Frankreich, Italien, Großbritannien, Schweden, Spanien, die Niederlande und Deutschland verfügen über einen global agierenden nationalen Marineschiffbau als verteidigungsindustrielle und technologische Basis, der in Europa aufgrund seiner starken Fragmentierung und Überkapazitäten dringend einer Konsolidierung bedarf. Der Marineschiffbau steht in Deutschland vor der wichtigen Entscheidung, wie er sich zukünftig strategisch ausrichten soll und ob für die Unternehmen eine nationale Konsolidierung Vorrang vor einer europäischen hat.
Zur Marineschiffbau-Industrie gehören Werften und Unternehmen der Zulieferindustrie. Sie lässt sich in folgende Systembereiche gliedern: Überwasserkampfeinheiten, U-Boote, Minenabwehr- und -kampfboote, Landungsboote, marinespezifische Unterstützungsfahrzeuge sowie Subsysteme, zu denen Antriebsanlagen, Waffen, Führungs- und Waffeneinsatzsysteme sowie Radar, Sonar und andere Sensoren gehören.
Europa verfügt hier über eine breite technologische Kompetenz und über eine hohe Systemfähigkeit in der Integration komplexer technologischer Wissensgebiete, wie Sensorik, Antriebstechnik, Elektronik, Waffensystemtechnik, Schutztechnologie und Leichtbauweise, sowie über ein leistungsfähiges Projektmanagement. Grenzüberschreitende Joint Ventures, Kooperationen und Rüstungsprogramme sind bisher die Ausnahme. Nur drei der 14 Rüstungsprogramme, die von der Gemeinsamen Organisation für Rüstungsprojekte (OCCAR) gemanagt werden, zählen zum Marineschiffbau: das französisch-italienische Mehrzweckfregattenprojekt FREMM, ein Landing Support Ship (LSS) sowie das italienische Mehrzweck-Patrouillenschiff PPA.
Die Konstruktion und Entwicklung eines Prototyps der European Patrol Corvette (EPC) ist das einzige von sechs Projekten der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit PESCO der EU-Mitgliedstaaten im maritimen Bereich, das den Marineschiffbau betrifft. Zu diesem Zweck haben Frankreich, Griechenland, Italien und Spanien eine Zusammenarbeit im EPC-Projekt vereinbart, das innerhalb von PESCO unter italienischer Führung die Konstruktion und die Entwicklung eines Prototyps einer neuen militärischen Schiffsklasse vorsieht. Deutschland ist an keinem der sechs maritimen Projekte beteiligt.
Der internationale Wettbewerb wird durch die USA und Russland sowie mit dem Aufkommen eines leistungsfähigen Marineschiffbaus in den asiatischen Ländern China, Südkorea und Japan für die europäischen Werften erheblich verschärft. Hinzu kommt, dass die Industriepolitik in Frankreich, Italien und Spanien das Ziel verfolgt, die nationalen wehrtechnischen Kapazitäten und Schlüsseltechnologien der Staatsbetriebe zu sichern sowie die Exportaktivitäten regierungsseitig zu unterstützen. Zwischen diesen Ländern ist es unter Einbeziehung der europäischen Organisationen OCCAR und PESCO zu verstärkten Kooperationen und Joint Ventures im Marineschiffbau gekommen, die den Wettbewerbsdruck insbesondere für die deutschen Unternehmen erhöhen.
Der Marineschiffbau ist ein unverzichtbarer strategischer Partner der Marine. Deshalb ist die nationale Industriepolitik in den meisten Ländern darauf ausgerichtet, durch Aufträge die Kapazitäten, Technologien und Beschäftigung im Lande zu erhalten, unerwünschte Abhängigkeiten vom Ausland zu verhindern und die Teilhabe an internationalen Rüstungskooperationen zu sichern. Zugleich haben die erfolgreichen Auslandsaufträge der großen europäischen Werften bisher eine weitgehende europäische Konsolidierung erschwert.
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