Print Friendly, PDF & Email

Im April 2018 haben Airbus Helicopters und der österreichische UAV-Hersteller Schiebel die Manned – Unmanned Teaming Technologie erfolgreich an Bord einer H145 getestet. Die S-100 UAV wurde von einem Bediener im Hubschrauber gesteuert. Um die Rückkehr des Hubschraubers zum Betanken zu simulieren wurde die Steuerung vorübergehend an eine Bodenstation übergeben. Die ES&T sprach mit Mark R. Henning, Senior Program Manager H145 Governmental Business bei Airbus Helicopters, über den Stand des Manned – Unmanned Teamings im Bereich der Hubschrauber Fliegerei.

blank
„Unbemannte Systeme sollen vor allem für die sogenannten D³ Aufgaben verwendet werden: alles, was „dull, dirty and dangerous“ ist, also Aufgaben, die langwierig, schmutzig oder gefährlich sind.“ (Foto: Airbus Helicopters)

ES&T: Was genau hat man sich unter Manned – Unmanned Teaming (MUM-T) vorzustellen?

Henning: Der Begriff beschreibt die Verwendung von unbemannten Systemen – in der Regel fliegende unbemannte Systeme / Vehikel (UAV) – zur Unterstützung des Einsatzes eines bemannten fliegenden Systems. Gerne wird auch der Begriff „Robot-Wingman“ verwendet.

ES&T: Wie sieht die Aufgabenverteilung zwischen unbemanntem und bemanntem Luftfahrzeug aus?

Henning: Die Aufgabenteilung ist von Mission zu Mission unterschiedlich. Auch ist der Grad der zur Verfügung stehenden Technologie – im speziellen Fall die Fähigkeit des UAV, autonom zu operieren – sehr wichtig. Die Einführung der Technologie soll schrittweise erfolgen. Die Unterstützung der Besatzung durch Assistenzsysteme (Stichwort: KI) auf dem bemannten Hubschrauber wie auch auf dem UAV hat Einfluss darauf, welche Aufgaben wo und in welcher Güte durchgeführt werden. Grundsätzlich soll im ersten Schritt der stufenweisen Umsetzung das UAV für Aufklärung und Datenübermittlung verwendet werden.

ES&T: Ist MUM-T gleich MUM-T, oder gibt es da Abstufungen?

Henning: Der internationale Standard (z.B. STANAG 4586) definiert fünf Stufen und damit den sogenannten „Level of Interoperability“ (LoI): Die Level 1 bis 5 sind folgendermaßen beschrieben:

  • Level 1: Indirekter Empfang / Übertragung von UAV-bezogenen Daten und Metadaten.
  • Level 2: Direkter Empfang / Übertragung von UAV-bezogenen Daten und Metadaten.
  • Level 3: Steuerung und Überwachung der UAV-Nutzlast, nicht der UAV.
  • Level 4: Kontrolle und Überwachung des UAV ohne Start und Landung.
  • Level 5: Steuerung und Überwachung der UAV einschließlich Start- und Landevorgang.

ES&T: Welche Vorteile können sich Streitkräfte durch MUM-T auf dem Gebiet der Fliegerei erhoffen?

Henning: Unbemannte Systeme sollen vor allem für die sogenannten D³ Aufgaben verwendet werden: alles, was „dull, dirty and dangerous“ ist, also Aufgaben, die langwierig, schmutzig oder gefährlich sind. Einen bemannten Hubschrauber mit einem oder mehreren unbemannten Vehikeln zu verbinden muss als Missionseffektivitätsmultiplikator gesehen werden.

ES&T:: Seit wann beschäftigt sich Airbus Helicopters mit diesem Thema?

Henning: Seit mehr als zehn  Jahren – in verschiedenen aufeinander aufbauenden Projekten.

ES&T: Welche Ergebnisse kann das Unternehmen seitdem vorweisen?

Henning: Airbus Helicopters war hier in Europa das erste Unternehmen, das eine LoI 5 Demonstration erfolgreich umgesetzt hat, das geschah bereits im April 2018. Weniger anspruchsvolle Anwendungen sind bereits bis LoI 2 bei der Standardpolizeikonfiguration auf H145 verfügbar und ohne viel Aufsehen im Einsatz.

Im April 2018 demonstrierte ein H145 von Airbus Helicopters und ein S-100 Camcopter von Schiebel einen erfolgreichen MUM-T LoI 5 Flug. (Video: Schiebel)

ES&T: Wo liegen technologische, technische, regulatorische Herausforderungen?

Henning: Wie bereits beschrieben, ist für anspruchsvolle Anwendungen bis LoI 5, die Güte der Assistenzsysteme (KI) die aktuelle technologische Herausforderung. Weitere Herausforderungen bestehen im Bereich der Datenlinks und was die Größe und das Gewicht der Rechner (z. B. Missionscomputer) betrifft. Das gilt sowohl auf dem bemannten als auch auf dem unbemannten System.

