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Auf der Eurosatory 2024 in Paris stellt KNDS neben den als derzeitiger Bestellstandard geltenden Kampfpanzern Leopard 2 A8 und Leclerc XLR Evolutionsstufen für die Kampfpanzer vor, deren Technologien die Zeit bis zur Einführung des Main Ground Combat Systems (MGCS) überbrücken und Eingang in das MGCS finden sollen.

Nach bekannten Zeitplänen ist mit der Einführung des MGCS nicht vor 2045 zu rechnen. In den bis dahin 20 bis 30 Jahren muss die Panzertruppe weiterhin über duellfähige Kampfpanzer verfügen. Daher stellen sich für die Entwicklung der Waffensysteme eine mittelfristige Zielsetzung für die Aufrechterhaltung der Kampfkraft und eine langfristige für Zukunftstechnologien für das MGCS. Idealerweise nutzen die Technologien gleiche Grundlagen.

Blick auf den Demonstrator des Leopard 2 A-RC 3.0. Noch fehlen zahlreiche Ausrüstungselemente außen am Kampfpanzer. Auf dem Turm erkennbar: Waffenstation, Mehrzweckwerfer, Raketenwerfer, optische Beobachtungsgeräte. (Foto: KNDS)

Leopard 2 A-RC 3.0

Einen radikalen Schnitt macht KNDS mit dem Leopard 2 A-RC 3.0, dessen eigenartige Versionsbezeichnung wohl dem Namensstreit Leopard 2 A9 bzw. Leopard 3 aus dem Weg gehen will. Kennzeichen des Kampfpanzerentwurfs ist KNDS zufolge der unbemannte ferngesteuerte Turm mit modularem automatischem Linearlader und einer Hauptwaffe mit wahlweise 120 mm oder 140 mm Kaliber. Die Besatzung – mindestens Kommandant, Kraftfahrer und Richtschütze und optional ein Führungsgehilfe als Bediener von Aufklärungs-, Kommunikations- und Führungsmitteln – ist vollständig in der Wanne untergebracht. Der Turm ist extrem flach konstruiert und ragt nicht in die Wanne hinein. Damit wird das Volumen des Turms deutlich geringer und muss weniger stark gepanzert werden. Das trägt einen erheblichen Teil zur Gewichtsreduktion bei. Der A-RC 3.0 soll mit rund 60 Tonnen etwa zehn Tonnen leichter werden als sein Vorgänger A8.

Neben der Hauptwaffe hat KNDS den Panzer mit einer fernbedienbaren Waffenstation in der Mitte des Turms oberhalb der Bordkanone ausgestattet. Als Kaliber ist 30 mm x 113 mm angegeben, das mit tempierbarer Munition auch gegen UAV im Nah- und Nächstbereich eingesetzt werden kann. Zudem ist ein Mehrzweck-Raketenwerfer integriert, mit dem Lenkwaffen auch außerhalb des Sichtbereichs bekämpft werden können.

Der polyvalente Schutz setzt sich aus ballistischem Schutz mit einer Kombination aus Mehrschichtpanzerung, reaktiver Panzerung und aktivem Schutz (Trophy) zusammen. Durch das Schaffen einer besonders geschützten Mannschaftszelle in der Wanne, die mit einem neuen Raumkonzept durch den flachen Turm möglich wurde, wird die Überlebensfähigkeit der Besatzung gesteigert und die Durchsetzungsfähigkeit des Systems verbessert.

KNDS bewertet den Leopard 2 A-RC 3.0 nicht nur als Brückenlösung bis zur Einführung des Landkampfsystems der nächsten Generation MGCS, sondern auch als entscheidenden technologischen Vorläufer des MGCS. Trotz seiner bahnbrechenden Innovationen sei der Leopard 2 A-RC 3.0 vollständig abwärtskompatibel. Alle derzeit im Einsatz befindlichen Leopard 2-Varianten können KNDS zufolge auf den Ausrüstungsstand des Leopard 2 A-RC 3.0 aufgerüstet werden. Der modulare Ansatz ermögliche Lösungen, die sich an den individuellen Bedürfnissen des Kunden orientieren.

