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In den frühen Morgenstunden des 8. November 2018 sank die Fregatte der Königlich Norwegischen Marine „HNoMS Helge Ingstad“ nach Zusammenstoß mit dem Tanker „Sola TS“ in der Nähe von Bergen (Norwegen). „Sola TS“ war am Terminal in Sture mit Rohöl beladen worden und setzte sich von dort in Marsch. Die „Helge Ingstad“ lief nach einer Manöverteilnahme in den heimatlichen Marinestützpunkt.

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Ort der Kollision (Graphik: STH/AIBN)

Eine Berichterstattung spätestens zwölf Monate nach dem Unfall wurde – konform mit den von der SHT (norwegische regierungsamtliche Verkehrsunfall-Untersuchungs-Kommission, engl. AIBN)  selbst gesetzten Richtlinien – zugesagt. Der erste Teil des Berichtes, der die Abfolge der Ereignisse bis zum Zeitpunkt der Kollision aufarbeitet, liegt jetzt vor.

Die detaillierte Analyse der SHT ergab, dass keine einzelne Handlung oder Störung zum Unfall geführt hat – vielmehr war eine Reihe komplexer Faktoren und Umstände ursächlich für die Kollision. Technisches Versagen wird zurzeit ausgeschlossen – bei allen drei Beteiligten: den beiden Kollisionsgegnern und der Verkehrsleitstelle. Die Unfalluntersuchungsstelle gibt insgesamt 15 Empfehlungen. Neun davon betreffen die Marine, eine wendet sich an das Verteidigungsministerium, eine die norwegische Seeschifffahrtsbehörde, während jeweils zwei an den Reeder der „Sola TS“ und die norwegische Küstenverwaltung gerichtet sind.

Ablauf der Kollision (Video: STH/AIBN)

Die Beteiligten: Verkehrsleitzentrale – Tanker – Fregatte

Von zentraler Bedeutung ist die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen der verkehrsleitenden Stelle Fedje Vessel Traffic Service (Fedje VTS), dem 110.000-Tonnen Tanker und der Fregatte – bis hin zu einem der Situation nicht gerecht werdenden Kommunikationsverhalten. Zwar hatte die „Helge Ingstad“ ihre Einfahrt in den Hjeltefjord angezeigt (02.38 Uhr) und blieb bei ca. 17-18 Knoten Fahrt. Nicht nur aufgrund ihres lediglich passiv geschalteten AIS (automatisches Identifizierungssystem), d.h. sie selbst übermittelte keine Daten, wurde ihre Route seitens der Verkehrsleitstelle Fedje VTS nicht weiter verfolgt. Nach ihrer Beladung legte die „Sola TS“ vom Sture Terminal ab – 03.45 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt war sie 5,65 nautische Meilen (10.464 Meter) von der „Helge Ingstad“ entfernt. Ihre Deckslichter blieben wegen Arbeiten an Oberdeck eingeschaltet – sie überstrahlten die Positionslaternen. Mit ein Grund für die Fehleinschätzung der navigatorischen Situation durch die Brückenbesatzung des sich annähernden Kriegsschiffes.

Ebenso maßgeblich für die Havarie war der Umstand, dass keine der beteiligten Parteien die zur Verfügung stehenden technischen Hilfsmittel ausreichend nutzte. In einer Situation, in der AIS als primäre und mitunter einzige Informationsquelle genutzt wurde, wirkte dessen restriktiver Gebrauch durch die Fregatte nachteilig.

Zum Zeitpunkt des Ablegens des Tankers war die Verkehrssituation eigentlich übersichtlich.  Die Fregatte hatte ein südwärts fahrendes Schiff direkt vor sich sowie drei nordwärts und ein südwärts fahrendes Schiff südlich des Sture-Terminals. Plus: „Sola TS“ und die Schlepper „Ajax“ und „Tenax“ hatten das Ölverlade-Terminal verlassen, einen Turn eingeleitet, um den Tanker in Richtung Norden zu bringen.

