Erneut sorgen die russischen Tanker „Yaz“ und „General Skobelev“ für Aufmerksamkeit in internationalen Gewässern. Begleitet von einem Kriegsschiff der russischen Marine passieren sie Europa und werfen Fragen zu den Hintergründen ihrer Mission auf. Sind sie Teil der wachsenden „dunklen Flotte“, die westlichen Sanktionen umgeht?
Erneut befinden sich die im sogenannten Syrien-Express eingesetzten russischen Tanker „Yaz“ und „General Skobelev“ in der Ostsee. Die beiden Einheiten haben AIS-Daten zu Folge am 27. August Malta westlaufend passiert und am 31. August das Mittelmeer verlassen. Sie konnten am 10. September in den dänischen Meerengen beobachtet werden. Am 14. September erreichten sie die Reede vor Kronstadt. Wie in der Vergangenheit befanden sie sich in Begleitung eines Kampfschiffes der russischen Marine. Dieses Mal erneut die Korvette der Steregushichiy-Klasse „Stoikiy“ (Hullnummer 545). Übereinstimmenden Medienberichten zufolge ist davon auszugehen, dass ein Rendezvous zwischen der eskortierenden Korvette und den beiden vermeintlichen Handelsschiffen zwischen Brest und Dover stattgefunden hat. Womit sich die Vorgehensweise, dass russische Hochwerteinheiten von Kriegsschiffen gedeckt werden, verfestigt.
Obskure Verhältnisse
Die genauen Hintergründe dieser Bewegungen bleiben im Dunkeln. Misstrauisch machen insbesondere die Bewachung durch russische Kriegsschiffe als auch andere Merkmale.
Der 6.600 Tonnen verdrängende Produktentanker „Yaz“ befindet sich wie auch ihr Eigentümer, die in St. Petersburg ansässige Transpetrochart auf der Sanktionsliste des Office of Foreign Assets Control, der Kontrollbehörde des Finanzministeriums der Vereinigten Staaten.
Der 13.000 Tonnen verdrängende Produktentanker „General Skobelev“ befindet sich im Besitz von Pal Shipping Trader Three Co Ltd (La Valletta, Malta), wird von Palmali Shipping (Sitz in Istanbul) betrieben und operiert unter der Flagge der Russischen Föderation. Sie ist registriert in Taganrog, Таганрог, Rostov. Das Schiff wurde 2008 von der Werft Krasnoye Sormovo, Nischni Nowgorod, Russische Föderation, mit der Baunummer 19619-09 gebaut und lief bis 2021 unter dem Namen „Agsu“. Eigentümer war die Pal Shipping Trader Three, Betreiber Palmali Shipping. 2021 wurde sie auf „General Skobelev“ umgetauft. Bis dahin war das Schiff wegen des Verdachts auf Verstöße gegen Umwelt- bzw. Sicherheitsbestimmungen mehrfach auffällig geworden. Im Januar 2018 wurde das Schiff 16 Tage im dänischen Kalundborg festgehalten.
Angehöriger der ‚dunklen Flotte‘?
Die Charakteristika der „General Skobelev“ lassen die Vermutung zu, dass das Schiff mit der sogenannten ‚dunklen Flotte‘ Russlands in Verbindung gebracht werden könnte. Damit sind Schiffe gemeint, die sich am illegalen Handel mit sanktionierter Fracht beteiligen, wie die Umgehung des Regimes der Ölpreisobergrenze. Infolge des G7-Beschlusses wurde der Handel von russischem Öl von den traditionellen Ölfirmen und Rohstoffhäusern zunehmend auf andere Handelsfirmen verlagert und auf eine sich allmählich vergrößernde ‚dunkle Flotte‘. Im Zuge der Sanktionen hat sich der Handel mit China, Indien und der Türkei ausgeweitet. Für Öl-Endprodukte wie Diesel wurden neue Abnehmer in Nord-, Westafrika, im Nahen Osten und auch Brasilien erschlossen. Das Umladen auf andere Tanker ist eine gern geübte Praxis bei der Verschleierung der Herkunft.
