllt werden.

Die Lynx-Familie bietet besonders hinsichtlich der Modularität, der Leistungsfähigkeit, der Aufwuchsfähigkeit und auch des Preises eine gute Alternative zu den aktuellen Angeboten der Wettbewerber. Auch die mögliche und in Teilen bereits realisierte Beteiligung der zukünftigen Nutzerstaaten bei der Einbindung von Subsystemen sowie die weltweit verfügbaren Service- und Ausbildungsleistungen eines großen Konzerns in der späteren Nutzung des Systems sind gute Beschaffungsargumente.

Partizipieren kann die Lynx-Familie natürlich auch von den gesamten militärischen Aktivitäten des Rheinmetallkonzerns, z. B. beim Schutz, der Waffen- und Munitionsentwicklung und besonders den Entwicklungen zur Digitalisierung des Gefechtsfeldes.

Es kommt jetzt darauf an, bei den laufenden Wettbewerben erfolgreich abzuschneiden. Das erfordert im Wesentlichen stabile Prototypen (firmeneigene Erprobungen sind bereits durchgeführt worden) und die enge firmenseitige Begleitung der Erprobungen. Erfolg im Wettbewerb und die damit ggf. verbundene Einführung der Lynx-Familie erschließt auch weitere nationale und internationale Beschaffungspotenziale.

Michael Horst