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In der letzten Sitzung dieser Legislaturperiode lagen dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages unter 117 anderen Tagesordnungspunkten fünf Beschaffungsvorlagen für Bundeswehr-Projekte mit einem Finanzvolumen von jeweils mehr als 25 Millionen Euro (25 Mio. Euro-Vorlagen) zur Entscheidung vor (ESuT berichtete). Für alle fünf Vorhaben hat der Ausschuss insgesamt 2,52 Milliarden Euro freigegeben. In den nächsten Tagen wird das Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) Verträge mit den Herstellern abschließen. Das ist trotz vorläufiger Haushaltsführung möglich, weil die Projekte ganz oder teilweise aus dem Sondervermögen Bundeswehr finanziert werden. Im Sondervermögen sind – wenn diese fünf Verträge geschlossen sind – noch 16 Milliarden Euro für weitere Vorhaben verfügbar (ESuT berichtete).

TaWAN (links), IdZ-ES (oben Mitte), Wirkmittel 90 (oben rechts), FLW 100 (unten Mitte) und CAVS NEMO (unten rechts) (Foto: Heiming, Rheinmetall, DND, PD Boevaya mashina, Patria)

TaWAN- Richtfunknetz

Das Vorhaben mit dem größten Finanzvolumen ist das Taktische Wide Area Network Landbasierte Operationen (TaWAN LBO), für das ein Rahmenvertrag mit insgesamt 5,5 Milliarden Euro vorgesehen ist. Für die Festbeauftragung des ersten, sofort zu realisierenden Anteils sind 1,9 Milliarden Euro bestimmt. Mit dem Wide Area Network sollen die verlegefähigen Einrichtungen des Heeres vom Verband aufwärts untereinander, mit dem rückwärtigen Kernnetz und zu multinationalen Partnern mit hoher Datenrate verbunden werden. Über das Projekt informiert ESuT an anderer Stelle.

Der Piranha mit Richtfunkantenne ist ein Element des TaWAN (Foto: Gerhard Heiming)

Infanterist der Zukunft – Zugsysteme

Für das Soldatensystem Infanterist der Zukunft (IdZ) wurde 2023 für die Ausstattung der Truppe bei der Very High Readiness Joint Task Force der Standard IdZ VJTF 2023 definiert. Das System wird bei der Bundeswehr vor allem in der Jägertruppe und bei der Panzergrenadiertruppe eingesetzt, schreibt das BMVg. Zu der modernen – insbesondere digitalen – Ausstattung der Soldaten gehören Bekleidung, Schutz, Waffen, Optiken sowie Funk- und Führungsmittel. Mit der Einführung der IdZ-Ausstattung sei die persönliche Mobilität, Überlebensfähigkeit und Durchhaltefähigkeit der Infanteristen wesentlich gesteigert worden.

Die Bestände an Soldatensystemen IdZ-ES im Konstruktionsstand VJTZF 2023 werden ergänzt. (Grafik: Rheinmetall)

Beschafft werden Zugsysteme. Das sind Ausstattungen für jeweils einen Zug abgesessen kämpfender Soldaten mit rund 30 Personenausstattungen. Hauptauftragnehmer wird die Division Rheinmetall Electronics des Düsseldorfer Technologiekonzerns sein, die auch bisher die IdZ-Systeme geliefert hat. Der Haushaltsausschuss hat für das Projekt 418 Millionen Euro freigegeben. Nach Erkenntnissen aus früheren Beschaffungen lässt daraus der Beschaffungsumfang mit mehr als einhundert Zugsystemen (das entspricht etwa 3.000 Personenausstattungen) abschätzen.

Abschussgeräte und Munition für Wirkmittel 90 und Panzerfaust

In einer Rahmenvereinbarung soll die Herstellung und Lieferung von Abschussgeräten und Munition für das Wirkmittel 90 sowie die Panzerfaust 3 vereinbart werden. Hersteller ist Dynamit Nobel Defence. Mit Abschluss der Rahmenvereinbarung erfolgt nach Angabe des BMVg auch eine Festbeauftragung von unterschiedlichen Effektoren für das Wirkmittel 90 mit einem Gesamtfinanzbedarf von rund 103 Millionen Euro, die über das Sondervermögen Bundeswehr aufgebracht werden.

Das Wirkmittel 90 besteht aus Abschussgerät und unterschiedlichen Munitionssorten. (Foto: DND)

Radpanzer-Mörsersystem NEMO CAVS

Mit diesem Projekt steigt die Bundeswehr in die Beschaffung des finnischen Patria 6×6-Radfahrzeugs aus dem internationalen CAVS-Programm (Common Armoured Vehicle System) ein. 51 Millionen Euro hat der Haushaltsausschuss für die Entwicklung des schweren Mörsersystems freigegeben. Damit sollen zwei Prototypen des Mörserträgers unter Verwendung des halbautomatischen NEMO-Mörsers und ein Prototyp Führungsfahrzeug entwickelt und gebaut und 2025 bzw. 2026 ausgeliefert werden. Der Beginn der Serienproduktion ist – nach erneuter 25 Mio. Euro-Vorlage – für 2027 geplant. Über das Vorhaben hat ESuT bereits informiert.

Mit dem schweren Mörser NEMO auf dem 6×6 Patria erfolgt der Einstieg in CAVS. (Foto: Patria)

Fernbedienbare Leichte Waffenstationen (FLW)

Mit einem Rahmenvertrag über zehn Jahre will die Bundeswehr die Bestände an fernbedienbaren leichten Waffenstationen und zugehörigen lafettenadaptierten Zieleinrichtungen (LAZ) sowie Nebelmittelwurfanlagen ergänzen. Hersteller der FLW ist KNDS Deutschland, der LAZ Rheinmetall Electronics.

Die 2008 eingeführten FLW mit LAZ dienen der Selbstverteidigung der Besatzungen von geschützten Transport- und Führungsfahrzeugen (GTF/GFF). An der leichteren FLW 100 können leichte Maschinenwaffen und an der schwereren FLW 200 Maschinenwaffen bis cal .50 sowie Granatmaschinenwaffe eingesetzt werden. Als Festbeauftragung sollen je 126 FLW 100 und LAZ 200 im Wert von 48 Millionen Euro beschafft werden. Priorität ist die Ausstattung der aufzustellenden Kampftruppen-Brigade in Litauen. Dafür hat der Haushaltsausschuss 48 Millionen Euro freigegeben. Die Lieferung soll 2026/2027 erfolgen.

Die fernbedienbare leichte Waffenstation FLW 100 kann mit leichten Maschinenwaffen bestückt werden und wird über eine lafettenadaptierte Zieleinrichtung bedient (Foto: Boevaya mashina)

Gesamtbetrachtung

Sozusagen in letzter Minute konnte das BMVg die Billigung von fünf wichtigen Vorhaben erreichen. Wegen der Neuwahl des Bundestages und des Zeitbedarfs für die Regierungsbildung, wird der Haushaltsausschuss für lange Zeit nicht tagen. Mit der Billigung erster Vorhaben wird frühestens in der zweiten Jahreshälfte gerechnet. Wie schon mehrfach beschrieben, ist die Liste wartender Vorhaben – insbesondere des Heeres – lang. Im Sondervermögen stehen noch 16 Milliarden Euro zur Verfügung, die aber nur bis 2028 reichen. Daher bleibt die zentrale Frage, wie die notwendigen Haushaltsmittel langfristig gesichert werden können, um die zahlreichen offenen Vorhaben, insbesondere des Heeres, umzusetzen.

Gerhard Heiming