Der Inspekteur der israelischen Luftwaffe setzt sich dafür ein, die Sikorsky CH-53K als neuen Schweren Transporthubschrauber anzuschaffen. Das könnte auch für Deutschland wichtig werden.
Die Entscheidung über den neuen Schweren Transporthubschrauber (STH) scheint in Israel gefallen zu sein. Israelische Medien berichten, dass in den kommenden Tagen eine Empfehlung des Inspekteurs der israelischen Luftwaffe (IAF) fallen wird, die CH-53K von Sikorsky zu beschaffen. Dieser Helikopter gilt bei vielen als der derzeit modernste und leistungsstärkste der Welt. Da die CH-53K eine Neuentwicklung ist, ist sie im Stückpreis teurer als etwa der Konkurrent aus dem Hause Boeing, die seit mehr als 40 Jahren eingesetzte CH-47. Trotzdem ist gerade der Kostenfaktor ein zentrales Argument für die israelischen Streitkräfte, sich für den Sikorsky-Hubschrauber zu entscheiden: Langfristig lohnt sich die Anschaffung eines neuen, wartungsarmen und ausbaufähigen Helikopters. Die israelischen Streitkräfte betrachten Beschaffungs- und Lebenswegkosten über einen Zeitraum von 25 Jahren. Am Ende ist ein neuer Hubschrauber dann kostengünstiger und effizienter.
Parallel soll den Medieninformationen zufolge auch eine Entscheidung zur Beschaffung von Boeing/Bell V-22 Hubschraubern bekannt gegeben werden. An der V-22 gibt es wegen hoher Wartungskosten Kritik. Israelische Offiziere haben öffentlich davor gewarnt, dass bei einer Entscheidung für die V-22 wohl weniger Schwere Transporthubschrauber beschafft werden könnten. Beide Beschaffungen sollen offenkundig miteinander verknüpft werden. Dazu gehört auch die Beschaffung von F-35 Kampfflugzeugen. Aufgrund der politischen Krise in Israel hat das dortige Verteidigungsministerium seine Beschaffungsliste auf die dringendsten Projekte reduziert. Israelische Sicherheitsexperten haben dem Vernehmen nach den Kauf der F-35 Flugzeuge und CH-53K Hubschrauber weit oben auf die Liste gesetzt. Israel will die Beschaffung über einen Foreign Military Sale (FMS) durchführen.
Berlin beobachtet Entscheidungsprozess
Auch die Bundeswehr will einen neuen Schweren Transporthubschrauber beschaffen. Allerdings wurde die Ausschreibung vor Kurzem mit der Begründung abgebrochen, die Beschaffung sei kostenmäßig aus dem Ruder gelaufen. Zur Wahl stehen in Deutschland im Rahmen des Direct Commercial Sale (DCS)-Verfahrens die CH-53K und die CH-47. Das Berliner Verteidigungsministerium hat gerade eine Anfrage an die USA gestellt, um für beide Typen ein Angebot im FMS-Verfahren zu erhalten. Die Bundeswehr will jetzt auf Sonderwünsche verzichten und eine kostengünstigere Basisvariante beschaffen. „Im Rahmen der laufenden Vergabe wurde erkannt, dass eine Realisierung des Projektes im geplanten Finanzrahmen bei gleichzeitiger Erfüllung aller Forderungen unwahrscheinlich ist. Die Vergabestelle des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) hat die vorliegenden Angebote als unwirtschaftlich bewertet und aus diesem Grund das Vergabeverfahren aufgehoben“, begründete der Verteidigungsministerium den überraschenden Stopp des seit Jahren laufenden Vergabeverfahrens. Zugleich betonte es aber, dass das bisherige Muster CH-53G zeitgerecht ersetzt werden muss. Die Truppe habe nach wie vor einen entsprechenden Bedarf. Das Ende der Nutzungsdauer der CH-53G ist spätestens 2030 erreicht. Schon jetzt ist die Verfügbarkeit mangelhaft. „Das Projekt wird daher mit veränderten Vorgaben fortgesetzt“, so die Bundeswehr, denn „die Realisierung des Projekts STH hat für die Bundeswehr eine sehr hohe Priorität, da die Fähigkeit zum Lufttransport sowohl für die Mobilität und Reaktionsfähigkeit von Streitkräften wie auch für Hilfs- und Unterstützungsleistungen von herausragender Bedeutung sind“.
