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Die NATO Support and Procurement Agency (NSPA), die logistische Dienstleistungsorganisation der NATO, hat im Auftrag Deutschlands, der Niederlande, Rumäniens und Spaniens, mit der COMLOG GmbH, dem Joint Venture von MBDA und Raytheon (RTX), einen Rahmenvertrag über die Beschaffung von bis zu 800 Flugkörpern PAC2 GEM-T für das Luftverteidigungssystem Patriot zur Abwehr von ballistischen Raketen mit einem Finanzvolumen von 5,6 Milliarden US-Dollar (umgerechnet 5,1 Milliarden Euro) abgeschlossen. Darüber haben die NSPA sowie Raytheon und MBDA in Pressemitteilungen am 3. Januar informiert.

Der deutsche Anteil an dem Vertrag beträgt 500 Flugkörper im Wert von drei Milliarden Euro, von denen 100 Flugkörper als Nachbeschaffung für Abgaben an die Ukraine für 602,1 Millionen Euro fest bestellt worden sind. Die Lieferung weiterer 400 Flugkörper für 2,4 Milliarden Euro soll im laufenden Jahr in Auftrag gegeben werden, sobald im Haushalt 2024 Bestellungen möglich sind. Die Finanzierung erfolgt aus dem Sondervermögen Bundeswehr. Ursprünglich sollten die 602,1 Millionen Euro aus der Ertüchtigungshilfe der Bundesregierung im Einzelplan 60 getragen werden, was aber nach der Einigung zum Haushalt 2024 nicht mehr möglich ist.

Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat die Finanzmittel in der letzten Sitzung des vergangenen Jahres am 13. Dezember freigegeben. Da die Laufzeit des Vertrages für den deutschen Anteil bis 2033 geht, ist spätestens ab 2028 eine Anschlussfinanzierung aus dem Kernhaushalt des Einzelplans 14 erforderlich. Laut Finanzplan sind dann noch rund 760 Millionen Euro zu zahlen.

Die ersten Serien-Flugkörper sollen nach sechs Jahren, also 2030, geliefert sein. Die weiteren folgen in dreistelligen Jahresraten bis 2034. Rund vier Jahre nach Vertragsschluss sollen Testausrüstung und Flugversuchsmuster geliefert werden.

Die NSPA hat mit COMLOG einen „Direct Commercial Sales“ (DSC)-Vertrag abgeschlossen. Der Vertrag umfasst der NSPA zufolge die Qualifizierung aktualisierter Komponenten, die Aufnahme neuer Zulieferer, Testgeräte und Ersatzteile zur Unterstützung der künftigen Instandhaltung. Zur Unterstützung der Produktion und Lieferung werde COMLOG die Produktionskapazität von GEM-T-Raketen in Europa ausbauen. Die konsolidierte multinationale Beschaffung im Sinne der European Sky Shield Initiative (ESSI) biete Größenvorteile und unterstütze den Ausbau der Produktionskapazitäten für neue GEM-T-Raketen, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden. Die neuen Produktionskapazitäten für GEM-T-Raketen in Europa erhöhen die Versorgungssicherheit und tragen zur Auffüllung der Patriot-Raketenbestände bei.

Die COMLOG richtet in Deutschland eine Endmontagelinie in der bestehenden Patriot Maintenance Facility (PMF-3) ein, schreibt das BMVg. Dort werden die Produktionsanteile der Unterauftragnehmer MBDA, Bayern Chemie, TDW Gesellschaft für Wirksysteme, Sener Aerospacial und RTX zusammengeführt und die Flugkörper hergestellt.

Den technischen Support u.a. bei der Qualifizierung und bei technischen Änderungen durch die US Regierung stellt die NSPA über einen Vertrag im Verfahren Foreign Military Sales (FMS) sicher.

Über den Liefervertrag wird die COMLOG neben RTX das einzige Unternehmen, das diese Flugkörper unter den ITAR-Regeln herstellen darf. Nach den International Traffic in Arms Regulations (ITAR) dürfen Güter, die in der United States Munitions List (USML) aufgeführt sind (wie die GEM-T-Flugkörper), nur mit Genehmigung des Directorate of Defense Trade Controls (DDTC) verkauft, exportiert und transferiert werden.

