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Metalinsen sind neuartige optische Bauteile, die Licht nicht wie herkömmliche Linsen fokussieren, sondern auf sogenannten Metaoberflächen beruhen. Dadurch können sie bis zu 1.000-mal flacher ausfallen und zukünftig bisher unerreicht kompakte und leichte optische Systeme ermöglichen – möglicherweise sogar mit Auflösungen unterhalb der Wellenlänge.

Heute befinden sie sich noch in einem frühen Stadium der Forschung, die kürzlich durch bedeutende Fortschritte bei der computerbasierten Berechnung komplexer nanostrukturierter Oberflächen eine neue Dynamik gewonnen hat.

Metalinsen bestehen aus einem flachen lichtdurchlässigen Trägermaterial, auf dem unterschiedlich dimensionierte nanoskalige Elemente in ausgeklügelter Anordnung erzeugt wurden. Schickt man Licht durch eine solche Metaoberfläche, werden die einzelnen Lichtwellen an diesen wie optische Resonatoren wirkenden Elementen unterschiedlich stark verzögert. Hinter der Metaoberfläche überlagern sich die Lichtwellen dann zu neuen Wellenfronten mit geänderten Ausbreitungsrichtungen. Bei Metalinsen sind diese Elemente so konzipiert und verteilt, dass das Licht dahinter in einem Brennpunkt zusammenläuft – wie bei einer herkömmlichen Linse. Generell lassen sich Metaoberflächen aber auch so gestalten, dass sie die Funktionalitäten von anderen optischen Komponenten nachahmen, wie beispielsweise von Strahlteilern, Polarisatoren oder Beugungsgittern.

Um störende Beugungseffekte zu vermeiden, müssen die einzelnen nanoskaligen Elemente im Durchmesser deutlich kleiner sein als die Wellenlänge des Lichts. Zur Herstellung von Metaoberflächen kommen daher lithografische Verfahren zum Einsatz. Die bisher demonstrierten Metalinsen sind oft noch mittels Elektronenstrahllithografie erzeugt worden, wobei die gewünschten Strukturen nacheinander mit einem Elektronenstrahl zunächst in eine entsprechende Lackschicht geschrieben werden müssen. Da dieser Prozess sehr zeitaufwendig ist und die Zahl der benötigten Elemente zudem mit dem Quadrat des Linsendurchmessers wächst, sind die demonstrierten Metalinsen bisher noch sehr klein – mit unter 100 Mikrometern Durchmesser zu klein für die meisten praxisrelevanten Anwendungen. In Zukunft sollen sie jedoch mit den existierenden fotolithografischen Verfahren der Chipherstellung mit größeren Durchmessern und in Massen gefertigt werden können – dann zu einem Bruchteil der Kosten herkömmlicher Linsen.

Beim Design größerer Metalinsen stößt man allerdings auf eine weitere Herausforderung.

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So müssen Lichtwellen vom Rand der Metalinse einen weiteren Weg zurücklegen als solche, die durch die Mitte der Metalinse zum Fokuspunkt laufen, sodass sie dort nicht gleichzeitig ankommen. Um diesen Effekt zu kompensieren, müssen die Strukturen der Metaoberfläche zusätzlich zur fokussierenden Wirkung die Lichtwellen aus den mittleren Bereichen passend verzögern. Eine Lösung hierfür wäre, die Metalinsen entsprechend dicker zu machen, wobei jedoch die benötigte Höhe der Nanostrukturen technisch heute noch längst nicht realisierbar wäre. Womöglich gibt es hierfür alternative Lösungen. So könnte man mehrere Metalinsen übereinanderstapeln, um wie bei herkömmlichen Linsensystemen die optischen Abbildungsfehler der einzelnen Linsen gegenseitig zu korrigieren, oder entsprechende Fehler ließen sich im Nachhinein herausrechnen, wie dies in ähnlicher Weise bei heutigen Smartphone-Kameras mit ihren einfachen Optiken zunehmend gehandhabt wird.

In den letzten beiden Jahrzehnten konnte zwar immer wieder demonstriert werden, wie sich mit nanostrukturierten Metamaterialien Licht auf diese neuartige Weise manipulieren lässt. Allerdings funktionierten die vorgestellten optischen Bauteile bisher immer nur mit Licht einer bestimmten Wellenlänge oder Polarisation. 2019 gelang diesbezüglich ein entscheidender Durchbruch. Auf der Grundlage von Computerberechnungen konnte eine komplex strukturierte Metalinse hergestellt werden, die Licht unabhängig von dessen Polarisation und über fast den gesamten Bereich des sichtbaren Spektrums fokussieren kann – und dies sogar in einen einzigen Brennpunkt. Letzteres gelingt mit einer herkömmlichen Linse nicht, da unterschiedliche Wellenlängen unterschiedlich stark gebrochen werden. Zur Korrektur dieser sogenannten chromatischen Aberration müssen in Objektiven von Mikroskopen und Kameras daher zusätzliche Korrekturlinsen eingesetzt werden, um scharfe Bilder erzeugen zu können. Auch weil diese Art der Korrektur bei den achromatischen Metalinsen entfällt, werden damit äußerst flache Objektive vorstellbar.

Besonders interessant sind Metalinsen also perspektivisch für bildgebende Anwendungen, bei denen möglichst flache und kompakte Optiken benötigt werden, wie z. B. für Kameras in Smartphones, Tablets und Mini-Drohnen oder für medizinische Endoskope. Ihr geringes Gewicht wäre außerdem im Zusammenhang mit tragbaren optischen Systemen wie Virtual- oder Augmented-Reality-Brillen vorteilhaft. Darüber hinaus könnte ihr Einsatz zu Verbesserungen in der Mikroskopie, der Fotolithografie und der optischen Kommunikation führen.

Welche konkrete Rolle Metalinsen in Zukunft tatsächlich spielen werden, lässt sich bei ihrem derzeitigen Entwicklungsstand noch kaum vorhersagen. Außerdem werden aktuell auch andere Konzepte für ultraflache Linsen entwickelt, z. B. sogenannte diffraktive optische Elemente, die sich möglicherweise einfacher herstellen lassen als aktuell konzipierte Metalinsen. Metaoberflächen im Allgemeinen wären allerdings sehr vielseitig einsetzbar und werden vermutlich zukünftig dazu beitragen, optische Systeme kompakter, kostengünstiger und leistungsfähiger zu machen – möglicherweise eher in Kombination mit herkömmlichen optischen Bauteilen. Ihr Erfolg wird davon abhängen, ob es gelingen wird, ihren Durchmesser massenfertigungstauglich aus dem Mikrometer- in den Millimeterbereich zu bringen.

Dr. David Offenberg