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Der Deutsche Bundestag hat am 17. Juni 2020 neben anderen Rüstungsvorhaben das Mehrzweckkampfschiff 180 beraten. Sowohl Verteidigungs- als auch im Haushaltsausschuss billigten die 25-Millionen-Euro-Vorlage und willigten in die Aufhebung der qualifizierten Sperre der Verpflichtungsermächtigung ein. Damit steht einer Vertragsunterzeichnung eigentlich nichts mehr im Wege.

Im Januar 2020 ging der Auftrag für das Mehrzweckkampfschiff (MKS) 180 an die Damen-Gruppe (Sitz Gorinchem, Niederlande), die mit einem auf ihrer Sigma-Klasse aufbauenden Entwurf angetreten waren. Der verbliebene deutsche Mitbewerber in der internationalen Ausschreibung, German Naval Yards Kiel, die mit thyssenkrupp Marine Systems als Unterauftragnehmer angetreten war, hatte das Nachsehen. Mitte Mai 2020 verkündeten German Naval Yards Kiel und Lürssen ihre Absicht zu einer ‚dauerhaften Zusammenarbeit im Marineschiffbau‘, wobei die Bremer das Steuer übernehmen. Unter der Moderation des Maritimen Koordinators der Bundesregierung, Norbert Brackmann MdB, konnte dieser strukturelle Eingriff in die Marinewerftenlandschaft zu einem Ende gebracht werden. Die kartellrechtliche Würdigung steht noch aus.

Bleibt es bei der von den Niederländern geäußerten Absicht einer weitgehenden Beteiligung deutscher Partner (80 Prozent der gesamten Nettoinvestitionen sollen als Wertschöpfung in Deutschland verbleiben), so stehen durch den Zusammenschluss (die fusionskontrollrechtliche Genehmigung vorausgesetzt) für den Bau des Mehrzweckkampfschiffes 180 ein weiterer deutscher Bauplatz zur Verfügung. Was sich positiv auf die Fertigstellung der vier Schiffe auswirken könnte. Denn Damen beabsichtigt 2027 die Baunummer 1 fertig zu haben – wobei zum jetzigen Zeitpunkt zwischen Ablieferung und Indienststellung Unschärfe herrscht.

Kurz nach Bekanntgabe der Entscheidung – und dies wäre ein Fingerzeig, wie ernst es um die von Damen beschworene deutsche Einbindung bestellt ist – machte Hensoldt die Lieferung von vier Schiffsradaren TRS-4D, auf AESA-Technologie basierend, öffentlich.

Die Beschaffung von vier Mehrzweckkampfschiffen 180 (MKS 180) ist im Bundeshaushalt mit insgesamt 5,722581 Milliarden Euro berücksichtigt. Für das Haushaltsjahr 2020 sind Mittel in Höhe von 396 Millionen Euro veranschlagt, für die Folgejahre ist eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 5,308 Milliarden Euro ausgebracht, jeweils in Jahresscheiben ab 2021 bis 2032 gestaffelt. Eine Option für zwei weitere MKS 180, für die die Marine eintritt, ist im Haushalt bisher nicht berücksichtigt.

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich, MdB, kommentierte gegenüber ES&T: „Mit der heutigen Parlamentsentscheidung zur Realisierung des Projektes MKS 180 geht ein starkes Zeichen an unsere europäischen Partner und ein deutliches Bekenntnis Deutschlands zu seinen Bündnisverpflichtungen einher. Wir verbinden mit der Entscheidung zum Bau von vier Schiffen die Hoffnung, dass das Projekt zügig umgesetzt wird. Unsere Marine braucht dieses Schiff, einschließlich des Umfeldes von Ausbildung und Versorgung. Damit erfüllen wir auch die, in der NATO eingegangen Verpflichtungen mit einem Schiff, dessen Fähigkeiten in modularer Weise weiterentwickelt werden können.“

Einen Termin zur Vertragsunterzeichnung wurde noch nicht genannt. Das Knallen der Sektkorken in Gorinchen, Bremen, Kiel und Rostock (und stellvertretend für viele andere Zulieferer in Taufkirchen) war weithin vernehmbar.