Um 03.57 Uhr betrug die Distanz zwischen den beiden späteren Kollisionsgegnern nur noch 2720 Meter – die Fregatte auf Südwestkurs und 17 Knoten Fahrt, der Tanker nahm langsam Fahrt auf, nun bei 6,1 Knoten. Um 04.00 Uhr kam es zur ersten Kontaktaufnahme auf UKW zwischen der „Helge Ingstad“ und der „Sola TS“. Zu diesem Zeitpunkt waren die beiden ca. 875 Meter voneinander entfernt. Bei der relativen Annäherungsgeschwindigkeit der beiden („Sola TS“ machte nun 7,2 Knoten Fahrt), reduzierte sich die Entfernung schnell. Um 04.00.50 befahl der Lotse auf der „Sola TS“ volle Fahrt zurück. Dieses Manöver des letzten Augenblicks kam zu spät. Auf der „Helge Ingstad“ wurde man sich zum gleichen Zeitpunkt gewahr, dass es sich bei dem bisher als stationäres betrachteten Objekt um den Tanker handelte. Das angeordnete Rudermanöver blieb wirkungslos.

Um 04.01.15 Uhr kollidierten die Schiffe. Der erste Aufprallpunkt war der Steuerbordanker von Sola TS und der Bereich direkt vor dem Steuerbord-Torpedomagazin von HNoMS Helge Ingstad.

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Darstellung der Kollision (Graphik: STH/AIBN)

STH-Empfehlungen an alle Beteiligten

Eine Verkettung verschiedener Umstände führte schlussendlich zur Kollision. Insofern richtet die Behörde ihre Empfehlungen an alle Beteiligten bzw. deren ‚Vorgesetzte‘.

Seitens der Fregatte waren Ausbildung sowie organisatorische Mängel ausschlaggebend für eine nicht ausreichende ‚situational awareness‘. Entsprechend die Empfehlungen an die Marine – sie reichen vom Laufbahnaufbau, über die nautische Ausbildung, Brückenmanagement bis hin zum Gebrauch von AIS.

Seitens der Verkehrsüberwachung, deren personelle, technische und organisatorische Aufstellung als nicht adäquat betrachtet wird, sollte die Funktionalität dahingehend verbessert werden, das System an an die Erfordernisse des Schiffsverkehrs anzupassen. Dazu zählt die Versorgung der Verkehrsteilnehmer mit relevanten und zeitnahen Informationen sowie Organisation des Verkehrs.

Der Reeder der „Sola TS“ solle sein Lichtmanagement revidieren. Weiterhin solle er seine Praxis in Bezug auf die Zusammenarbeit auf der Brücke sowie sicherer Navigation bei Lotsenunterstützung überprüfen und verbessern.

Schließlich wird das Verteidigungsministerium gebeten, ein System einzuführen, das der Marine einen systematischen Überblick und eine Kontrolle der Ruhezeiten ermöglicht. Darüber hinaus sollten Ausgleichsmaßnahmen vorgeschrieben werden, wenn vorgesehene Ruhezeiten nicht eingehalten werden.

Teil 2 des Untersuchungsberichtes wird sich mit den Folgen des Unfalls befassen – also alles, was nach dem Zeitpunkt der Kollision zutrug. Dies ist insbesondere auch für Fragen des Schiffsdesigns relevant. Es gab schiffsbauliche Zweifel im Zusammenhang mit dem  Wassereinbruch und Spekulationen darüber.

Fußnote. Interessanterweise greift die Kommission auch eine bei der Klassifizierung der Fregatte durch den DNV GL (24. November 2014) gemachte Bemerkung hinsichtlich des Geräuschpegels auf der Brücke auf. Es heißt, das Belüftungssystem der Brücke sei so laut, dass es für das Brückenteam schwierig ist, auf normale Weise zu kommunizieren. Übermäßige Geräuschpegel, die die Sprachkommunikation stören, Ermüdung verursachen und die Zuverlässigkeit des Gesamtsystems beeinträchtigen, sind zu vermeiden – so die Empfehlung des DNV GL. Die zuständigen Stellen im norwegischen Beschaffungswesen hatten mit dem Verweis auf „Der Geräuschpegel auf der Brücke liegt im Rahmen der RAR27-Bestimmungen weswegen NDLO keine weiteren Maßnahmen beabsichtigt.“ mögliche Verbesserungen nicht implementiert.

Hans Uwe Mergener