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Heute um 10 Uhr lief die Fregatte „Hamburg“ für knapp fünf Monate in Richtung Mittelmeer aus. ES&T ist vor Ort. Neben der Stammbesatzung (236 Soldaten und Soldatinnen) sehen eine Boardingkompanie des Seebataillons und die 18 Soldatinnen und Soldaten des Hauptabschnitt 500, die den Betrieb der beiden Bordhubschrauber Sea Lynx sicherstellen, einem kniffligen Einsatz entgegen. Wegen der Corona-Pandemie werden die Soldatinnen und Soldaten mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne Landgang auskommen müssen.

Damit nimmt die Bundesrepublik Deutschland zum ersten Mal mit einer Überwassereinheit an der EU-Operation IRINI teil. Bisher hatte sich die Deutsche Marine mit einem Seefernaufklärer P-3C „Orion“ an der Mission beteiligt und damit achtzehn Einsätze durchgeführt.

Als ein zählbares Ergebnis der Berliner Libyen-Konferenz vom Januar 2020 hat die EU Ende März eine Mission im zentralen Mittelmeerraum zur Überwachung bzw. Durchsetzung des Waffenembargos gegen Libyen beschlossen. Dieses Embargo war vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen entschieden worden. Die politische Einigung auf die neue Mission hatte sich schwierig gestaltet, da einige in der Operation einen Hebel gegen die türkischen Bemühungen, in Libyen Fuß zu fassen, sehen. Letztendlich einigten sich die EU-Staaten auf eine Überwachungsmission aus der Luft, per Satellit und auf dem Meer.

Um flexibel auf das Aufkommen von Flüchtlingen bzw. Migranten zu reagieren zu können, kann der Befehlshaber von EUNAVFOR IRINI entscheiden, die Einheiten außerhalb der Zone, in der die Verkehrswege zwischen Libyen und Italien liegen, zu positionieren. So lässt sich das Operationsgebiet beispielsweise weiter nach Osten verlagern – in den östlichen Teil des zentralen Mittelmeers. Die Operation soll außerdem – im Einklang mit der Resolution des UN-Sicherheitsrats – zur Störung von Menschenhandelsnetzwerken beitragen. Auch soll mit IRINI die illegale Ausfuhr von Erdöl aus Libyen verhindert werden. Bestandteil der früheren EU-Operation SOPHIA war die Ausbildung der libyschen Küstenwache und Marine, Diese Aufgabe hat IRINI ebenfalls übernommen. Das aber stößt auf libyscher Seite nach neueren Informationen auf wenig Gegenliebe.

Nach der politischen Einigung fiel die Truppenstellung den 23 beteiligten EU-Mitgliedsstaaten schwer. Lange Zeit stützte sich die Operation IRINI ausschließlich auf deutsche, französische, luxemburgische und polnische Überwachung aus der Luft ab. Frankreich und Griechenland stellten ab Mitte Mai zeitweise seefahrende Einheiten. Am 17. Juli übernahm die italienische „San Giorgio“, ein Landungsschiff, als Flaggschiff die Führung der Mission. Italien beabsichtigt die zeitweise Stellung von Drohnen des Typs Predator, eines U-Boots, eines Seefernaufklärers P72 sowie luftgestützter Frühwarnung (Airborne Early Warning /AEW).

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Foto: Hans Uwe Mergener

Der Deutsche Bundestag hat der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-Operation IRINI am 7. Mai 2020 zugestimmt. Mit der „Hamburg“ ist jetzt erstmals ein Schiff der Deutschen Marine bei IRINI. In Brüssel wird das als Bestätigung dafür gesehen, dass die Operation nunmehr ihre volle Einsatzfähigkeit erreiche – nach fast fünf Monaten.

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Ursprünglich war die Fregatte der Sachsen-Klasse für einen Südostasien-Australien-Törn und die Teilnahme am Indian Ocean Naval Symposium vorgesehen. Corona machte diese Reiseplanung zunichte, das Symposium der Anrainerstaaten des Indischen Ozeans wurde auf November verschoben (ESuT berichtete).

 

Operation IRINI: schwierige Gemengelage – nicht nur zur See!

Am 10. Juni kam es zu einem Zwischenfall zwischen einer französischen Fregatte und türkischen Einheiten, die sich gegen den Versuch der „Le Courbet“ stellten, ein unter tansanianischer Flagge fahrendes Ro-Ro-Schiff mit türkischem Namen zu kontrollieren. Dieses Schiff war früher aufgrund seiner Route von einem türkischen in einen libyschen Hafen auffällig geworden. Frankreich zog in der Folge seine Einheiten aus einem im Mittelmeer operierenden NATO-Verband (Operation Sea Guardian) zurück und intervenierte diplomatisch.

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Foto: Hans Uwe Mergener

Die Situation in Libyen ist kompliziert. Russland und die Türkei sind die prominenten Akteure, die die dortigen Konfliktparteien unterstützen – auf unterschiedlichen Seiten. Nachbarländer Libyens agieren ebenfalls. Am 20. Juli hat das ägyptische Parlament einen möglichen Einmarsch ägyptischer Kräfte in Libyen autorisiert. Ägyptens Präsident Abdel Fatah al-Sisi soll zudem Waffenlieferungen an Stämme in Libyen, die gegen die Truppen der Einheitsregierung agieren, in Aussicht gestellt haben. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien unterstützen die Konfliktparteien mit Lieferungen, nicht nur aus der Luft oder über See, sondern auch durch Landtransporte. Trotz der strategischen Bedeutung der Region für die EU, gestaltet sich die Wahrnehmung europäischer Interessen schwierig.

Hans Uwe Mergener