Nach fast 20 Jahren endete Anfang Juli der militärische und polizeiliche Teil des multinationalen Afghanistaneinsatzes so schnell und unauffällig wie eben möglich. Der entwicklungspolitische Teil soll laut Beteuerungen der Bundesregierung unter erschwerten Bedingungen fortgesetzt werden. Der regelrechte Einsatzabbruch wurde ohne eigene Verluste gemeistert. Die Kollateralschäden der politischen Abzugsentscheidung auf Seiten der bisherigen afghanischen Partner werden bisher kaum thematisiert.
Seit Mai erringen die Taliban rasant und oft ohne Gegenwehr die Kon-
trolle über immer mehr Distrikte und Grenzübergänge (mit ihren Zolleinnahmen) und umzingeln etliche Provinzstädte. Eine – zumindest weitgehende – Machtergreifung der Taliban scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Davor haben vor allem die Bevölkerungsgruppen enorme Angst, die Freiheiten verlieren würden und unter der früheren Taliban-Herrschaft extrem gelitten haben – insbesondere Frauen, die Ethnie der Hazara, gebildete und reform-
orientierte junge Leute.
Schutzpflicht gegenüber der eigenen Bevölkerung
Zu Ende ging jetzt das größte, teuerste und bei Weitem opferreichste Krisenengagement der (westlichen) Staatengemeinschaft und der NATO. Über viele Jahre war Afghanistan das Schwerpunktland deutscher Auslandseinsätze und Entwicklungszusammenarbeit.
Nach dem Schock des 11. September 2001, der Terroranschläge auf New York und Washington, lag für die übergroße Mehrheit des Bundestages auf der Hand, dass praktische und deutliche Bündnissolidarität mit den angegriffenen USA unumgänglich war: bei der Verfolgung der Drahtzieher der Terrorangriffe, bei der Beseitigung des sicheren Hafens internationaler Terrornetzwerke in Afghanistan, bei der Verhütung weiterer Terrorangriffe.
Die Staatenwelt und wir in der damaligen rot-grünen Koalition waren gefordert, die eigene Bevölkerung vor unabsehbaren weiteren Terroranschlägen zu schützen. Erstmalig befanden sich damit Alt-Friedensbewegte von Grünen und SPD in einer Schutzpflicht für die eigene Bevölkerung und in einer Großgefahrenabwehr gegenüber harten internationalen Sicherheitsbedrohungen.
Die Entscheidung zur deutschen Teilnahme an der US-geführten Operation „Enduring Freedom“ war in der rot-grünen Regierungskoalition nichtsdestoweniger heiß umstritten.
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