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Im Hotel de Brienne, der Residenz des französischen Verteidigungsministers in Paris, haben der Hausherr, Sébastien Lecornu und sein deutscher Counterpart, Boris Pistorius, heute ein Memorandum of Understanding (MoU) unterschrieben, in dem die geforderten Fähigkeiten für das Gemeinschaftsprojekt Main Ground Combat System (MGCS) auf acht Technologiesäulen verteilt und nationalen Ressourcen zugeordnet werden.

Mit der Zuordnung wollen die Minister die paritätische Aufteilung der Verantwortung und der Wertschöpfung erreichen und gleichzeitig die deutsche Führung im Projekt festschreiben. Damit haben die Minister ihren vor einem Monat verkündeten Durchbruch beim MGCS schriftlich fixiert.

Orientiert an den Kategorien des eisernen Dreiecks Mobilität, Feuerkraft und Schutz, erweitert durch die Kategorien Aufklärung, Kommunikation, Digitalisierung und Nachhaltigkeit haben die Minister in Konferenzen in Evreux und Berlin den Fähigkeitskatalog für das MGCS nach dem Bedarf und aus Sicht der Streitkräfte priorisiert und neu geordnet. Lecornu benannte sieben der acht Säulen: Plattform, Turm, klassisches Feuer, Feuer der neuen Generation, Infrastruktur, Konnektivität und elektronische Kriegsführung. In jeder Säule sind die Nationen jeweils zur Hälfte an Entwicklung und Produktion beteiligt. Deutschland hat die Führung in zwei Säulen, darunter die Säule Turm. Frankreich führt ebenfalls zwei Säulen. Die restlichen vier werden gemeinsam koordiniert.

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Mögliches Mehrplattformkonzept des MGCS mit Hauptwaffenträger, Kampfunterstützungsfahrzeug und Lenkwaffenträger (Grafik: DGA)

Nach der Unterzeichnung des MoU betonten die Minister erneut, dass mit MGCS kein Nachfolger der heutigen Kampfpanzer Leopard 2 oder Leclerc entwickelt werde. Es gehe nicht um den Panzer der Zukunft, sondern um die Zukunft des Panzers. Deutschland und Frankreich seien die ersten, die sich mit diesen Fragen beschäftigen. Weder aus den USA noch aus Russland sei das ein Thema.

Schon seit langem haben sich die Industriefirmen in Position gebracht, um an der Entwicklung des MGCS und an der späteren Produktion teilzuhaben. Die Gründung 2015 von KNDS, dem Zusammenschluss der deutschen Krauss-Maffei Wegmann und der französischen Nexter Gruppe, wird mit dem MGCS-Projekt in Verbindung gebracht, das 2012 begründet wurde. Mit dem Industrievertrag zur Systemarchitekturstudie trat Rheinmetall offiziell in das Projekt ein, als Mitglied der ARGE, bestehend aus Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Nexter. Den deutschen Führungsanspruch dokumentierte das BAAINBw als vertragsschließende Partei für beide Nationen. Weiter werden u.a. Thales für Kommunikation und Aufklärung, Rohde & Schwarz für Kommunikation, Hensoldt für Aufklärung genannt.

Die paritätische Zuordnung der Leistungserbringung soll säulenbezogen erfolgen. Will heißen: In jeder der Säulen werden die Aufträge gleichmäßig auf beide Partner aufgeteilt. Das wird ein schwieriges Thema u.a. deshalb, weil mit KNDS und Thales zwei Firmen beteiligt sind, die Entwicklungsbüros und Produktionsstätten in Frankreich und Deutschland haben. Wie stellt man da die länderbezogene Aufteilung sicher? Wie zu hören ist, erhebt Frankreich den Anspruch, alle Komponenten in der eigenen Industrie prozieren zu können. Wie kann das in die Verträge integriert werden?

Eine wichtige Frage ist noch nicht geklärt: Welches Kaliber wird die neue Bordkanone haben. Dass es eine geben wird, und dass das bisherige Kaliber 120mm nicht ausreichend für die Anforderungen des MGCS, ist klar. Rheinmetall geht mit der 130mm-Kanone ins Rennen, während KNDS seine 140mm-Kanone für das MGCS anbietet. Beide Waffenanlagen verfügen über einen automatischen Lader. Daher kann der Turm unbemannt bleiben, was sich auf die notwendige Panzerung und damit auf das Gewicht auswirkt.

Das MoU ist jetzt Grundlage für Vertragsverhandlungen mit der Industrie für Entwicklung und Bau der Technologiedemonstratoren (Main Technology Demonstrator, MTD). Die Verträge sollen nach der parlamentarischen Befassung um die Jahreswende 2024/2025 abgeschlossen werden. Sechs Jahre Zeit soll den Firmen eingeräumt werden, bis die Arbeitsergebnisse vorliegen.

Seit 2012 untersuchen das deutsche und das französische Verteidigungsministerium wie mit einem neuen Landkampfsystem (Main Ground Combat System, MGCS) die Fähigkeiten, die aktuell mit den Kampfpanzern Leopard 2 und Leclerc realisiert werden, weiterentwickelt werden können. Nachdem in der Phase I der gemeinsame Fähigkeitskatalog erarbeitet war, wurde mit Konzeptstudien in der Phase II schnell klar, dass es mit dem herkömmlichen Kampfpanzerkonzept keine Lösung geben werde. Es entstand das Multi-Plattformkonzept mit zwei wichtigen Rahmenbedingungen: Das Gewicht der Plattformen darf 50 Tonnen nicht überschreiten und die Anzahl der Bediener muss bei gesteigerter Leistungsfähigkeit geringer werden. In der derzeit laufenden Phase III wurde die Architektur des MGCS erarbeitet und mit den Anforderungen für die Technologiebereiche die Voraussetzung für den Bau von Technologiedemonstratoren geschaffen.

Das MGCS wird nicht nur ein technologischer Umbruch, der ein durchsetzungs- und überlebensfähiges System in die Truppe bringen soll. Der taktische und operative Umbruch wird genauso gravierend sein. Viel weniger Personal verfügt über ein viel höheres Leistungsspektrum. Das wird eine Herausforderung vor allem für die taktischen Führer.

Gerhard Heiming