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In den kommenden Monaten steht die Unterzeichnung der Beschaffungsverträge für das Kampfflugzeug F-35 und für den schweren Transporthubschrauber CH-47 der Deutschen Luftwaffe an. Beides Produkte aus US-amerikanischer Fertigung. Unterdessen zeigt sich der Bundesverband der deutschen Luftfahrtindustrie (BDLI) besorgt über den aktuellen Stand der Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den zuständigen US-Behörden. Denn eine Beteiligung deutscher Luftfahrtunternehmen an Wartung und Instandhaltung in der jahrzehntelangen Nutzungsphase der Flugzeugmuster wird laut dem Verband gegenwärtig von Deutschland nicht verlangt.

„Von Seiten der Bundesregierung gibt es keinerlei Forderungen Richtung der Vertragspartner, dass die deutsche Industrie beteiligt wird. Weder im Rahmen von Produktion aber auch nicht im Hinblick auf Betreuungsaufgaben“, sagte Martin Kroell, Mitglied des BDLI-Präsidiums, bei einem Mediengespräch des Verbandes. Neben Kroell nahmen auch noch Gerardo Walle, BDLI-Vizepräsident Luftfahrt, Ausrüstung und Werkstoffe, sowie Wolfgang Schoder, Mitglied des BDLI-Präsidiums, am Gespräch teil.

Unter nationaler Betreuungsfähigkeit versteht der BDLI die Möglichkeit, dass deutsche Unternehmen sowohl in die Wartung als auch in die Instandhaltung der Systeme F-35 des Herstellers Lockheed Martin und CH-47 des Unternehmens Boeing eingebunden werden. Darüber hinaus sollte es zudem die Möglichkeit geben, die Waffensysteme, die sich voraussichtlich über 30 Jahre im Dienst der Bundeswehr befinden werden, national weiterzuentwickeln und auf mögliche zukünftige deutsche Bedarfe anpassen zu können.

Zwar ist offenbar ein zweiter Vertragsschluss bezüglich nationaler Betreuungsaufgaben geplant, der BDLI sieht jedoch die Gefahr, dass man bei den späteren Verhandlungen deutlich schlechter abschneidet, wenn nicht bereits im Haupt-Beschaffungsvertrag eine Beteiligung der deutschen Industrie festgelegt wird. „Es geht nicht darum, in jedem Detail diese Betreuungsfähigkeit auszuarbeiten, aber durchaus eben, dass man diese Forderungen bereits bei der Beschaffung formuliert und in den Vertrag mit einbindet“, sagte Walle.

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Das Triebwerk einer CH-47 Chinook (Foto: Honeywell)

Dass solche Forderungen nach spezifischen nationalen Industriebeteiligungen und Wertschöpfungsketten nicht ungewöhnlich sind, zeigt das Beispiel der Schweiz. Die Beschaffungsbehörde der Alpenrepublik, armasuisse, forderte in Bezug auf den Kauf der F-35: „Bei der Beschaffung neuer Kampfflugzeuge muss der Hersteller Lockheed Martin 60 Prozent des ihm zukommenden Vertragswertes durch Offsetgeschäfte in der Schweiz kompensieren […].“ Weiterhin wurde vorgegeben, wie viel Prozent der Wertschöpfung in welcher Region der Schweiz stattfinden muss.

Ähnliche Forderungen, wenn auch nicht so detailliert, sind von Finnland bekannt. Beides Länder, die wie Deutschland die F-35 über das Verfahren „Foreign Military Sale“ (FMS) beschaffen.

Laut Aussage von Schoder, der zugleich Chef von Airbus Helicopters Deutschland ist, herrscht auch bei den US-Herstellern, im Fall der CH-47, insbesondere bei Boeing, eher Verwunderung, dass es bisher keine Forderungen in dieser Hinsicht von der Bundesregierung gibt.

Warum die Bundesregierung bisher keine konkreten Forderungen eingebracht hat, erklärte Schoder wie folgt: „Es wurde nicht vergessen. Dass, was uns gegenüber geäußert wurde ist, dass das BMVg eine zusätzliche Komplexität durch eine deutsche Beteiligung befürchtet. Sie fürchten, dass die amerikanischen Hersteller die Forderungen dazu nutzen, die Preise entsprechend zu erhöhen und das Programm teurer zu machen.“

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Das es zu zusätzlichen Kosten kommt bei einer Einbindung der deutschen Industrie bestreiten die Vertreter des BDLI nicht. Diese Kosten seien aber zu vernachlässigen, wenn man sich den gesamten Lebenszyklus der Systeme anschaue sowie die vielen weiteren Vorteile, die eine nationale Betreuungsfähigkeit mit sich bringen würde.

Als Beispiel nannte Schoder die Beschaffung der CH-47 mit einem Volumen von etwa sechs bis sieben Milliarden Euro. Hier sei bei einer Nutzungsdauer von 40 bis 50 Jahren mit Lebenszykluskosten von 25 bis 30 Milliarden Euro zu rechnen. Dieses Geld würde ohne die Einbindung deutscher Unternehmen komplett in die USA gehen und keine Wertschöpfung in Deutschland produzieren, wodurch der Staat letztlich auch Steuereinnahmen erhalten würde, vermutet der Manager.

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Eine F-35A des Herstellers Lockheed Martin (Foto: Lockheed Martin)

Darüber hinaus fürchten die Vertreter des BDLI, dass eine zu große Abhängigkeit gegenüber den USA entstehen könnte. Es habe sich bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass bei einem Einsatz der amerikanischen Streitkräfte mit einem hohen Materialbedarf, die Versorgungskette der US-Industrie keine ausländischen Kunden mehr bediene, sondern vollständig auf das US-Militär fokussiert sei, berichtete Schoder. Er könne nur davor warnen, dass sich die Bundeswehr in eine solche Abhängigkeit begebe.

Neben den Vorzügen von resilienten, unabhängigen und souveränen Lieferketten sowie Instandhaltungsfähigkeiten warnten die Vertreter des BDLI zudem vor der Gefahr, dass viel Fachwissen verloren gehen würde, käme es zu keiner Einbeziehung deutscher Unternehmen. „Wenn einmal solche Arbeitsplätze wegfallen, dann sind sie weg und auch für immer weg und kommen dann auch nicht wieder. Das ist kein Schalter, den man umlegen kann“, betonte Kroell. Dies werde sowohl bestehende militärische Systeme wie auch die Möglichkeit zur Entwicklung zukünftiger Systeme beeinflussen, befürchtet er.

Auch die Interoperabilität zwischen bestehender bzw. zukünftiger Flugzeugtechnik wie dem Future Combat Air System und den US-Systemen könne nur gelingen, wenn man alle Plattformen in ihrer Wirkung, ihrem Aufbau und ihrer Veränderungsmöglichkeiten kenne und nicht vor vielen Black Boxes stehe, verdeutlichte Walle.

Unterm Strich dürfe die Bundesregierung jetzt keine kurzfristigen Einsparmöglichkeiten präferieren, sondern müsse eine strategische Industriepolitik verfolgen, um die deutsche Luftfahrtindustrie wettbewerbsfähig und die Waffensysteme unabhängig, eigenständig und langfristig betreiben zu können, forderten die Vertreter des BDLI.

Eine zuvor angefragte Stellungnahme des Verteidigungsministeriums zu den Forderungen des BDLI war bis Redaktionsschluss nicht eingegangen.

Ole Henckel