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Hieß es bei Vertragsunterzeichnung am 8. Juli 2021 noch vorsichtig, der Bau des ersten U-Bootes könne im Jahr 2023 beginnen, so ist es heute soweit. In einer Großveranstaltung in der neu erstellten Schiffbauhalle wurden am heutigen 12. September 2023 mehr als 200 geladene Zuschauer und Medienvertreter Zeuge des Produktionsstarts für U212 CD. Die Verteidigungsminister von Norwegen, Björn Arild Gram, und Deutschlands, Boris Pistorius, waren die Ehrengäste.

Vor etwas mehr als zwei Jahren wurde thyssenkrupp Marine Systems von den Beschaffungsorganisationen Norwegens und Deutschlands mit dem Bau von sechs baugleichen U-Booten vom Typ 212 CD beauftragt. Der Auftrag umfasst die Lieferung von zwei U-Booten an die Deutsche Marine und vier an die norwegische Marine. Das Auftragsvolumen beträgt rund 5,5 Milliarden Euro. Die dazugehörige Zeremonie fiel pandemiebedingt damals deutlich kleiner aus.

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U212CD vor der Werfthalle von tkMS in Kiel, (Grafik: tkMS)

Im Haushalt sind für die Beschaffung U212CD 88,356 Millionen Euro (2023) und 91,511 Millionen Euro für 2024 vorgesehen. Wie andere Vorhaben wurde auch die Beschaffung des U-Bootes in den Wirtschaftsplan 2024 – Sondervermögen Bundeswehr ausgelagert. Zur Zeit der Auftragsvergabe summieren sich die Gesamtkosten für die Bundeswehr (also einschließlich Beistellungen, Li-Ion-Batterie, Integration IDAS, Managementreserve sowie der Entwicklungskosten, die sich Norwegen und Deutschland im Verhältnis 1:1 teilen) auf 3,19 Milliarden Euro. Die beauftragte Werft thyssenkrupp Marine Systems bezifferte früher das Auftragsvolumen mit rund 5,5 Milliarden Euro, der größte Auftrag ihrer Geschichte.

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U212 CD ist ein innovatives Projekt, das in weiten Teilen auf bekannten und bewährten Systemen des tkMS U-Bootklasse-Systempools der U-Bootklassen 212A, 214 sowie 218 aufsetzt. (Foto: hum)

Auflage der City-Klasse: Brennstart für das erste norwegische Boot

Um 11.19 Uhr gaben die beiden Verteidigungsminister das Kommando an den Schweißer Jannes Gotsch. Der Brennstart des ersten Bootes der neuen Klasse U212CD erfolgte am vorderen Endboden des Druckkörpers (front end bulk head). Dabei handelt es sich um das erste norwegische Boot der City-Klasse. Seine Auslieferung wird ab 2029 erwartet, während die Auslieferung der beiden Boote (Baunummer 3 und 5) für die Deutsche Marine für 2032 und 2034 vorgesehen ist.

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Um 11.19 Uhr gaben die beiden Verteidigungsminister das Kommando an den Schweißer Jannes Gotsch. (Foto: tkMS)

Miguel Lopez – CEO von thyssenkrupp – begrüßte die Gäste und verwies auf die neue Schiffbauanlage, die er gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins, Daniel Günther, einweihte. Bereits 2019 entschied die Geschäftsführung von thyssenkrupp 250 Millionen Euro in den Bau einer modernen Konstruktionsstätte für die U-Boote der Zukunft zu investieren, Baubeginn war 2021. Sie umfasst auf 12.762 Quadratmetern insgesamt sieben Schiffbauhallen. Dreitausend Meter Medienkabel machen moderne Produktion möglich, tkMS spricht von ‚manufacturing 4.0‘.

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Schematische Darstellung des vorderen Endboden des Druckkörpers (Foto: hum)

Für den deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius beginnt eine neue Ära. Er führte aus, dass mit U212CD die Schwelle von der Interoperabilität zur Austauschbarkeit („from interoperability to interchangeability“) erfolge, und verwies auf die lange norwegisch-deutsche militärische Zusammenarbeit, die sich auch in erfolgreicher Rüstungszusammenarbeit niederschlägt. Und drückte seine Hoffnung aus, dass sich mit F-35 eine weitere Tür öffnen könnte.

Bjorn Arild Gram, der norwegische Verteidigungsminister, erinnerte in seiner Ansprache an HNoMS „Kobben“, das 1909 als erstes U-Boot der norwegischen Marine in Dienst gestellt wurde, dessen Bau auf dem Gelände, auf dem er heute stehe, erfolgt sei. Weiter unterstrich er die Bedeutung gemeinsamer Rüstungsprojekte und die Vorteile von Kooperationen, die Synergien für alle Beteiligten schaffen. Er verwies darauf, dass er mit seinem deutschen Amtskollegen am heutigen Tag eine Absichtserklärung (‚Declaration of Intent‘) zur Entwicklung künftiger ‚identischer‘ Systeme, unterzeichnet habe.