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Die NSPA hat für vier NATO-Staaten einen Rahmenvertrag über 800 Flugkörper PAC-2 GEM-T abgeschlossen. Für die Bundeswehr 100 Flugkörper sofort bestellt worden. Die Bestellung weiterer 400 Flugkörper soll demnächst erfolgen. (Foto: RTX)

„Durch die enge euro-atlantische Zusammenarbeit zwischen den Verbündeten und der Industrie hat die NSPA die Konsolidierung der Anforderungen durch die Vergabe dieses komplexen Auftrags ermöglicht“, sagte die NSPA-CEO, Stacy A. Cummings. „Die Kundennationen haben Größenvorteile erzielt, ihren logistischen Aufwand verringert und erhalten kompetente Lösungen und Unterstützung in einem bewährten, schlüsselfertigen Rechtsrahmen.“

Thomas Gottschild, Managing Director MBDA Deutschland, ergänzte: „Der Vertrag stärkt die industriellen und militärischen Fähigkeiten in Europa. Das Auftragsvolumen ermöglicht MBDA den Aufbau einer Produktionsstätte für Patriot-Raketen in Deutschland sowie die Fertigung wichtiger Teilkomponenten. Die COMLOG-Anlage ist derzeit die einzige ihrer Art für den Patriot-Flugkörper außerhalb der USA. Insgesamt unterstützt der Auftrag die europäischen Patriot-Nutzerstaaten, schafft Arbeitsplätze in Deutschland und stärkt die Lieferkette für Munition.“

Der Präsident Land & Air Defense Systems bei Raytheon, Thomas Laliberty, verwies auf das breite Netzwerk von Raytheon und MBDA zusammen mit der NSPA, der U.S. Army und Zulieferern in der Region. Damit werde den europäischen Partnern ein GEM-T-Programm angeboten, das den Bestand an Luftabwehrraketen der NATO erhöhe, die Abschreckung der NATO stärke und die Einsatzbereitschaft der Patriot-Luftabwehrsysteme in ganz Europa aufrechterhalte. „Diese gebündelte Beschaffung stärkt die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Patriot-Verbündeten“, so Laliberty weiter.

Bei der Patriot GEM-T (Guidance Enhanced Missile) handelt es sich um eine PAC-2-Rakete (Patriot Advanced Capability 2), die speziell für die Abwehr taktischer ballistischer Flugkörper einen neuen digitalen Näherungszünder und Radarsucher erhalten hat. Die PAC-2 der U.S. Army sind alle auf GEM-T bzw. GEM-C (gegen Flugzeuge und Marschflugkörper) umgerüstet.

Die COMLOG rüstet für die Bundeswehr PAC-2-Raketen um und hat im Dezember 2022 die ersten umgerüsteten Raketen ausgeliefert (ESuT berichtete). Haupttätigkeitsfeld des 1987 gegründeten Unternehmens sei die logistische Unterstützung von Patriot PAC-2 Raketen mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der Einsatzfähigkeit, heißt es in der gemeinsamen Presseerklärung. Seit seiner Gründung habe das Unternehmen mehr als 5.000 PAC-2-Raketen in der PMF-3 in Schrobenhausen gewartet. COMLOGs Hauptkunde sei die NSPA, die im Auftrag der europäischen Patriot-Nutzerländer und der U.S. Army arbeite.

Die NSPA unterhält zahlreiche Support Partnerships für den Austausch über Einsatzerfahrungen und die logistische Unterstützung von Waffensystemen. In der Patriot Support Partnership (PSP) haben sich Deutschland, Griechenland, die Niederlande, Polen, Rumänien, Spanien, die Vereinigten Staaten und ,als assoziierter Staat, Schweden zusammengeschlossen. Zu den Aufgaben der PSP gehört die gemeinsame multinationale Beschaffung, bei der die NSPA ihre Erfahrung ausspielt und Skaleneffekte erzielt. An dem hier dargestellten „Consolidated Missile Buy) haben sich nur Deutschland, die Niederlande, Rumänien und Spanien beteiligt.

Gerhard Heiming