Im südlichen Kattegat wurden ungewöhnliche Manöver russischer Schiffe beobachtet, die auf mögliche Unterwasseroperationen hindeuten. Besonders auffällig ist die Präsenz des Hochseeschleppers „Sergeji Balk“ und des Schleppers „SB123“, deren Bewegungen Fragen zur Sicherheit kritischer Infrastrukturen aufwerfen.
Die jüngsten Störungen an Unterseekabeln und anderen kritischen Infrastrukturen haben NATO und Europäische Union in Alarmbereitschaft versetzt. Vor diesem Hintergrund fallen die Bewegungen mehrerer russischer Schiffe im südlichen Kattegat, die durch das automatische Identifizierungssystem AIS (Automatic Identification System) erfasst wurden, besonders auf.
Der russische Hochseeschlepper „Sergeji Balk“ ist laut AIS-Daten seit dem Nachmittag/Abend des 6. Januar auf dem Tiefwasserweg zu beobachten, der aus dem Großen Belt durch das Kattegat führt. Er bewegt sich auf einer etwa 21,5 Seemeilen (knapp 40 km) langen Strecke östlich der dänischen Stadt Grenaa mit nordöstlichen und südwestlichen Kursen auf und ab.
Seit dem Abend des 6. Januar wird er von „SB123“, einem weiteren russischen Schlepper, der offensichtlich eigens aus Baltiysk hinzubeordert wurde, unterstützt. Die Aktion, an der nach anderen offenen Quellen mindestens zwei weitere Einheiten beteiligt waren, wurde gegen Mittag des 8. Januar eingestellt. „Sergeji Balk“ und „SB123“ haben den Transit durch den Großen Belt in die mittlere Ostsee aufgenommen.
Beide Einheiten schienen eine Untersuchung durchzuführen, da die verzeichneten Bewegungen nichts mit einer normalen Passage gemein haben. Dies ist umso auffälliger, da die aktuelle Wetterlage in diesem Seegebiet mit Windgeschwindigkeiten von über 35 Knoten eigentlich von einem Verbleiben im freien Seeraum abrät.
Mögliche Hintergründe: Zwei Vermutungen
Unterseekabel scheinen, soweit öffentlich verfügbare Informationen nahelegen (siehe Karte), nicht direkt im Zentrum des aktuellen Interesses zu stehen. Stattdessen rückt ein anderer Verdacht in den Fokus: Unweit der auffälligen Suchstreifen russischer Einheiten befand sich der chinesische Frachter „Yi Peng 3“ in einer Parkposition. Hat das Schiff möglicherweise vor dem Ankern in internationalen Gewässern etwas absichtlich über Bord geworfen oder versenkt? Der untersuchte Seeraum liegt in frei zugänglichem Gebiet, das als Durchfahrt für den internationalen Schiffsverkehr gilt. Bewegungen in diesem Bereich sind uneingeschränkt möglich, im Gegensatz zu den benachbarten territorialen Gewässern, in denen die „Yi Peng 3“ zuvor geparkt war.
Der unter chinesischer Flagge fahrende Frachter steht im Verdacht, in Verbindung mit Schäden an unterseeischen Glasfaserkabeln zu stehen. Der Massengutfrachter aus Ust-Luga wurde an beiden Orten identifiziert, an denen Mitte November 2024 Schäden an Unterseekabeln zwischen Schweden und Litauen sowie zwischen Finnland und Deutschland festgestellt wurden. Diese Vorfälle werfen Fragen auf und sind Gegenstand weiterer Ermittlungen.
