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Nachdem die Bundesregierung gestern in einer Antwort auf eine Parlamentsanfrage mitgeteilt hat, dass sie eine Auslieferung des Mehrzweckkampfschiff 180 für 2028 plant, geht nun die Auftragsvergabe mit schnellen Schritten weiter. Die Lieferung und Integration des Führungs- und Waffeneinsatzsystems wird Thales übernehmen. Der Hauptauftragnehmer für das Projekt Damen hat am 17.11. einen entsprechenden Vertrag mit Thales unterzeichnet.

Screenshot: Thales

Damit lüftet sich ein Schleier über die Ausstattung der vier Fregatten der Deutschen Marine. Thales wird sein Führungs- und Waffeneinsatzsystem Tacticos sowie das AWWS-Feuerleitsystem (Above Water Warfare System) liefern. Diese ermöglichen die Einbindung von NSM (Naval Strike Missile, Kongsberg), ESSM Block 2 (Evolved Sea Sparrow Missile, Raytheon), RAM (Rolling Airframe Missile, Raytheon/Diehl BGT) und der 127mm-Artillerie von Vulcano sowie des TRS-4D-Überwachungsradars von Hensoldt.

Screenshot: Thales

Aus den aktuellen Mitteilungen, darunter einem YouTube-Video, lässt sich entnehmen, dass Thales mit seinem Führungs- und Waffeneinsatzsystem Tacticos die Komponenten für Satellitenkommunikation, das Überwachungssystem Gatekeeper, das Feuerleitsystem Mirador und das neue X-Band-Multifunktionsradar APAR Blk 2 vorsieht.

APAR Blk2 ermöglicht die gleichzeitige Bekämpfung von Luft- und Überwasserzielen. Laut Thales wird seine Leistungsfähigkeit nur durch die Feuerrate des betreffenden Effektors begrenzt., Foto: Thales

Der Auftrag im Wert von 1,5 Milliarden Euro, der durch die Thales Marine-Kompetenzzentren in Hengelo (Niederlande), Kiel und Wilhelmshaven realisiert werden soll, umfasst vier Schiffssysteme, Logistikdienstleistungen und verschiedene Test- und Trainingsstandorte an Land sowie die Option für ein oder zwei weitere Schiffe. Thales wird mit einer beträchtlichen Anzahl an Unterlieferanten in Deutschland zusammenarbeiten. Für die vier Mehrzweckkampfschiffe 180 sind im Bundeshaushalt insgesamt 5,72 Milliarden Euro berücksichtigt. Die Auslieferung der vier Mehrzweckkampfschiffe an die Bundeswehr – so auch die gestrige Parlamentsmitteilung – soll Mitte 2028 beginnen und bis Mitte 2032 abgeschlossen sein.

Damen verweist darauf, dass die deutsche Marineschiffbauindustrie in das Projekt eingebunden ist. Der Wertschöpfungsanteil deutscher Unternehmen liegt in Höhe von 80 Prozent der Gesamtinvestition. Sowohl Damen als auch Thales sehen in dem Abschluss eine Bestätigung ihres Bestrebens, eine stärkere Zusammenarbeit mit Werften und Partnerindustrien in europäischen Marinebauprogrammen zu realisieren. Beide Unternehmen betonen die „bewährte Kooperation der deutschen und niederländischen Marineindustrie“. Hein van Ameijden, Managing Director von Damen Schelde Naval Shipbuilding: „Dieses binationale Projekt ist ein perfektes Beispiel für die deutsch-niederländische Zusammenarbeit in der Verteidigungsindustrie. Es kann als Anstoß für weitere zukünftige bi- oder multinationale Projekte im Rahmen der europäischen Zusammenarbeit dienen. Zusammen mit Thales und Blohm+Voss realisieren wir ein Projekt, das nicht nur den Anforderungen der Deutschen Marine entspricht, sondern auch einen wichtigen Beitrag für das Setzen europäischer Standards leisten wird. Wir erhalten Schiffbau-Kompetenz in Deutschland, den Niederlanden und damit auch in Europa insgesamt.“

Komponenten

Gatekeeper verfügt über bis zu vier Sensoreinheiten mit jeweils nicht gekühltem Infrarot- und drei TV-Kameras mit einer kombinierten Ansicht von 120° im Azimut. Das 360° -Überwachungsbild ist für mehrere Bedienstationen verfügbar, wobei jedem Bediener ein eigenes „softwaregesteuertes Fenster“ zur Verfügung steht.

Gatekeeper ist Thales‘ Neuentwicklung in der Produktfamilie der passiven Überwachung. Eine nicht rotierende IR / TV-Kamera-Konfiguration soll einen kontinuierlichen visuellen 360-Grad-Panoramablick der Schiffsumgebung bieten. Insbesondere für den Nahbereich von Schiffen im Hafen, vor Anker oder beim Navigieren in schwierigen Gewässern auch gegen kleine Überwasserziele geeignet, Foto: Thales

Das optronische Feuerleitsystem Mirador ist ein kompaktes, digitales elektrooptisches System zur Beobachtung und Zielverfolgung. Die Vorgängerversion von APAR Blk2, APAR, ist derzeit auf den vier Fregatten der De Zeven Provinciën-Klasse der Königlich Niederländischen Marine, den drei Fregatten der Sachsen-Klasse (F124) der Deutschen Marine und den drei Patrouillenschiffen der Iver Huitfeldt-Klasse der dänischen Marine im Einsatz. Hinsichtlich Schiff-Luft-Flugkörpern unterstützt APAR Blk 2 ESSM Block2 und die zukünftige Standard Missile-Familie. AWWS ist ein Gefechtsführungssystem, dessen Entwicklungsauftrag Thales im Jahr 2019 für die neuen M-Fregatten der belgischen und niederländischen Marine unterzeichnet hat.

 

Mirador erlaubt dank seiner Kombination aus Farbfernsehkamera, IR-Kamera, optionaler Low-Light-Kamera und augensicherem Laser-Entfernungsmesser Überwachungs- und Verfolgung von Zielen und ermöglicht auch Naval Gunfire Support, Foto: Thales

Aus den bekannten Details lässt sich ableiten, dass für die Unterwasserwelt eventuell ein anderer Hersteller zum Einsatz kommen könnte.

Andere namhafte Lieferanten für Führungs- und Waffeneinsatzsysteme sind Saab, Lockheed Martin, Elbit, DCNS/Naval Group, Atlas Elektronik und kta naval systems.

Aus dem Bundesamt für Beschaffung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr und aus der Marine waren keine Stellungnahmen verfügbar.

Hans Uwe Mergener

Das Mehrzweckkampfschiff 180 … bald F126 Klasse, Foto: Damen Schelde Naval Shipbuilding