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Am 13. Februar stellte Naval Group in der französischen Botschaft in Athen einen Kooperationsplan vor, in dessen Kern die Akquise von zwei Fregatten der Belh@rra-Klasse (Exportbezeichnung. In Frankreich als FDI benannt – Frégate de Défense et d’Intervention) für die griechische Marine steht. Dies geht aus einem Kommuniqué des Pariser Unternehmens vom 14. Februar hervor.

Damit materialisiert sich für die seit 2008 in Athen vertretene Naval Group ein zähes Beschaffungsverfahren und für das Elysée die Verstärkung der strategischen Allianz zwischen Griechenland und Frankreich (mehr Hintergrundinformationen: siehe ESuT Bericht im Vorfeld).

„Wir wollen eine langfristige Partnerschaft mit der hellenischen Industrie aufbauen und den Erfolg des Fregattenprogramms sowie die griechische Souveränität durch einen umfassenden Technologietransfer gewährleisten. Die lokale Industrie wird das Know-how beherrschen, das zur Unterstützung des gesamten Lebenszyklus der Fregatten erforderlich ist. “ Alain Guillou, Executive Vice President Development der Naval Group

Griechenland – Hub maritimer Innovation

Naval Group beabsichtigt eine enge Kooperation mit dem Käufer – nicht nur auf Seiten der hellenischen Marine, sondern auch mit der Industrie. Der Kooperationsplan, so Alain Guillou, „zielt darauf ab, die regionale maritime Überlegenheit der griechischen Marine sicherzustellen und die griechische Industrie bei der Vorbereitung der Marineverteidigung von morgen zu unterstützen“. Konkret will Naval Group neben einem Ingenieurzentrum für Entwicklungsstudien der Zukunft ein digitales Support-Zentrum aufbauen, das e-Maintenance und andere Sparten des digitalisierten Schiffbaus, Logistik eingeschlossen, bedienen soll. Für die Ausbildung von Besatzungen und Wartungsteams sollen Simulationsanlagen aufgebaut werden.

Da Frankreich selbst auch fünf FDI betreiben wird, die erste der Klasse soll 2023 fertiggestellt sein  und 2025 der französischen Marine zulaufen, will man – ebenfalls in Griechenland – eine Einrichtung   begründen, die die Integration von System- und Waffen-Updates während der über 30-jährigen Nutzungsperiode sicherstellt. Somit – anscheinend auch politisch unterstützt – soll in Griechenland ein „Kompetenzzentrum für Innovationen in der Seekriegsführung“ entstehen. „Wir wollen, dass Griechenland im Zentrum der europäischen Marineinnovation steht“, so Alain Guillou.

Aufbauend auf den guten Erfahrungen mit einem griechischen Zulieferer für sein U-Boot-Bauprogramm will Naval Group mittels des FDI-Projekts verschiedene Akteure der französischen Marineindustrie dazu bringen, in das Land zu investieren und Partnerschaften mit griechischen Unternehmen aufzubauen, um über Jahrzehnte hinweg Mehrwert und Arbeitsplätze zu schaffen. Im Zeichen der Annäherung zwischen beiden Ländern, zeichneten GICAN (Groupement des Industries de Construction et Activités Navales – vergleichbar in etwa mit VSM) und SEKPY (Association of Hellenic Manufacturers of Defence Material – vergleichbar in etwa mit BDSV) auf gleichen Veranstaltung ein Übereinkommen zur Zusammenarbeit. Darüber hinaus beabsichtigt der französische Schiffbauer, die Entwicklung griechischer Startups und KMU zu unterstützen. Diesbezüglich arbeite man bereits mit griechischen Partnern im Rahmen verschiedener europäischer (auch PESCO-) Programme zusammen. Naval Group konnte acht griechische Unternehmen Ende 2019 als Lieferanten gewinnen. Die entsprechenden Absichtserklärungen zu deren Beteiligung an zukünftigen Programmen wurde ebenfalls am 13. Februar abgegeben. Etwa 20 weitere seien derzeit unter Prüfung.

GICAN-Vizepräsident Louis Le Pivain: „Es ist eine Ehre, diesen Gründungsakt in Athen für die Zusammenarbeit zwischen unseren Marine-Verteidigungsstützpunkten zu unterzeichnen. Unsere Unternehmen, insbesondere die PME und die ETI in diesem Sektor, müssen sie jetzt nutzen, um das Beste aus diesem Abkommen zu machen, im Einklang mit den derzeitigen Verteidigungsprioritäten Europas und den bilateralen Verpflichtungen Frankreichs und Griechenlands.“ (Anmerkung: PME und ETI können in der deutschen Begriffswelt als KMU subsummiert werden. Französisch wird bei mittelgroßen Betrieben differenziert in ‚klein und mittel‘ (petit et moyen) sowie ‚mittelgroß‘ (intermediaire)).

Strategische Aufstellung

Neben Naval Group, die im Übrigen mit einer Reihe von griechischen Gesellschaften Vereinbarungen abschloss, mit denen der französische Schiffbauer teilweise schon lange in Verhandlungen stand (AKMON, ELFON, MEVACO, METKA, MILTECH, et TELETEL), konnten die ebenfalls an Belh@rra beteiligten Thales und MBDA mit hellenischen Partnern Verpflichtungen eingehen (mit SSA und MILTECH). Abschlüsse mit etwa 20 weiteren Unternehmen seien derzeit in Vorbereitung.

Auf wissenschaftlicher Seite wurden Partnerschaften mit drei Universitäten eingegangen – der Technischen Universität von Athen (Energie, Verbundwerkstoffe), der Universität von Patras ((Flug-) Drohnen) und der Universität von Kreta (Robotik, Fabrikation 4.0).

Die von Paris auf den Weg gebrachte strukturierte und langfristige Partnerschaft mit der maritimen griechischen Industrie stellt sich als eine konzertierte Aktion dar, die anscheinend während des Treffens zwischen dem französischen Staatspräsidenten und dem griechischen Premierminister am 29. Januar 2020 den entscheidenden Impuls erhielt. Im Rahmen verschiedener europäischer Programme (auch PESCO) arbeitet man bereits zusammen. Griechenland unterstützt Frankreich bei EMASOH und hat eine personelle zumindest Beteiligung in Aussicht gestellt.

Der Erfolg war lange fraglich. Transatlantisch wurden Offerten lanciert, um Athen zu einem Kauf in den USA zu bewegen. Lockheed Martin bot gleich vier Fregatten des Designs LCS (Littoral Combat Ship) zum Preis von zweien an – immerhin noch zwei Milliarden Euro. Auch andere Kompensationsgeschäfte (Hubschrauber, Nachfolger für F-16) standen wohl zur Diskussion. Letztendlich blieb Athen Paris verbunden. In der EU trägt Frankreich einen Löwenanteil von Griechenlands Schulden in Höhe von prognostiziert 338,55 Milliarden Euro 2024 (Angaben von statista.com): nach Angaben in französischen Medien 40-50 Milliarden Euro.

Hans Uwe Mergener