Eine andere Vermutung bedarf einer kurzen historischen Rekonstruktion. Der russische Schlepper „SB123“ hat sich bereits im vergangenen Herbst im gleichen Seegebiet verdächtig gemacht. Damals zusammen mit der „Chusovoy“, GS-31, laut russischer Klassifizierung ein hydroakustisches Aufklärungsschiff, über die ESuT zu ihrem Einlaufen in die Ostsee im Mai 2024 berichtete. Aus der Mittleren Ostsee kommend hatte am 4. Oktober 2024 das Spionageschiff in Richtung Skagen verlegt und im Großen Belt im Seegebiet zwischen Grenaa, Seelands Odde und Anholt eine Ankerposition bezogen. Vor seiner Weiterfahrt nach Norden verblieb es einige Zeit in der Nähe. Das dänisches Medien- und Forschungszentrum Danwatch.dk berichtete damals, dass die Verlegung von Unterwasserkabeln in der Nähe eines Offshorewindparks Anholt russisches Interesse geweckt haben könnte. Auch wenn die Positionsmeldungen der Schiffe kein vollständiges Bild ihrer Aktivitäten geben können, besteht durchaus die Möglichkeit, dass sie etwas geplant haben. „Chusovoy“ ist in der Lage, Unterwassergerätschaften bis hin zu unbemannten Unterwasserfahrzeugen (Unmanned Underwater Vehicle, UUV) auszubringen.
Lagebild
Die „Sergeji Balk“ wurde am 31. Dezember 2024 gemeinsam mit einem nicht identifizierten U-Boot der Kilo-Klasse bei der Durchfahrt durch den Großen Belt beobachtet und von der dänischen Marine begleitet. Beide begaben sich am 1. Januar 2025 südöstlich des dänischen Skagen angesichts des heraufziehenden Sturmes in Wetterschutz. Zu ihnen gesellte sich am 2. Januar die Flugkörperkorvette „Soobrazitelny“, die den russischen Tanker „General Skobelev“ und den RoRo-Containercarrier „Sparta II“ auf ihrem Weg ins Mittelmeer begleitete (siehe ESuT).
Nachdem sich „Sergeij Balk“ und das U-Boot, von dem Beobachter annehmen, dass es sich um die an die Pazifikflotte abzuliefernde B-608 „Mozhaisk“ handelt, relativ lange im Seegebiet um Skagen aufhielten, lag die Vermutung eines technischen Problems auf einem der beiden Einheiten nahe. Diese Vermutung wurde durch das Auslaufen der „SB123“ und eines weiteren Schleppers, der „Evgeniy Churov“, verstärkt.
Die nun zu beobachtenden vordergründig unerklärlichen Bewegungen der „Sergeji Balk“, der „SB 123“ und zwei weiterer mit Russland in Verbindung zu bringender Einheiten deuten auf eine andere Auftragslage hin. Zudem wurde am Morgen des 8. Januar die Korvette „Soobrazitelny“ und ein nicht zu identifizierendes U-Boot im nördlichen Teil des Kattegat – östlich der Insel Läsoe – südwärtsgehend ausgemacht.
An dieser Stelle sei der Hinweis erlaubt, dass es sich hier um einen Report handelt, der auf Daten aus öffentlich zugänglichen Quellen aufbaut. Das Marinekommando Northwood der NATO, das rund um die Uhr die Lage verfolgt, verfügt über mehr Informationen und tiefergehende Analysemöglichkeiten, die aus bewussten Gründen nicht immer den Weg in die Öffentlichkeit finden.
Hybride Kriegführung heißt auch Bedrohung der Infrastruktur unter Wasser
Inmitten wachsender geopolitischer Spannungen, insbesondere im Verhältnis zwischen Europa und Russland, rückt die Sicherheit kritischer Infrastrukturen zunehmend in den Fokus. Die mysteriösen Störungen an Unterseekabeln und anderen kritischen Infrastrukturen sind für westliche Analysten mehr als bloße technische Zwischenfälle. Sie sind Warnsignale eines wachsenden Trends: die gezielte Nutzung hybrider Bedrohungen, um Schwachstellen in hochvernetzten Gesellschaften auszunutzen. In einer Zeit geprägt von Konfrontationen mit Russland und neuen globalen Machtverschiebungen, sehen Experten Parallelen zu Taktiken der „grauen Zone“. In ihr destabilisieren staatliche und nichtstaatliche Akteure gezielt, ohne in einen offenen Krieg zu treten. Moderne Konfliktführung beschränkt sich längst nicht mehr auf offene militärische Auseinandersetzungen – sie spielt sich im Verborgenen ab, an Schnittstellen von Technologie, Wirtschaft und Sicherheit. Dabei ist die Frage nicht mehr, ob solche Angriffe stattfinden, sondern wann und in welchem Ausmaß – und wie gut Europa darauf vorbereitet ist.
Michael Nitz und H. Uwe Mergener