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Die Hängepartie um neue deutsche Marine-Tanker nimmt kein Ende – rechtlich nicht ganz unbedenklich. Alle Beteiligten wissen Bescheid, die Marine will, es gibt fertige Entwürfe, aber es hakt offenbar an der Kapazität der Behörden.

Wie das Schifffahrtsmagazin HANSA aus gut informierten Kreisen erfahren hat, liegt die Hauptursache der Verzögerungen mittlerweile beim Generalinspekteur der Bundeswehr und in Koblenz: beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw). Demnach unterstützt die Marine die Forderungen nach zeitnahen Neuanschaffungen ebenso wie ein Großteil der Bundestagsfraktionen, unter anderem weil es derartige Schiffe auf dem „Chartermarkt“ nicht gibt. Auch weiß man, dass es einen fertigen und von Experten getesteten Entwurf für moderne und verhältnismäßig günstige Neubauten gibt. Das wäre nicht zuletzt eine Chance für die deutsche Schiffbau- und Zulieferindustrie. Auch die finanziellen Mittel wären vorhanden.

Das Problem, so heißt es, liegt darin, dass das BAAINBw schlicht keine Kapazitäten hat, das vermeintlich umfangreiche Projekt zu bewerkstelligen, weder in der Vorbereitung, noch in der Abwicklung. Dementsprechend ist der Prozess zum Stillstand gekommen.

Das BAAINBw dementiert die Vakanz nicht, verweist aber auch auf eine andere Stelle. Auf Anfrage der HANSA heißt es: „Der Beginn des Vergabeverfahrens ist erst nach Treffen der Auswahlentscheidung durch den Generalinspekteur der Bundeswehr möglich. Die Einrichtung aller erforderlichen sowie die Besetzung derzeit vakanter Dienstposten ist eingeleitet.“

Die Probleme der „Rhön“ und „Spessart“ sind bekannt. Zwischenzeitlich mussten die 1974 gebauten Betriebsstofftransporter sogar in Gänze aus dem Verkehr gezogen und still gelegt werden. Wegen „Altersschäden“ an den Dieselmotoren waren nicht nur die Klasse, sondern auch die sicherheitstechnische Bescheinigung durch die Aufsichtsbehörde der Bundeswehr entzogen worden. Laut dem BAAINBw wurde die Instandsetzung der Antriebsmotoren mittlerweile „erfolgreich abgeschlossen“. So habe die „Spessart“ Mitte Dezember und die „Rhön“ erst kürzlich am 26. März die Klassifikation durch DNV GL wiedererlangt und somit auch die sicherheitstechnischen Bescheinigungen durch die Aufsichtsbehörde für Wasserfahrzeuge.

Doch das ist nur ein Teil der Schwierigkeiten rund um die Veteranen der Deutschen Marine. Ein grundlegendes Problem ist zudem die Bauweise, sprich die Einstufung als Einhüllen-Tanker – auch wenn zumindest ein Teil des Rumpfes doppelwandig ausgelegt ist.

Einsatzfähig?

Seit Jahren ist den meisten Beteiligten klar, dass dringend neue Tanker benötigt werden, aus verschiedenen Gründen. Zum einen geht es um die Einsatzfähigkeit der Marine. Die Tanker dürfen wegen ihrer Einhüllen-Rümpfe in einigen Ländern keine Häfen mehr anlaufen, beispielsweise in den USA. Es musste bereits eine Entsendung der „Spessart“ zu einem NATO-Verbund abgesagt werden, als sie stillgelegt wurde. Einen Ersatz gab es nicht, dafür sei die Marine inzwischen zu klein, sagte seinerzeit der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Andreas Krause. Zum anderen sorgen sich Bundespolitiker um den Ruf Deutschlands als verlässlicher Partner. Auch umweltpolitische Risiken spielen eine Rolle.

Juristische Bedenken

Nicht zuletzt gibt es auch juristische Bedenken. Mithilfe der Einschätzung eines Juristen, die der HANSA vorliegt, berufen sich die Kritiker des derzeitigen Vorgehens auf europäisches Recht. Es geht um eine europäische Verordnung aus dem Jahr 2002, die das internationale Marpol-Übereinkommen umsetzt. Dieses sieht ein Verbot von Einhüllentanker ab 2015 vor, Behördenschiffe sind davon explizit ausgenommen. In der EU-Verordnung heißt es, dass sich die Mitgliedstaaten bemühen, „soweit dies vertretbar und durchführbar ist“, dieser Verordnung auch in Bezug auf die von der Ausnahmeregelung betroffenen Behördenschiffe nachzukommen.

Kritiker meinen nun, dass es der Bundesrepublik Deutschland seit 2002 durchaus vertretbar und durchführbar möglich gewesen sein sollte, einen Ersatz für die Tanker zu besorgen. Es bestehe eine Handlungspflicht der Regierung. Sogar von einem möglichen Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission ist die Rede. Zudem gab es schon im Jahr 2014 einen Antrag der CDU/CDU- und SPD-Fraktion im Verteidigungsausschuss, wonach das BMVg prüfen sollte, „ob eine marktverfügbare Lösung zur Beschaffung von zwei Doppelhüllentankern mit ähnlichen Leistungsparametern wie die bisherigen Einhüllentanker zeitnah realisiert werden kann“. Der Antrag wurde unter anderem mit der Eigenschaft Deutschlands als Hochtechnologieland sowie mit Umweltschutzgründen begründet.