 

Hintergrund Fähigkeitsspektrum MKS 180

Zum geforderten Fähigkeitsspektrum des Mehrzweckkampfschiffes MKS 180: Es soll ein Seekriegsmittel für den hochintensiven, mehrdimensionalen Seekrieg sein und für Einsätze in entfernten Seegebieten geeignet sein, das komplexen Lagen wie anspruchsvollen Umweltbedingungen gerecht wird. Das Mehrzweckkampfschiff soll zur U-Jagd ebenso in der Lage sein wie zur Bekämpfung von See- und Landzielen. Es ist mit Bordhubschraubern ausgerüstet, kann gegebenenfalls Spezialkräfte wie auch zusätzliches Personal und Material aufnehmen. Also eine Einheit, die für den hochintensiven Seekrieg optimiert ist.

Das fünf Meter längere und rund zweitausend Tonnen größere Mehrzweckkampfschiff wird von den Fregatten der Baden-Württemberg-Klasse, von denen bisher zwei Einheiten, die „Baden-Württemberg“ (Juni 2019) und die „Nordrhein-Westfalen“ (kürzlich, im Juni 2020) in Dienst gestellt wurden, einige Merkmale übernehmen – vor allem Automatisierung und geringer Wartungsaufwand der technischen Anlagen sowie das Mehrbesatzungskonzept. Während die Besatzung alle vier Monate rotieren soll, wird das Schiff bis zu zwei Jahren im Einsatz verbleiben können.

Für die Marine passt das Mehrzweckkampfschiff zu der mit dem Weißbuch 2016 eingeleiteten Rückbesinnung auf Landes- und Bündnisverteidigung.

Die stellvertretende verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Siemtje Möller, MdB: „MKS 180 erfüllt den konzeptionellen Bedarf der Marine und die Fähigkeiten des Schiffes decken ein breites Spektrum ab, dreidimensionale Seekriegsführung kombiniert mit bis zu 24-monatiger Stehzeit auf See durch das Mehrbesatzungskonzept, das kann bisher kein anderes Schiff unserer Marine. Die vorerst vier Einheiten sollten zeitnah durch zwei weitere ergänzt werden. Mit dem MKS180 können die Fähigkeiten der Marine ausgebaut werden und das wirkt sich positiv auf die Einsatzbereitschaft auf, die auch von unseren Partnern immer mehr nachgefragt wird. Vor Ort in Wilhelmshaven freuen wir uns natürlich besonders, die vorhandenen Flaggenstöcke um die der zukünftigen F126 zu ergänzen!“

Hans Uwe Mergener

 

Kenngrößen und Aufgaben

Länge: circa 155 Meter Konstruktionswasserlinie
Wasserverdrängung: maximal 9.000 Tonnen
Kojenkapazität: 110 Personen Stammbesatzung

70 Personen Einschiffungskontingente

Einsatzzeit: 24 Monate
Fahrtgebiet: weltweit
Eisklasse: 1C/E1 für Seegebiete mit Eisbildung
Nutzungsdauer: 30 Jahre
Bewaffnung: · Flugabwehrraketen mittlerer und kurzer Reichweite

· weitreichende Seeziel-Flugkörper

· Hauptgeschütz 127 Millimeter mit reichweitengesteigerter Munition

· Wasserwerfer, schwere Maschinengewehre, Marineleichtgeschütze

· Einsatzboote, Aufklärungsdrohnen, U-Jagd-Bordhubschrauber

Einsatzaufgaben: · Selbstverteidigung und Kampfeinsätze

· Erstellung eines Maritimen Lagebildes über und unter Wasser

· Seeraumüberwachung und Embargokontrolle, inklusive Boarding

· Militärische Evakuierung in Krisensituationen

· Begleitschutz für Handelsschiffe

· Führung von Einsatzverbänden in See