Die israelische Entscheidung dürfte in Berlin in jedem Fall sehr genau beobachtet werden. Denn Israels Streitkräfte und die Bundeswehr verbindet eine enge Partnerschaft. Wie die deutsche Luftwaffe flogen die Israelis bisher schon eine alte Version des CH-53. So konnten Piloten aus beiden Ländern auch gemeinsam an fliegerischen Trainings teilnehmen – in Israel und Deutschland. Israelis übten in Deutschland etwa den Gebirgsflug, während die Deutschen in Israel grundsätzlich unter sehr einsatznahen Bedingungen trainieren konnten. Dies ist ein enormer Vorteil für Piloten. Durch die Beschaffung des gleichen Hubschraubertyps könnten diese Trainings reibungslos fortgeführt werden. Denkbar wäre auch, dass die Beschaffungen beider Nationen kombiniert werden. Das könnte einen positiven Einfluss auf den Preis der CH-53K für beide Nationen haben.
Die Streitkräfte beider Staaten haben in dieser Sache bereits Kontakt: Die Evaluierungsflüge mit der CH-53K wurden 2019 von beiden Nationen zeitgleich in den USA durchgeführt. Danach soll es weitere Gespräche auf höchster Ebene gegeben haben.
Sikorsky bestätigte, dass für den deutschen Bedarf immer noch ausreichend Produktionskapazitäten zur Verfügung stünden, auch, wenn die israelische Bestellung früher eingeht. Die Gesamtproduktionskapazitäten für die CH-53K im Sikorsky Hauptwerk in Stratford, Connecticut, seien bereits jetzt für weitere internationale Bestellungen, neben der laufenden Fertigung von insgesamt 200 CH-53K für das U.S. Marine Corps, ausgelegt, heißt es.
CH-53K in Serienproduktion
Das Naval Air Systems Command (NAVAIR) hat am 26. Oktober 2020 mit Sikorsky – Lockheed Martin einen 470-Millionen-Euro-Vertrag über Produktion und Lieferung weiterer sechs schwerer Transporthubschrauber CH-53K „King Stallion“ abgeschlossen. Neben der Lieferung der Luftfahrzeuge wurden auch programmatische und technische Unterstützung sowie die Bereitstellung von Sonderwerkzeugen vereinbart. Die Hubschrauber sollen 2024 geliefert werden. Mit dem 4. Los sind insgesamt 24 CH-53K unter Vertrag. Die Verträge für das 5. und 6. Los mit acht bzw. elf Hubschraubern sollen dieses Jahr abgeschlossen werden.
Im deutschen Vergabeprozess wurde die CH-53K durch ein Team unter Führung von Sikorsky und Rheinmetall (Simulation, Ausbildung, technische Dokumentation, Wartung, Reparatur & Betrieb) angeboten. Das US-Unternehmen hatte frühzeitig namhafte deutsche Unternehmen wie MTU Aero Engines (Triebwerk & Wartung), Autoflug GmbH (Sitze, Rettungsmittel, MEDEVAC-Ausstattung), Hydro Systems KG (Bodengeräte und Sonderwerkzeuge), Hensoldt (Selbstschutzsystem, Missionsplanungssystem), Vincorion (Winde), ZF (dynamische Komponenten), Liebherr (Fahrwerkssystem), Collins Aerospace (Cockpit & Avionik) sowie Rohde & Schwarz (Funk) unter Vertrag genommen.
André Forkert