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Ein neuer Luft-Luft-Flugkörper kurzer Reichweite gegen Flugzeuge der 5. und 6. Generation, ein Anti-Torpedo-Torpedo, ein unbemanntes Bodensystem zur direkten Feuerunterstützung und ein Projekt zum Schutz kritischer Infrastruktur am Meeresboden. An diesen vier der insgesamt elf neuen europäischen Rüstungsprojekte beteiligt sich Deutschland. Frankreich hingegen nimmt an deutlich mehr Projekten teil und setzt damit den bisher zu beobachtenden Trend fort.

Formal ins Leben gerufen wurden die elf neuen Projekte durch den Beschluss des Ministerrats der Europäischen Union am 23. Mai. Dabei handelt es sich um die fünfte Welle europäischer Rüstungsprojekte, die im Rahmen der ständigen strukturierten Zusammenarbeit der EU (PESCO) verabschiedet wurden. Die Gesamtzahl der Vorhaben steigt damit auf 72. Vier davon sind laut der offiziellen PESCO-Webseite abgeschlossen.

Die elf neuen Projekte

Bei den neuen elf Projekten handelt es sich laut der PESCO-Webseite um die folgenden:

Projekt Zukünftiger Luft-Luft-Flugkörper kurzer Reichweite (Future Short-Range Air to Air Missile, FSRM)
Ziel Ziel des Projekts ist die Entwicklung von Konzepten und operationellen Anforderungen für einen Kurzstrecken-Luft-Luft-Flugkörper (Short-Range Air to Air Missile, SRAAM) zur Abwehr moderner Kampfflugzeuge der 5. und künftigen 6. Generation sowie luftgestützter Bedrohungen im Rahmen eines Sechs-Säulen-Konzepts bis 2030.
Koordinator Deutschland
Teilnehmer Deutschland, Spanien, Italien, Ungarn, Schweden

 

Projekt Anti-Torpedo-Torpedo (ATT)
Ziel Das Projekt zielt darauf ab, einen entwickelten Anti-Torpedo-Demonstrator zur Serienreife zu bringen, mit einem qualifizierten Effektor und einer erprobten Funktionskette.
Koordinator Deutschland
Teilnehmer Deutschland, Niederlande

 

Projekt Schutz kritischer Infrastruktur am Meeresboden (Critical Seabed Infrastructure Protection, CSIP)
Ziel Das Projekt zielt darauf ab, die operative Effizienz der EU beim Schutz kritischer maritimer Infrastrukturen zu erhöhen, indem die derzeitigen und die Entwicklung künftiger Unterwassermittel optimal genutzt werden.
Koordinator Italien
Teilnehmer Italien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Portugal, Schweden

 

Projekt Integriertes unbemanntes Bodensystem 2 (Integrated Unmanned Ground System 2, IUGS 2)
Ziel Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines unbemannten Bodensystems, das in der Lage ist, mit anderen unbemannten Roboterplattformen und bemannten Schützenpanzern oder Kampfpanzern zusammenzuarbeiten, um diese auf dem Gefechtsfeld umfassend zu unterstützen, sowohl logistisch als auch durch direkte Feuerunterstützung.
Koordinator Estland
Teilnehmer Estland, Deutschland, Frankreich, Italien, Lettland, Ungarn, Niederlande, Finnland, Schweden

 

Projekt Artillerieortungsradar (Counter Battery Sensor, COBAS)
Ziel Das Projekt zielt darauf ab, die Anforderungen an ein künftiges, auf einer Vielzahl von Sensoren basierendem Artillerieortungssystem zu harmonisieren, um eine Weiterentwicklung der Fähigkeiten im Zeitraum 2030-2035 zu ermöglichen und gleichzeitig die Interoperabilität zu gewährleisten und gemeinsame Konzepte zu entwickeln.
Koordinator Frankreich
Teilnehmer Frankreich, Niederlande

 

Projekt Mittlerer Transporthubschrauber der nächsten Generation (Next Generation Medium Helicopter, NGMH)
Ziel Ziel des Projekts ist es, kohärente Lösungen für künftige EU-Drehflüglerfähigkeiten durch die Entwicklung neuer Plattformen und die Modernisierung bestehender Plattformen (z. B. NH90) zu schaffen.
Koordinator Frankreich
Teilnehmer Frankreich, Spanien, Italien, Finnland

 

Projekt Integriertes Luftverteidigungssystem (Integrated Multi-Layer Air and Missile Defence System, IMLAMD)
Ziel Ziel des Projekts ist es, ein innovatives Konzept für die künftige integrierte Luftverteidigung zu entwickeln und die neuen Funktionen des BMC4I-Moduls (Battle Management, Command, Control, Communication, Computer, Intelligence), die für die neue integrierte luftverteidigungs Architektur erforderlich sind, zu entwickeln.
Koordinator Italien
Teilnehmer Italien, Frankreich, Ungarn, Schweden

 