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Mehr als 200 geladene Zuschauer und Medienvertreter wurden Zeugen des Produktionsstarts für U212 CD. (Foto: hum)

U212 CD ist ein innovatives Projekt, das in weiten Teilen auf bekannten und bewährten Systemen des tkMS-Systempools der U-Bootklassen 212A, 214 sowie 218 aufsetzt. Das Boot wird dem aktuellen Technologiestand entsprechen, es wurde an die Anforderungen der beiden Marinen angepasst. Geänderte Mobilitätsansprüche und die Forderung, dass das Boot für intensive Aufträge ausgelegt wird, führt zu einem Zuwachs an Tonnage. Damit muss auch die Antriebsanlage neu gestaltet werden. Zur Schaffung von Synergien und Interoperabilität werden die Boote weitgehend identisch sein. Bis auf einige wenige technische Details, auf die die Nationen wert legen. Es wird ein gemeinsames Nutzungsmanagement eingerichtet, das sowohl die Ausbildung der Besatzungen als auch des Logistik-Personals umfasst.

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Von links nach rechts: Miguel Lopez, CEO von thyssenkrupp, Oliver Burscheidt, CEO von tkMS, Verteidigungsminister Boris Pistoirius, Daniel Günther Mnisiterpräsident von Schlewsig-Holstein. (foto: hum)

Die Formgebung des Bootes wertet durch die innovative Form der Außenhülle die Fähigkeit zur verdeckten Operation durch weitere Reduktion des Zielmaßes auf, stellt jedoch die Sensorik der Boote vor neuen Herausforderungen. Durch gezielte Verbesserungen bewährter Sensoren wird dieser Problematik Rechnung getragen. Die Druckhülle aus nicht magnetisierbarem Stahl und der außenluftunabhängige Antrieb bleiben für die Neuentwicklung herausragende technischen Merkmale.

U 212CD Kerndaten

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Verdrängung (aufgetaucht): ~ 2,500 m³

Länge: ~ 73 m Breite: ~ 10 m Höhe: ~ 13 m

Neben vielen bewährten und robusten Systemen sind auch Weiterentwicklungen im Bereich Dieselmotorenaggregat, Brennstoffzelle und Batterietechnologie vorgesehen. So verrichten zukünftig zwei Dieselmotoren der Serie MTU4000 ihren Einsatz auf der Klasse 212 CD. Daneben sorgen neu entwickelte Brennstoffzellen für mehr Robustheit im außenluftunabhängigen Betrieb. Eine weitere Innovation liegt in der Integration eines sicheren, leistungsstarken und preiswerten Lithium-Ionen-Fahrbatteriesystems an Bord der Klasse 212 CD.

kta naval systems mit seiner ORCCA-Produktfamilie wird das Führungs- und Waffeneinsatzsystem für U212CD liefern. Das Unternehmen wurde im Oktober 2017 als Joint Venture von thyssenkrupp Marine Systems, dessen Geschäftsbereich Naval Electronic Systems (ATLAS ELEKTRONIK) und Kongsberg Defence & Aerospace gegründet. kta naval systems entwickelt, produziert und wartet alle Einsatzsysteme für U-Boote von thyssenkrupp Marine Systems.

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kta naval systems ORCCA CIC layout (Foto; tkMS)

Gibt es Nachschlag?

Nach Einrichtung des Bundeswehr-Sondervermögens soll dem Vernehmen nach das Bundesministerium der Verteidigung eine Anfrage für zuschlagsfähige Angebote für ein bis sechs U-Boote U212CD gestellt haben, dem tkMS nachgekommen ist.

Im Zielbild der Deutschen Marine für die Jahre nach 2035, jüngst umbenannt in Kurs Marine 2035+, sieht der Inspekteur der Marine sechs U-Boote der Klasse U212CD vor. Verteidigungsminister Boris Pistorius bestätigte auf Nachfrage der Medienvertreter den Bedarf an weiteren U212CD.

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Modell U212CD, von tkMS beim Kongress UDT 2022 im Juni 2022 in Rotterdam präsentiert (Foto: hum)

Für die Marine bedeuteten zusätzliche HDW-Klasse 212CD-Boote keinen Nachschlag in dem Sinne. Denn mit zwei bisher georderten 212CD-Booten zeichnet sich ein Ubootgeschwader aus zwei neuen 212CD plus sechs älteren Einheiten ab. Die sich wiederum unterteilen in vier HDW-Klasse 212A-Boote des 1. Bauloses, die eines dringenden Modernisierungsschubes bedürfen und zwei 212A Boote des neueren 2. Bauloses.

In Norwegen hält Generalstabschef General Eirik Kristoffersen die Anzahl der ihm zur Verfügung stehenden U-Boote für nicht ausreichend. Das ergeht aus seinem im Mai vorgelegten und am 7. Juni 2023 veröffentlichten militärischen Rat. Im November 2022 bat die Regierung den Generalstabschef um seine Empfehlung, wie die Streitkräfte künftig aussehen sollten. „Eine größere Anzahl von U-Booten wird die Einsatzbereitschaft verdoppeln“, schreibt der norwegische Streitkräftechef in seinem Gutachten (ESuT berichtete).

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Modell eines U-Bootes U212CD auf der UDT 2022 (Mai 2022) (Foto: hum)

Hans Uwe Mergener