Regulatorisch muss für die Verwendung von UAS/ UAV in der zivilen Luftraumorganisation noch einiges passieren. Für reine militärische Operationen sind die Voraussetzungen hinreichend geschaffen. Ziel ist es aber, MUM-T auch im zivilen Bereich einzusetzen, zum Beispiel in der Bergrettung, bei Such- und Rettungseinsätzen, beim Katastrophenschutz, der Energieversorgung und der Verkehrsnetzüberwachung.

ES&T: Ist es zweckmäßig, auch bauliche Veränderungen am Hubschrauber vorzunehmen, wenn die MUM-T-Operation aus dem Hubschrauber heraus durchgeführt werden soll?

Henning: Die notwendigen baulichen Veränderungen für MUM-T hängen vom gewählten LoI ab. Es sind aber immer mindestens Datenlinks und dedizierte Rechner vorzusehen. LoI 2 kann heute bei der H145 bereits mit der Standardpolizeikonfiguration erfüllt werden.

ES&T: Wer übernimmt dann zweckmäßigerweise die Aufgabe der Steuerung des UAV, der Copilot oder eine dritte Person?

Henning: Innerhalb dieses weitgefächerten Aufgabenspektrums ist dies abhängig von Mission und gewählten LoI. Im Rahmen von Polizeimissionen kann der Missionssystemoperator, der bereits heute immer im Hubschrauber mitfliegt, diese Aufgabe gut übernehmen. Bei militärischen Missionen muss das oberste Ziel sein, die Nutzlast des Hubschraubers nicht mit einer dritten Person zu reduzieren und MUM-T z.B. auch in einem Tandemcockpit zu ermöglichen. Deshalb soll der Copilot zukünftig diese Aufgaben übernehmen können. Dies bedingt wiederum eine intelligente Integration mit gut balancierten Assistenzsystemen.

ES&T: Dem Verständnis nach erfordert das MUM-T einen ständigen und gegen Störungen gehärteten Datenaustausch zwischen Hubschrauber und UAV. Steigen damit einhergehend auch das elektromagnetische Emissionsprofil und somit auch die Aufklärbarkeit des Hubschraubers?

Henning: Im Prinzip ist das ein Fakt, der berücksichtigt werden muss. Hier ist ein gutes Design die Lösung (vergl. Punkt: technische Herausforderung oben)

ES&T: Ist MUM-T dann überhaupt dazu geeignet auch in einem LV/BV Szenario eingesetzt zu werden?

Henning: Absolut! Niemand kann immer und überall das gesamte elektromagnetische Spektrum stören. Auch kann „Spoofen“ nur begrenzt eingesetzt werden. Das erfordert sowohl Sendeleistung als auch kurze Distanz zu dem MUM-T Verband bzw.dem UAV. In diesem Zusammenhang muss auch angesprochen werden, dass Störer auf dem Gefechtsfeld als primäre Ziele gelten, sie also ein hohes Risiko eingehen. Darüber hinaus ist die selbstverständliche Gegenmaßnahme eine Erhöhung der Autonomie der unbemannten Systeme und eine im aufklärbaren Spektrum vermehrt passive Rolle des bemannten Hubschraubers.

ES&T: Ist MUM-T nur mit zukünftigen Hubschraubern realisierbar, oder ist auch eine Nachrüstung der Fähigkeit für bestehende Systeme wie bspw. NH 90 und Tiger möglich?

Henning: Diese Fähigkeit kann auch in bereits eingeführte Muster nachgerüstet werden.

ES&T: Welche Herausforderungen gibt es da bezogen auf die einzelnen Muster?

Henning: Die Herausforderung liegt kundenseitig in einem gemeinsamen Verständnis der verschiedenen Stakeholder, des Nutzers, des Beschaffers und der zulassenden Stelle. Das komplett neue Gebiet ist die Zusammenführung der bisher parallelen Welten bemannter Hubschrauber und UAS zu einer gemeinsamen Fähigkeit MUM-T.

ES&T: Was benötigen Sie aus Sicht der Industrie um das Thema MUM-T vorantreiben und einsatzfähig machen zu können?

Henning: Entwicklungstechnisch (ich spreche hier für die H145) sind die Industrieteams aufgestellt. Iterativ müssen wir – wie bei allen geplanten Einführungen grundsätzlich neuer Funktionen – in enger Zusammenarbeit mit den Nutzern, die verschiedenen Behörden in den Prozess stärker miteinbeziehen. Die momentane Arbeit zielt auf die Erschließung neuer Fähigkeiten und die Umsetzung in täglichen Operationen. Den Bereich der Grundlagenforschung haben wir verlassen.

ES&T: Welche Perspektiven bietet MUM-T Ihnen und Ihrem Team?

Henning: MUM-T und das Feld „Unbemannte Operationen“ generell gehören derzeit zu den faszinierendsten Bereichen im Flugzeugbau. Hier kommt vieles an brandneuen Themen in einer realen Anwendung zusammen, um komplett neue Wege zu beschreiten. Das ist doch etwas grundlegend Motivierendes für Ingenieure. Das Team um die H145 empfindet sich als sehr privilegiert hieran arbeiten zu dürfen.

Die Fragen stellte Waldemar Geiger