In der Frontalansicht ein Blick auf die reaktiver Panzerung, auf zwei Trophy-Sensoren und -Effektoren sowie in ein ballistisches Loch unterhalb der Kanone. (Foto: KNDS)
Technische Daten Leopard 2 A-RC 3.0
Gefechtsgewicht unter 60 Tonnen
Länge 7,95 m, 11,17 m (Kanone vorn)
Breite 3,77 m
Höhe 2,44 m (Turmdach), 2,84 m (Oberkante Peri)
Besatzung Kommandant, Kraftfahrer, Richtschütze (optional Führungsgehilfe)
Hauptwaffe Glattrohrkanone, 120 mm, optional 130 mm, 140 mm
Linearer Autoloader
Sekundärwaffen fernbedienbare Waffenstation 30 mm x 113 mm
Mehrzweckraketenwerfer für Lenkwaffen (LOS/NLOS)
Mehrzweckwerfer für Nebel-/Sprenggranaten
Schutz Polyvalent, Kombination aus Mehrschichtpanzerung, reaktiver Panzerung und aktivem Schutz (Trophy)
Sensor Suite digitale Optronik, Mehrfach-Erkennungssysteme (z.B. Laser Warner, optischer Warner, Drohnenerkennung)
Triebwerk, Reichweite 1.100 kW, 460 km (Straße)

 

ASCALON

Als Hauptwaffe hat KNDS das ASCALON-System (Autoloaded and SCALable Outperforming guN) integriert, das nach eigener Aussage leistungsfähiger ist als alle vergleichbaren Rohrwaffen. Das System sei für den Verschuss von kinetischer und programmierbarer Sprengmunition ausgelegt und zeichne sich durch minimalen Verschleiß (entsprechend langer Lebensdauer) aus. Das System sei skalierbar und könne mit jedem beliebigen Rohr im Kaliber von 120 mm bis 140 mm ausgestattet werden. Mit seiner offenen Architektur und dem Wachstumspotential solle ASCALON als Grundlage für die kooperative Entwicklung einer Gefechtswaffenplattform im Rahmen des MGCS-Programms dienen. KNDS sieht ASCALON als Grundstein für den zukünftigen Standard der europäischen Panzerkanonen und -munition.

Im Mai hat KNDS ein Schießprogramm mit ASCALON absolviert, dass als Teil des Entwicklungsprogramms bis Ende 2025 zu ersten Schüssen aus einer im Turm eingebauten Kanone führen soll. (ESuT berichtete).

Leclerc Evolution

Beim Leclerc Evolution verwendet KNDS einen bemannten Turm mit einer 120-mm- ASCALON-Kanone. Der Demonstrator ist eine Kombination aus bewährten Elementen des Leopard 2 und des Leclerc, ergänzt durch neuentwickelte Komponenten wie ASCALON. Durch Umräumen der Wanne wurde Platz geschaffen für ein neues Konzept mit vier Besatzungsmitgliedern in der Wanne. Damit soll dem taktischen Bedarf Rechnung getragen werden, in dem ein stellvertretender Kommandant ein umfangreiches Sensor- und Effektorsystem steuert.

Eine weitere Variante des Leclerc kommt mit einem unbemannten ASCALON Demonstrationsturm (ADT 140) mit einer 140 mm-Bordkanone und automatischem Lader. Dies sei ein Vorgriff auf das MGCS.

Einordnung

Nach Abschluss des derzeit laufenden Nachrüstungsprogramms mit Leopard 2 A7, A7V, A7A1 und der Beschaffung von A8 bleibt etwa ein Drittel der Kampfpanzer des Deutschen Heeres auf dem unzureichenden Rüststand Leopard 2 A6 und darunter. Ein Weg zur Behebung des Defizits muss in absehbarer Zeit aufgezeigt werden.

Der KNDS-Vorschlag des Leopard 2 A-RC 3.0 zeigt einen Weg, der weit über die derzeitige Leistungsspitze hinweg geht. Insbesondere mit dem unbemannten Turm wird eine vielkritisierte Schwachstelle behoben, die sich zudem in einem Gewichtsvorteil niederschlägt. Über die technische Reife des Vorschlags wurde nichts kommuniziert. Lediglich bei ASCALON ist bekannt, dass Ende 2025 erstmals ein Schuss aus einem Turm erfolgen soll. Das zeigt, dass noch erhebliche Entwicklungsarbeit geleistet werden muss. Es ist fraglich, ob der dafür erforderliche Zeitaufwand hingenommen werden kann.

Das Wort hat jetzt der Kunde. Die Soldaten und die Beschaffer von Bundeswehr und dem französischen Heer in erster Linie, aber auch alle anderen Leopard 2 A8-Interssenten, werden die Konzepte einer genauen Prüfung unterziehen. Deren Beurteilung wird entscheiden, ob und welches Konzept Realisierungschancen hat.

Gerhard Heiming