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Dazu befragt, verweist das BAAINBw lediglich auf die Zulassung der Schiffe: „Die Betriebsstofftransporter der Kl. 704 „Rhön“ und „Spessart“ besitzen derzeit eine bis Ende 2019 befristete Zulassung gem. ZDv A-2016/1 „Schiffssicherheit auf Wasserfahrzeugen der Bundeswehr“, Ziff. 701 (Maßnahmen zum Umweltschutz an Bord) zur sicheren Teilnahme am Seeverkehr.“

Bundesregierung bleibt bei Planungen

Die jetzige schwarz-rote Bundesregierung sieht hingegen offenbar keine Notwendigkeit zu übergroßer Eile. „Alle Schiffe der Marine erfüllen die Sicherheitsanforderungen und gesetzlichen Auflagen, die zum Zeitpunkt der Zulassung gültig waren. Wenn sich Gesetze du Verordnungen über den Betriebszeitraum ändern, so werden die auch für Behördenschiffe gültigen Vorgaben umgesetzt“, hieß es im September 2018 in einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage unter anderem der FDP-Fraktion.

Dabei beruft man sich für die bestehenden Einheiten etwa auf die Ausnahmegenehmigung für Behördenschiffe vom Einhüllentanker-Verbot der IMO. Zudem würde die Bauart mit einem Doppelboden, der gleichzeitig in Form von Ballastwasserzellen ausgeführt ist, die Diesel- und Flugkraftstofftanks bei einer Grundberührung schützen, hieß es schon in einer Analyse des BMVg aus dem Jahr 2015. Für etwa die Hälfte der gesamten Dieselkraftstofftanks bestehe durch die Lage der Tanks im Schiffsinneren ebenfalls eine mit der Bauausführung als Doppelhülle vergleichbare Sicherheit.

Allerdings, so wird eingeräumt, grenzt die andere Hälfte mit zumindest einer Seite direkt an die Außenhaut, wodurch die diese Tanks über eine geringere Sicherheit verfügen würden. Offiziell gilt weiter der bisherige Zeitplan. Ursprünglich galt auch schon mal 2019 als Startpunkt. Die Neubeschaffung wurde laut der Bundesregierung im April 2016 eingeleitet. Seither werden „gemäß den geltenden Bestimmungen die erforderlichen Analysen durchgeführt“, hieß es in der Antwort auf die kleine Anfrage. Der „Zulauf“ der Neubauten ist nun ab 2024 vorgesehen, wie auch das BAAINBw bestätigt. Ein Ankauf gebrauchter Tonnage steht nicht zur Debatte, „aufgrund marinespezifischer Anforderungen im weiteren Projektverlauf“ werde dies nicht mehr berücksichtigt, heißt es.

Zum Vergleich: Seit 2008 sollen rund 20 Mio. € pro Schiff in Instandsetzungsarbeiten investiert worden sein. Wie viele Investitionen bis zu einer möglichen Indienststellung von neuen Schiffen noch nötig sind, ist nicht abzusehen. Weitere öffentliche Stellungnahmen sind angesichts der sensiblen Thematik äußerst selten.

Hohe Schäden durch schwere Havarien mit Einhüllentankern

Das Verbot von Einhüllentankern der „International Maritime Organization“ (IMO) war nicht grundlos aufgesetzt worden. Es geht um die potenziell verheerenden ökologischen und finanziellen Schäden, die eine Tanker-Havarie auslösen kann. Die schweren Unfälle der Einhüllen-Tanker „Exxon Valdez“ (1989), „Erika“ (1999), „Prestige“ (2002) und „Hebei Spirit“ (2007) hatten die Politik aufgeweckt.

Hunderte Millionen Euro Schaden waren entstanden, die Gerichte befassten und befassen sich jahrelang mit den Unglücken – ganz zu schweigen von der Sicherheit der Seeleute und den Folgen für Meere und Küsten. Auch in der jüngsten Vergangenheit gab es Havarien mit Tankern: der Grundlauf der „Oriental Nadeshiko“ vor Cuxhaven (2019); die Kollision der Fregatte „Helge Ingstadt“ mit dem Tanker „Sola TS“ (2018) oder die Kollision des Zerstörers „John McCain“ mit dem Tanker „Alnic C“ (2017). Die Folgen waren weniger dramatisch, aber die Frage stand im Raum: Was hätte passieren können, wenn die Schiffe nicht verhältnismäßig modern gewesen wären?

Autor: Michael Meyer ist stellv. Chefredakteur des HANSA – International Maritim Journal

Der Beitrag erschien erstmalig auf Hansa Online des Schiffahrts-Verlages „HANSA“