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Am 5. November werden in den Vereinigten Staaten auf Bundesebene das „Ticket“ des Präsidenten und seines Vizepräsidenten über das Wahlmännerkollegium sowie die Mitglieder des Repräsentantenhauses und ein Drittel des Senats gewählt. In NATO-Europa und selbst in EU-Europa wachsen die Sorgen vor einem möglichen Wahlsieg des Rechtspopulisten Donald Trump, je näher der Wahltag herankommt.

Nimmt man allein die Anzahl der vorhandenen Atomsprengköpfe als Datengrundlage, so stellen die USA 95,4 Prozent des nuklearen Schutzschirms der NATO. Daraus folgt in letzter Konsequenz: Ohne das Atomwaffenpotential der Vereinigten Staaten existiert keine glaubwürdige nukleare Abschreckung für das Bündnis. Da nützt es auch nichts, dass die Atlantische Allianz mittlerweile aus 32 Staaten besteht.

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Die Glaubwürdigkeit der nuklearen Abschreckung durch die NATO steht und fällt mit dem Atomwaffenarsenal der Vereinigten Staaten (vorne mittig ein atomarer strategischer Langstreckenbomber vom Typ B-52H „Stratofortress“ der US-Luftwaffe, stationiert auf der Minot Air Force Base in North Dakota).
(Foto: U.S. Navy, Thomas Gooley)

SWP-Aktuell 2024/A 21

„Trump II und die nukleare Rückversicherung der NATO. Lösungsansätze statt Alarmismus“ – so lautet der Titel der achtseitigen Studie, die zwei Wissenschaftler der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik des Berliner Think-Tanks „Stiftung Wissenschaft und Politik“ (SWP), Dr. Liviu Horovitz und Elisabeth Suh M.A., diesen Monat veröffentlicht haben. Das Papier entstand im Rahmen des SWP-Projektes STAND (Strategic Threat Analysis and Nuclear [Dis-] Order), das unter der Leitung von Dr. Claudia Major und Dr. Jonas Schneider durchgeführt wird.

„Eine zweite Präsidentschaft Donald Trumps würde zu einer Herausforderung für die transatlantischen Beziehungen werden“, so Horovitz und Suh, wobei der Begriff „Herausforderung“ noch eine Untertreibung sein dürfte. Die beiden Autoren vermuten, dass die Aufkündigung der nuklearen Rückversicherung durch Trump II „eher das letzte Opfer einer sich auflösenden Beziehung (wäre), nicht das erste.“ Die SWP-Wissenschaftler spekulieren, dass „Trumps innenpolitische Interessen nicht vereinbar mit einem vollständigen Rückzug der Vereinigten Staaten aus ihrer Rolle als globaler Akteur“ seien, was aber „eine Voraussetzung für die Aufgabe der nuklearen Sicherheitsversprechen Washingtons an seine NATO-Verbündeten“ wäre.

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„Die Vorbereitung auf unwahrscheinliche, aber katastrophale Szenarien ist enorm wichtig“, so die beiden SWP-Wissenschaftler.
(Foto: donaldjtrump.com)

Zwar sei der Extremfall eines Endes der erweiterten nuklearen Abschreckung innerhalb der NATO aufgrund einer zweiten Trump-Regierung durchaus möglich und bedürfe auf Seiten der Verbündeten entsprechender Planung – „er ist jedoch höchst unplausibel und darf nicht von den wahrscheinlicheren Entwicklungen ablenken“, so die Autoren. Trotzdem: „selbst im bestmöglichen Szenario einer Trump-II-Administration, die in diesem Punkt auf Kontinuität setzt, würde die US-amerikanische nukleare Rückversicherung für Europa voraussichtlich an Glaubwürdigkeit verlieren.“

Deshalb appellieren Horovitz und Suh an die aktuellen deutschen und europäischen Entscheidungsträger, schon jetzt mit ihren US-Kollegen zusammenzuarbeiten, „um die transatlantische diplomatische Koordination, die konventionelle Abschreckung und Verteidigung und auch die nukleare Dimension zu stärken.“

Dr. Gerd Portugall