Projekt Robuste Kommunikations- und Netzwerkstruktur (Robust Communication Infrastructure and Networks, ROCOMIN)
Ziel Das Projekt zielt darauf ab, die Fähigkeiten der EU im Bereich der taktischen und operativen Mobilität von Streitkräften im Einsatz zu verbessern, indem die Aktivitäten im Bereich robuster Kommunikationsinfrastrukturen und -netze identifiziert, initiiert und erleichtert werden.
Koordinator Schweden
Teilnehmer Schweden, Estland, Frankreich

 

Projekt Arktisches Führungs-, Effektor- und Sensorsystem (Arctic Command & Control Effector and Sensor System, ACCESS)
Ziel Das Projekt zielt auf die Entwicklung eines konvergenzbasierten multifunktionalen Systems ab, das den Entwurf eines Konzepts für eine neue Generation skalierbarer und multifunktionaler Ausrüstungen in Bezug auf Größe, Gewicht, Leistung und Kosten umfasst, die unter arktischen Bedingungen eingesetzt werden können.
Koordinator Finnland
Teilnehmer Finnland, Estland, Frankreich, Schweden

 

Projekt  Europäische Lufttransportausbildungsakademie (European Defence Airlift Training Academy, EDA-TA)
Ziel Das Projekt zielt auf die Schaffung eines Netzes von drei Schulen ab, um eine europäische Lösung für die Umschulung von militärischen Transportluftfahrzeugführern anzubieten. Darüber hinaus soll es die Ergebnisse der Arbeit an der „Transport Pilot Training Capacity“ vorantreiben, insbesondere das europäische Programm für „Undergraduate Military Transport Pilot Training“.
Koordinator Frankreich
Teilnehmer Frankreich, Spanien, Italien, Ungarn, Portugal

 

Projekt ROLE 2F
Ziel Ziel des Projekts ist die Steigerung der gemeinsamen operativen Effizienz der EU durch die Entwicklung eines Konzepts für medizinische Teams und die Sicherstellung einer kontinuierlichen Gesundheitsversorgung für Luft-, Land-, See- und Spezialeinsatzkräfte, um den Befehlshabern der Streitkräfte eine entscheidende Fähigkeit zu bieten.
Koordinator Spanien
Teilnehmer Spanien, Bulgarien, Frankreich, Portugal, Finnland, Schweden

Frankreich deutlich aktiver als Deutschland

Zu erkennen ist, dass sich auch in der fünften Welle an PESCO-Projekten der Trend fortsetzt, dass Frankreich – mit neun Projekten – im Vergleich zu Deutschland – mit vier Projekten – an deutlich mehr Vorhaben beteiligt ist. Bezogen auf alle 72 verabschiedeten PESCO-Projekte beteiligt sich Frankreich an 58 und Deutschland lediglich an 27.

Zwar geht es bei den meisten Vorhaben der strukturierten Zusammenarbeit erst einmal darum, dass sich die teilnehmenden Staaten gemeinsam auf Anforderungsprofile für Systeme oder Prozesse einigen. Erst in möglichen weiteren Schritten können sich darauf aufbauend dann konkrete Entwicklungsmaßnahmen entwickeln. Dennoch hat ein Land, dass sich nicht bereits bei der Erstellung des gemeinsamen Anforderungsprofils eingebracht hat auch weniger Einfluss auf den zukünftigen Verlauf des Projekts. Hier scheint Frankreich zum Ziel zu haben, sich bei möglichst vielen Vorhaben einzubringen und diese auch entsprechend der eigenen Vorstellungen zu beeinflussen.

Mehr als nur Projekte

PESCO ist aber mehr als die bloße Anzahl an Projekten, an denen mal mehr und mal weniger Staaten teilnehmen. Ziel der ständigen strukturierten Zusammenarbeit ist es eine Harmonisierung und Verflechtung der europäischen Streitkräfte zu erreichen sowie gemeinsame Lösungen für militärische Bedarfe zu entwickeln.

Um diese Ziele zu erreichen, haben sich die Staaten zu insgesamt 20 politischen Verpflichtungen bekannt, zum Beispiel, ihre Verteidigungshaushalte regelmäßig zu erhöhen, Personal für EU-Missionen bereitzustellen, gemeinsame Standards zu entwickeln und einzuhalten, mit der European Defence Agency (EDA) zusammenzuarbeiten und das Coordinated Annual Review on Defence (CARD) zu unterstützen.

CARD sowie der European Defence Fund (EDF) flankieren PESCO, indem einerseits Fähigkeitslücken und Harmonisierungsmöglichkeiten offengelegt werden (CARD) und andererseits gemeinschaftliche Projekte unter bestimmten Voraussetzungen durch EU-Gelder gefördert werden (EDF).

Ein aussagekräftiges Fazit über die Wirkung der PESCO-Projekte lässt sich aktuell nur schwer ziehen, da bisher kaum Vorhaben abgeschlossen sind. Die EDA rechnet damit, dass zwischen 24 und 26 Projekte bis zum Jahr 2025 ihre Einsatzreife erreichen werden. Dann sollte sich zeigen, wie viele der Projekte tatsächlich einen Mehrwert im Sinne der beschriebenen Ziele bieten.

Redaktion / oh