Analysten der Offenen Aufklärung bereitete die vorherige Reise der „General Skobelev“ Kopfzerbrechen. Am 21. April aus Baltyisk mit dem erklärten Ziel Port Said, Ägypten, ausgelaufen verliert sich am 8. Mai in der Straße von Sizilien ihre Spur. Es schien, als hätte der Tanker seine Übertragung gestoppt. Zu diesem Zeitpunkt war immer noch Port Said als Zielhafen angegeben. Sie blieb verschwunden und konnte durch Offene Aufklärung nicht in Tartus ausgemacht werden.
Aus anderen Informationen lässt sich rekonstruieren, dass die „General Skobelev“ im Jahr 2023 georgische und türkische Häfen anlief. Zuvor besuchte sie Häfen in der Türkei und in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Zusammen mit den in solchen Kreisen üblichen verschachtelten Eigentümerstrukturen und den Verbindungen zur Familie des türkischen Staatspräsidenten Tayyip Erdogan erscheinen die türkischen Zielhäfen auffällig.
Was sind Schattenflotten und warum sind sie von Bedeutung?
Der Begriff „Schattenflotte“ umfasst Schiffe, die genutzt werden, um russische Rohstoffe wie Öl unter Umgehung internationaler Sanktionen an ihre Kunden zu transportieren. Besonders seit dem Beginn des Russland-Ukraine-Krieges treten sogenannte „graue Flotten“ (Grey Fleet) vermehrt in Erscheinung. Dabei handelt es sich um Schiffe, deren Eigentümerschaft durch die Gründung ausländischer Firmen verschleiert wird, um Sanktionen zu umgehen und einen rechtmäßigen Anschein zu erwecken. Ihre rechtliche Lage ist oft schwer nachzuvollziehen, was die Nachverfolgung der Sanktionseinhaltung erschwert. Laut der britischen Plattform Windward, die maritimen Daten analysiert, besteht die graue Flotte aus über 1.000 identifizierten Schiffen, von denen 44 Prozent Ölproduktetanker und 31 Prozent Rohöltanker sind.
Noch undurchsichtiger agiert die „dunkle Flotte“ (Dark Fleet), die oft absichtlich ihre Positionierungssysteme deaktiviert oder manipuliert, um ihre Bewegungen zu verschleiern. Schätzungen beziffern diese Flotte auf 1.300 bis 1.400 Schiffe. Die Mehrheit dieser Schiffe transportiert Rohöl, während ein beträchtlicher Teil auch Ölprodukte befördert.
Seit dem Beginn des Krieges hat sich der Einsatz dieser Flotten signifikant gesteigert. Analysen zeigen, dass der Transport russischen Rohöls über die graue Flotte um über 100 Prozent im Vergleich zur Vorkriegszeit gestiegen ist, während der Transport über die dunkle Flotte um 19 Prozent zunahm. Wichtige Abnehmerländer für russisches Rohöl sind Indien und China, während russischer Diesel vor allem in die Türkei und Brasilien verschifft wird.
Die Zunahme dieses Schattenhandels trägt dazu bei, dass die westlichen Sanktionen nicht den gewünschten Effekt erzielen, Russlands Kriegswirtschaft empfindlich zu schwächen. Allerdings stellen viele dieser Schiffe, die oft alt und in schlechtem Zustand sind, ein erhebliches Risiko für die Schifffahrt und die Umwelt dar, da ihnen westliche Sicherheitsstandards und ausreichender Versicherungsschutz fehlen.
Das Phänomen der Schattenflotten ist jedoch nicht auf Russland beschränkt. Auch Länder wie Iran, Nordkorea und Venezuela nutzen solche Flotten, um Sanktionen zu umgehen. Im Zusammenhang mit den Schiffen „General Skobelev“ und „Yaz“ wird spekuliert, dass sie zur Schattenflotte gehören könnten. Jedoch gilt es, diese Vermutung im Gesamtkontext zu betrachten, da einzelne Schiffe noch keine breite Bewegung ausmachen.
Michael Nitz und H. Uwe Mergener