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„Graue Wölfe: Vier Verdachtsfälle in der Bundeswehr“, „Türkischer Geheimdienst forciert Spionage in Deutschland“, „Türkischer Geheimdienst: Aus lauter Heimatliebe“. So und ähnlich lauten die Schlagzeilen zu einem der aktivsten Nachrichtendienste in Deutschland, der angesichts der spektakulären Aktivitäten russischer und chinesischer Dienste häufig noch unterschätzt wird – der türkische Nachrichtendienst MIT.

Der Dienst wurde 1926 noch zur Zeit Atatürks als MEHR (Millî Emniyet Hizmeti Riyâseti) gegründet. 1965 wurde er als türkischer In- und Auslandsnachrichtendienst MIT (Millî İstihbarat Teşkilâtı) neu aufgestellt. Seit 2010 führt der ehemalige Unteroffizier der türkischen Streitkräfte, Hakan Fidan, den Dienst als Direktor. MIT hat ca. 9.000 Bedienstete.

Dies macht ihn sowohl im Vergleich zu anderen Staaten in der Region (beispielsweise Iran), aber auch mit Blick auf deutsche Verhältnisse (ähnliche Bevölkerungszahl in der Türkei) zu einem relativ kleinen Dienst, zumal dann, wenn man bedenkt, dass der MIT In- und Auslandsaufklärung kombiniert bearbeitet. Zum Vergleich: Bundesnachrichtendienst und Bundesamt für Verfassungsschutz haben gemeinsam ca. 9.000 Bedienstete, dazu kommen aber noch die 16 Landesämter für Verfassungsschutz. Der MIT (Hauptquartier KALE, Ankara) verfügt über ein im Vergleich zu deutschen Diensten relativ knappes jährliches Budget von ca. 280 Millionen Euro und untersteht seit 2017 nicht mehr dem Premierminister, sondern Präsident Erdoğan direkt. Dies unterstreicht die hohe Bedeutung des Dienstes innerhalb der türkischen Sicherheitsarchitektur. Auch der MIT selbst hat einen Umbau erfahren. Seine Führungskräfte stehen nunmehr uneingeschränkt hinter dem System Erdoğan.

Das Wappen des Geheimdienstes trägt das Bild des Staatsgründers der modernen Türkei Kemal Atatürk, der den Vorgängergeheimdienst 1926 gründete (Foto: MIT)

Der Dienst unterliegt keiner parlamentarischen oder justiziellen Kontrolle. Zudem verfügt er nach den Reformen von 2014 und noch verstärkt nach den von der türkischen Regierung als „Putschversuch“ der Gülen-Bewegung dargestellten Ereignissen im Jahr 2016 über erhebliche Exekutivbefugnisse. Er ist für seine Maßnahmen nicht auf die Mithilfe der Polizeiorgane angewiesen, sondern nimmt diese Eingriffsmaßnahmen (auch vorläufige Festnahmen) zum Teil selber wahr. Der Dienst ist auch bei der Wahl seiner Verhörmethoden (Waterboarding, Stromschläge) frei. Die nachrichtendienstlich eher ungewöhnliche kombinierte Aufgabenwahrnehmung der In- und Auslandsaufklärung zeigt zudem, dass der MIT außenpolitische Aufklärungsmaßnahmen immer auch unter einer innenpolitischen Brille heraus betrachtet und entsprechend rahmt (beispielsweise die Aktivitäten der linksextremistischen Arbeiterpartei Kurdistans PKK in Deutschland).

Ethnische und religiöse Minderheiten wie Kurden und Aleviten sind im Übrigen von einer Laufbahn im türkischen Geheimdienst schon rechtlich von vornhinein ausgeschlossen, wobei der Dienst auch die Rekrutierung aus Familien der eigenen Bediensteten mittlerweile beendet hat. Der MIT kooperiert unter anderem eng mit der CIA und dem russischen Auslandsnachrichtendienst SWR, aber auch mit dem kurdischen Nachrichtendienst (Asayesch) in der Autonomen Region im Nordirak. Seine bekannt gewordenen Aktivitäten erstrecken sich von den USA über Afrika – 2017 beispielsweise in Ägypten der Versuch, der islamistisch-legalistischen Muslimbruderschaft eine erneute Machtübernahme zu ermöglichen – bis nach Australien. Seine Schwerpunkte liegen jedoch in der geopolitischen Umgebung der Türkei und in Staaten mit bedeutenden türkischen Minderheiten – so auch in der Bundesrepublik Deutschland.

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