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Schein oder Sein, Nutzen oder nicht, überbewertet oder unterschätzt: Zu den Aufgaben eines Innovation Managements gehört die Marktbeobachtung sowie Beurteilung von Technologien und Trends. Das ist in einem traditionell von kurzen Zyklen und häufigen Hypes geprägten Umfeld wie der Informationstechnologie nicht immer einfach, wie das Beispiel Quantum Computing zeigt. „Quantum“ und „Quantum Computing“ sind Begriffe, mit denen in der Regel die „auf subatomaren Inkohärenzphänomenen basierende Informationstechnologie“ bezeichnet wird. Die recht sperrige Formulierung lässt sich in etwa mit „Ungenauigkeiten“ oder „Unschärfen“ umschreiben.

Quantum Computing bricht mit Prinzip binärer Logikschaltungen

Quantencomputern wird ein erhebliches Veränderungspotenzial zugesprochen. Dementsprechend bezeichnen Innovationsexperten die Technologie gern als disruptiv. Das liegt vor allem daran, dass sie mit dem Prinzip binärer Logikschaltungen bricht. Und darauf beruht praktisch die gesamte heutige IT-Welt. In der Informationstechnik wird auf allen Ebenen nach den zwei simplen Kategorien „richtig“ (1) oder „falsch“ (0) entschieden. Quantencomputer machen genau das nicht. Sie ermitteln, vereinfacht gesagt, die Wahrscheinlichkeiten, mit denen das Ergebnis in die eine oder in die andere Richtung neigt.

Diese Vorstellung allein verändert bereits die Prinzipien unserer IT-Welt und ist nicht leicht anzuerkennen, geschweige denn umzusetzen. Techniker, Ingenieure und Programmierer sind auf die Nutzung von 1 (An) und 0 (Aus) ausgebildet. Im ökonomischen Sinn sollen Ergebnisse geschaffen werden. Allerdings gibt es Anwendungsfelder, wie beispielsweise in der Logistik der Bundeswehr, in denen eine An- und Aus-Logik nicht ausreicht. Beispiel Transport: In einem zwar schnellen, aber kleinen Flugzeug sollen möglichst viele möglichst wertvolle Artikel transportiert werden, die es aus einer Fülle unterschiedlicher Waren auszuwählen gilt. Die ausgewählten Stücke sollen möglichst wenig wiegen und zugleich keinen Kubikzentimeter Stauraum verschenken. Digitale Rechner müssen diese Aufgabe in vielen Versuch-und-Fehler-Zyklen nacheinander lösen. Je mehr Variationen es gibt, desto schneller stoßen sie an ihre Leistungsgrenzen. Für einen Quantencomputer ist die Aufgabe jedoch vergleichsweise einfach. Seine Stärken liegen überall dort, wo es um Wahrscheinlichkeiten und Verteilungen geht – wie bei dem genannten Beispiel, das als „Rucksackproblem“ bekannt ist.

Ihr „nichtbinäres“ Wesen verdanken Quantencomputer den eingangs erwähnten subatomaren Inkohärenzphänomenen. In der traditionellen Physik gilt das Atom als kleinste, unteilbare Einheit. Messergebnisse fallen hier bei identischer Durchführung identisch aus. Das ist in der Quantenphysik anders: Hier ergibt erst die Summe aller – in gewisser Wahrscheinlichkeit untereinander verschiedenen – Teilergebnisse das, was wir in heutigen Computern letztlich als 0 oder 1 wahrnehmen. Das ist ähnlich wie bei Licht, das erst als Summe einer Vielzahl unterschiedlicher Frequenzen (Farben) und Richtungen (Polarisationen) als weiß erscheint. In holografischen Bildern, wie sie auf Kreditkarten zu finden sind, nutzt man dieses Phänomen. Bei der Aufnahme wird nicht nur das sichtbare Licht fotografisch festgehalten. Mithilfe reflektierender, transparenter Spiegel fängt man auch jenes Licht ein, das indirekt aus den nicht direkt sichtbaren Bereichen auf den Bildträger trifft und indirekt von dem Aufnahmemotiv beeinflusst wurde.

Neue Technologie birgt Chancen und Risiken

Ein konkretes Anwendungsfeld für Quantenalgorithmen sind mathematische Berechnungen, wie sie zum Beispiel der Quantencomputer Q system one von IBM vornimmt. Hierbei liegt der Fokus auf Primfaktor-Berechnungen, die sich mit Quantenbits (Qubits) vergleichsweise effizient bewerkstelligen lassen. Genau das birgt das größte Potenzial und zugleich die größte Gefahr dieser Technologie: Praktisch alle heute gebräuchlichen, kryptografischen Verfahren basieren auf Primfaktor-Berechnungen. Eine Zahl mit Hunderten von Dezimalstellen, die durch Multiplikation von Primzahlen erzeugt wurde, kann mit der verfügbaren Technik – wenn überhaupt – nur mit sehr hohem Aufwand zurückgerechnet, also entschlüsselt, werden. Das wird sich mit einsatzreifen Quantencomputern vermutlich ändern. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Aufgrund eines anderen quantenphysikalischen Phänomens, der Quantenverschränkung, lässt sich erkennen, ob ein Datenaustausch abgehört wurde. Vereinfacht gesagt, verändert das Auslesen einer übermittelten Information dieselbe, was wiederum feststellbar ist.

Auch, wenn die Quanten-IT noch in einer frühen Entwicklungsphase ist, und auch, wenn sie heutige Verschlüsselungsverfahren erst in Jahren knacken wird, braucht es schon jetzt Alternativen. Gerade im militärischen Umfeld müssen frühzeitig Verschlüsselungsverfahren entwickelt werden, die auch vor Quantencomputern sicher sind. Innovationsmanager sind in ihrer Beobachtung und Beurteilung der Quantumtechnologie also in besonderem Maße gefordert, Chancen und Risiken genau abzuwägen. Um es mit den Worten des österreichischen Physikers Erwin Schrödinger zu sagen: Abwarten, aber schnell.

Autoren: David Herminghaus und Martin Wirzberger, Innovation Management, BWI GmbH