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Das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) hat seine jüngsten Zahlen zum internationalen Waffenhandel vorgelegt: Demnach haben die Staaten in Europa ihre Importe von Großwaffensystemen im Fünfjahreszeitraum 2019-2023 im Vergleich zur vorherigen halben Dekade 2014-2018 mit einem Zuwachs von 94 Prozent fast verdoppelt. Dies geschah vor allen Dingen unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine seit Februar 2022.

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Die USA sind mit Abstand der wichtigste Waffenlieferant Europas für komplexe Waffensysteme (hier eine F-35A des 32. Geschwaders („Stormo“) der italienischen Luftwaffe). (Foto: Portugall)

Umgekehrt steigerten die Vereinigten Staaten ihre Rüstungsexporte zwischen 2014-2018 und 2019-2023 um 17 Prozent, ihr Anteil an den gesamten weltweiten Waffenexporten stieg von 34 Prozent auf 42 Prozent. Die USA lieferten 2019-2023 große Waffensysteme an 107 der weltweit 196 Staaten. Damit hätten die USA, so Mathew George, Direktor des SIPRI-Waffentransferprogramms, „ihre globale Rolle als Waffenlieferant – ein wichtiger Aspekt ihrer Außenpolitik – ausgebaut und mehr Waffen in mehr Länder exportiert als je zuvor.“

„Mehr als die Hälfte der Waffenimporte der europäischen Staaten“, ergänzte SIPRI-Direktor Dan Smith, „kommt aus den USA, während Europa gleichzeitig für etwa ein Drittel der weltweiten Waffenexporte verantwortlich ist, einschließlich großer Mengen, die außerhalb der Region gehen, was die starke militärisch-industrielle Kapazität Europas widerspiegelt. Viele Faktoren beeinflussen die Entscheidungen der europäischen NATO-Staaten, aus den USA zu importieren, darunter das Ziel, die transatlantischen Beziehungen neben den eher technischen, militärischen und kostenbezogenen Fragen aufrechtzuerhalten.“ Dies geschieht nicht zuletzt vor dem Hintergrund der europäischen Sorgen vor einer zweiten Amtszeit Donald Trumps.

Die Zuwachsrate Frankreichs bei den Waffenexporten zwischen 2014-2018 und 2019-2023 fiel mit 47 Prozent fast dreimal so hoch aus wie die der USA. Damit landete die V. Republik zum ersten Mal auf Platz zwei der größten Waffenexporteur der Welt, dicht gefolgt von Russland. „Frankreich nutzt die Gelegenheit der starken globalen Nachfrage, um seine Rüstungsindustrie durch Exporte anzukurbeln“, sagte Katarina Djokic, Forscherin bei SIPRI. Frankreich sei besonders erfolgreich beim Verkauf seiner „Rafale“-Kampfflugzeuge außerhalb Europas gewesen, so die Politikwissenschaftlerin. Hier sind als Kunden Indien, Katar und Ägypten zu nennen.

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Russland hat auf Kriegswirtschaft umgestellt (hier besichtigt Verteidigungsminister Sergej Schoigu [vorne in Uniform] am Ural die Fertigungshalle eines Rüstungsbetriebes in Jekaterinburg).
(Foto: Verteidigungsministerium der Russischen Föderation)
Auch wenn Deutschland 2019-2023 mit einem Anteil von 5,6 Prozent weltweit auf Platz fünf der Waffenexporteure liegt, sind seine Rüstungsausfuhren zum vorherigen Vergleichszeitraum um 14 Prozent zurückgegangen. Zwar landete die Bundesrepublik mit ihren Waffenexporten an europäische Staaten mit einem Anteil von 6,4 Prozent auf Platz zwei, jedoch weit abgeschlagen hinter den auf Platz eins befindlichen USA, die einen Exportanteil von enormen 55 Prozent verbuchen konnten. Frankreich folgt mit einem Anteil von 4,6 Prozent bei den Rüstungslieferungen für europäische Staaten.

Auswirkungen des Ukrainekrieges

Die angegriffene Ukraine entwickelte sich 2019-2023 – wenig überraschend – zum größten europäischen Waffenimporteur und zum viertgrößten der Welt. Mindestens 30 Staaten liefern seit Februar 2022 wichtige Waffen als Militärhilfe an das überfallene Land. In diesem Zeitraum gaben die USA mit 39 Prozent die meisten Waffen an die Ukraine ab, gefolgt von Deutschland mit 14 Prozent und Polen mit 13 Prozent.

Die Waffenexporte Russlands gingen zwischen 2014-2018 und 2019-2023 um 53 Prozent zurück. Dieser Rückgang ist höchstwahrscheinlich auf den gestiegenen Eigenbedarf an Rüstungsgütern wegen des Angriffs auf die Ukraine zurückzuführen. Während Russland im Jahr 2019 wichtige Waffen in 31 Staaten exportierte, waren es 2023 nur noch 12 Staaten, wobei Indien und das kommunistische China die größten Abnehmer gewesen sind.

Die Daten zu den anderen Weltregionen sind hier ersichtlich: Trends in International Arms Transfers, 2023 (sipri.org).

Dr. Gerd Portugall