Deutsche Ukraine-Hilfe: Ausbildung statt „Taurus“?
Dr. Gerd Portugall, M.A.
Die Bundeswehr berichtet am 3. Januar auf ihrer Homepage über ihre Infanterieausbildung „Fighting in Complex Terrain“ für ukrainische Soldaten im Rahmen der „European Union Military Assistance Mission Ukraine“ (EUMAM UA). Dabei lernen ukrainische Militärangehörige auf einem Truppenübungsplatz des Ausbildungszentrums Nord unter anderem taktische Grundlagen für den Orts- und Häuserkampf, aber auch beispielsweise für den Waldkampf.
Am selben Tag, dem 3. Januar, fand in Berlin auch die erste Regierungspressekonferenz im neuen Jahr statt. Angesprochen auf die jüngsten massiven Luftangriffe Russlands auf die zivile Infrastruktur in der Ukraine, betonte Steffen Hebestreit – Regierungssprecher sowie Chef des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung – sogar zwei Mal, dass der Ukraine das Militärgerät geliefert werde, „das wir für verantwortbar halten.“ In diesem Zusammenhang sagte er, ein handlungsleitendes Prinzip der Bundesregierung sei es, zu verhindern, dass Deutschland und die NATO zur Kriegspartei würden.
In der russischen Wahrnehmung sind jedoch Deutschland und die NATO sicherlich de facto – wenn auch nicht de jure – längst Kriegspartei. Dies ist insofern völkerrechtlich unschädlich, da die UN-Charta ihren Mitgliedsstaaten ausdrücklich Waffenlieferungen an den Angegriffenen – hier die Ukraine – erlaubt. Hingegen erfüllen die Waffenlieferungen der Islamischen Republik Iran und der Demokratischen Volksrepublik (Nord-)Korea an den Aggressor Russland den Tatbestand der Beihilfe zum Kriegsverbrechen des russischen Angriffskrieges.
Auf die Frage nach dem Munitionsmangel der Ukraine erwiderte Hebestreit: „Da ist der limitierende Faktor die Produktion.“ Mit anderen Worten: Er schiebt hierbei den „Schwarzen Peter“ der wehrtechnischen Industrie in Deutschland zu.
„Taurus“ wird angeblich immer noch geprüft
Anschließend wurde Hebestreit nach dem aktuellen Stand der „Taurus“-Prüfungen angesprochen. Dazu sagte Hebestreit: „Zum Thema ‚Taurus‘ gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keinen neuen Stand.“ Insgesamt vier Mal wurde er von verschiedenen Medienvertretern zum Thema „Marschflugkörper ‚Taurus‘ aus deutscher Produktion“ nachgefragt. Darauf erwiderte der Regierungssprecher im Rang eines beamteten Staatssekretärs, er hätte die Nachfragen nach dem Umfang deutscher Waffenhilfe „mit dem Verweis auf Luftverteidigung“ beantwortet.
Diese Aussage irritiert insofern, als es sich bei der Luftverteidigung – wie es bereits der Name sagt – um defensive Systeme handelt. Der weit reichende Marschflugkörper „Taurus“ ist hingegen eine Offensivwaffe, die Bodenziel im Hinterland des Gegners bekämpfen kann. Mit anderen Worten: Der Hinweis auf die Luftverteidigung kann gar nicht die Fragen nach „Taurus“ beantworten, da hier offenkundig „Birnen mit Äpfeln“ verglichen werden.
„Ich kenne mich im Militärischen nicht aus“, bekennt hingegen offen Alt-Bundespräsident Joachim Gauck gegenüber der jüngsten Ausgabe der „Bild am Sonntag“, „aber ich habe mit Menschen gesprochen, die über das notwendige militärische Wissen verfügen. Und nach diesen Gesprächen kann ich nicht mehr nachvollziehen, dass wir zögern, diese Waffe und weitere Munition zu liefern.“
Bei der westlichen Ausbildung von ukrainischen F-16-Piloten verhält es sich komplexer: Das Mehrzweck-Kampfflugzeug aus US-Produktion kann nämlich sowohl defensiv als Abfangjäger gegenüber offensiven Feindbombern als auch selbst als Jagdbomber zur Bekämpfung von Bodenzielen eingesetzt werden. Dass die Bundeswehr selbst die F-16 nicht fliegt, ist insofern kein überzeugendes Argument für die deutsche Nicht-Beteilung bei der Pilotenschulung, als Großbritannien sich daran sehr wohl beteiligt und die Royal Air Force die F-16 bekanntlich ebenfalls nicht fliegt.
Dr. Gerd Portugall, M.A.