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Angesichts des türkischen Vorgehens im östlichen Mittelmeer kündigte Frankreich an, seine militärische Präsenz in der Region zu erhöhen. Bei genauerem Hinsehen nutzt Paris dazu bereits in der Region befindliche Einheiten der französischen Streitkräfte. Zwei Kampfflugzeuge Rafale B vom 4. Jagdgeschwader, die vom 10. bis 12. August zu einer Übung nach Zypern entsandt worden waren, haben am Donnerstag, 13. August, einen Stopp auf Kreta eingelegt. Auf dem Luftwaffenstützpunkt Andreas Papandreou in Paphos (Zypern) befindet sich zudem ein französisches Tankflugzeug C-130FR Herkules – ebenfalls im Zusammenhang mit der Übung.

Dem Hubschrauberträger (PHA) „Tonnerre“, der sich mit Hilfsmaterial auf dem Weg nach Beirut befindet, wurde kurzfristig die Fregatte „La Fayette“ beigestellt, die sich im Rahmen einer bilateralen Übung mit der griechischen Marine in Larnaca (Zypern) befindet.

Seit mehreren Wochen ist das Verhältnis zwischen Griechenland und der Türkei wieder gespannt. Anlass ist dieses Mal die türkische Suche nach Gasvorkommen im östlichen Mittelmeer. Als die Türkei in den vergangenen Tagen ein Forschungsschiff in die Region geschickt hat, hat sich die Lage weiter angespannt. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat am Freitag, den 7. August 2020 angekündigt, die Forschungen wieder aufzunehmen, nachdem am Vortag zwischen Athen und Kairo ein Seeverkehrsabkommen unterzeichnet wurde. Dies wurde als direkte Reaktion verstanden. Das Abkommen soll die Seegrenzen zwischen Griechenland und Ägypten regeln. Athen und Kairo reagierten damit auf das im vergangenen November zwischen der Türkei und der offiziellen libyschen Regierung (Tripoli) geschlossene Abkommen, aus dem Ankara die Berechtigung für seine Forschungsvorhaben im östlichen Mittelmeer ableitet. Das Abkommen provozierte nicht nur Griechenland und die Republik Zypern, sondern auch Ägypten und Israel.

Mit einer Navigationsmitteilung unterrichtete die Türkei am 10. August über die Wiederaufnahme seiner Forschungsvorhaben mit der „Oruc Reis“ und dessen Verbleiben im Seegebiet bis zum 23. August. Die umstrittene Zone ist das Seegebiet zwischen Zypern und Kreta. Die Untersuchungen finden in einer der Ausschließlichen Wirtschaftszonen, entweder Griechenlands oder Zyperns, statt. Bilder vom Twitter-Account des türkischen Verteidigungsministeriums zeigen das Forschungsschiff in Begleitung von Marineschiffen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte die Türkei nachdrücklich auf, ihre einseitige Prospektion einzustellen und einen friedlichen Dialog zwischen den NATO-Mitgliedern und Nachbarn zu ermöglichen. Der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis telefonierte mit Macron. Weiter heißt es aus Paris, der französische Präsident bezeichne die Lage als besorgniserregend. Per Twitter teilte er seinen Entschluss mit, die französische Militärpräsenz in den nächsten Tagen in Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern, einschließlich Griechenlands, vorübergehend zu verstärken.

Vor einem Monat bereits schien es, als sei der Streit beigelegt werden. Ankara hatte mit Athen sowie Berlin (Deutschland in seiner Rolle als EU-Ratspräsidentschaft) beraten.

Schon früher nahm der französische Staatspräsident Macron den Streit mit der Türkei zum Anlass, den Wert der NATO in Frage zu stellen. Im Rahmen der EU-Operation Irini kam es zwischen einer türkischen und einer französischen Fregatte zu einem unschönen Vorfall, als sich die türkische Einheit für einen NATO-Partner ungebührlich aggressiv verhielt.

Zwar hält man sich auf NATO-Seite mit Stellungnahmen zurück, doch wird in Brüssel die weitere Entwicklung aufmerksam verfolgt. Am 9. August forderte der Hohe Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Josep Borrell, alle Beteiligten zum Dialog auf. „Die Seegrenzen müssen durch Dialog und Verhandlungen und nicht durch einseitige Aktionen und die Mobilisierung von Seestreitkräften festgelegt werden. Streitigkeiten müssen im Einklang mit dem Völkerrecht gelöst werden. Die Europäische Union ist entschlossen, zur Beilegung solcher Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten in diesem Bereich von lebenswichtigem Sicherheitsinteresse beizutragen“, heißt es im Kommuniqué des Auswärtigen Dienstes. Am Morgen des 13. August wurde eine außerordentliche Videokonferenz der EU-Außenminister für den 14. August einberufen. Neben Beratungen über den östlichen Mittelmeerraum steht Weißrussland, der Libanon und Venezuela auf der Tagesordnung.

 

Französische Wirtschaftsinteressen

Vordergründig geht es Paris um die „Bekräftigung des Bekenntnisses Frankreichs zur Freizügigkeit, zur Sicherheit der Seeschifffahrt im Mittelmeer und zur Achtung des  Völkerrechts“. Dass Frankreich für Griechenland Partei ergreift, mag auch handfeste Gründe haben. Paris arbeitet seit einiger Zeit an einer strukturierten und langfristigen Partnerschaft mit der maritimen griechischen Industrie. Anfang des Jahres wurde sie auf den Weg gebracht (ES&T berichtete). Dabei geht es darum, ein Kompetenzzentrums für Innovationen in der Seekriegführung in Griechenland mit französischer Unterstützung zu schaffen. Weiter planten die Staaten eine Zusammenarbeit von über zwanzig griechischen Unternehmen mit Naval Group, Thales und MBDA sowie Partnerschaften zwischen Universitäten. Ein Regierungsabkommen sollte noch in diesem Jahr finalisiert werden. Auch der Kauf zweier Fregatten für die griechische Marine, war Bestandteil der Beratungen.

Dies scheint nach US-amerikanischen Angeboten in Frage zu stehen (ES&T berichtete).

Zudem unterzeichnete die französische Verteidigungsministerin Florence Parly im Mai 2019 ein Kooperationsabkommen mit ihrem zypriotischen Amtskollegen Savvas Angelides zur Nutzung des militärischen Anteils des Flughafens Paphos und des Marinestützpunktes Larnaka. Damals wurden die Motive hierfür in der Krisensituation im Nahen Osten gesehen (Frankreich beteiligt sich an der US-geführten Operation Inherent Resolve gegen den „Islamischen Staat“) sowie im Interesse französischer Unternehmen an den unterseeischen Erdgasvorkommen.

Das französische Engagement im östlichen Mittelmeer, Seit‘-an-Seit‘ mit Griechenland, hat damit auch einen wirtschaftlichen Hintergrund.

Hans Uwe Mergener